„Ich kann konzentrierter arbeiten, wenn ich wenig Zeit habe“, sagt Gisela Hirschmann. © RUB, Marquard

Forschende Violinistin Zwischen Vivaldi und Wissenschaft

Wie verbindet man eine Juniorprofessur mit einer professionellen Musikerkarriere? Gisela Hirschmann weiß es aus eigener Erfahrung.

Die Politikwissenschaftlerin Dr. Gisela Hirschmann ist seit Oktober 2016 Juniorprofessorin am Institut für Friedenssicherungsrecht und Humanitäres Völkerrecht der Ruhr-Universität. Drei Monate zuvor hat sie ihr Violinstudium an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg abgeschlossen und tritt derzeit bevorzugt in Kammermusikensembles auf.

Juniorprofessorin und Profimusikerin gleichzeitig sein – wie schaffen Sie das?
Das werde ich oft gefragt. Man braucht schon ein gutes Zeitmanagement und Disziplin, um beides zu schaffen. Aber ich fühle mich nicht doppelt belastet, im Gegenteil. Beide Bereiche ergänzen sich für mich: Die Wissenschaft spricht die intellektuelle, rationale Seite an, die Musik die emotionale.

Man muss jeden Tag trainieren wie ein Sportler.

Wie muss man sich Ihren Alltag vorstellen – üben Sie jeden Tag?
Ja, im Prinzip schon, man muss jeden Tag trainieren wie ein Sportler. Das ist wichtig für die Muskeln, die Sehnen, die Geläufigkeit. Vor Konzerten betreibe ich das noch intensiver.

Wie viele Konzerte spielen Sie denn?
Mein Ziel ist es, ungefähr zehn Konzerte pro Jahr zu geben. Da ich erst vor Kurzem ins Ruhrgebiet gekommen bin, muss ich hier aber erst einmal Fuß fassen und Partner für die Kammermusik finden, die ich am liebsten spiele.

Wann ist Ihr Entschluss gefallen, sich nicht für eine Sache zu entscheiden, sondern beides gleichermaßen weiterzuverfolgen?
Ich habe mit fünf Jahren angefangen, Geige zu spielen, und diese Zweigleisigkeit war schon zu Schulzeiten da. Ich habe früher oft überlegt, was ich lieber machen würde. Aber die doppelte Begabung und die Vielseitigkeit waren eben da.

Nach dem Abitur habe ich in Berlin Politikwissenschaft studiert, wurde aber daneben immer durch hervorragende Geigenlehrer gefördert. Das Studium an einer Musikhochschule habe ich deshalb damals nicht vermisst. Beim Auslandsstudium in den USA konnte ich beides parallel studieren. Das hat mich in dem Wunsch bestärkt, beides gleichermaßen weiter zu betreiben.

Es hat sich dann herausgestellt, dass es für die professionelle Wahrnehmung und für eine Konzerttätigkeit in guten Ensembles doch wichtig ist, eine institutionelle Ausbildung zu haben. Daher habe ich mich dann doch noch an der Musikhochschule beworben.

Ich war schon ein bunter Hund.

Wurden Sie dort als Exotin wahrgenommen?
Ich war schon ein bunter Hund – der Professor, der mich aufgenommen hat, fand es interessant, so jemanden wie mich in der Klasse zu haben. Einer solchen Offenheit und Akzeptanz begegnet man nicht so häufig. Ich war ja mit Mitte 20 schon viel älter als die meisten anderen Studierenden. Manche brechen sogar die Schule ab für ein Musikstudium. Ich hatte großes Glück, aufgenommen zu werden.

Ich denke, ich war schon voll akzeptiert. Aber die reinen Musiker sagen meist: „Das geht nicht“, wenn sie erfahren, dass ich parallel Wissenschaftlerin bin. Die Wissenschaftler, mit denen ich mich unterhalte, sind da oft weniger festgelegt. Die Wissenschaft kennt solche Ausnahmen.

Gibt es denn viele andere, die es auch so machen?
Es gibt sie, zum Glück, aber sie sind rar. Es ist nicht einfach, beides zu verbinden. Die Unterstützung des Umfelds ist sehr wichtig. Da hatte ich in den Jahren bisher jedenfalls immer Glück. Im Einzelfall gibt es natürlich schon Konflikte, und dann muss ich mich entscheiden und vielleicht auch mal eine Konzertanfrage oder eine Konferenzteilnahme absagen.

Und man muss Abstriche im sozialen Bereich machen; der Tag hat für jeden nur 24 Stunden. Dafür gewinnt man aber auch viel, zum Beispiel neue Kontakte, auch zu Menschen außerhalb der Wissenschaft, was ich sehr inspirierend finde.

Ich habe mich bewusst so entschieden und bereue es nicht.

Das klingt so, als müsse man es auch im Blut haben.
Ja, das muss man, sonst hält man Durststrecken nicht durch. In der Zeit meiner Promotion, als ich viel allein gearbeitet habe, konnte ich mir zum Beispiel kein ausgiebiges Sozialleben zum Ausgleich gönnen, weil ich auch geübt habe, ebenfalls alleine. Aber meine engen Freunde haben mich dabei unterstützt, und ich wusste immer, wofür ich das tue.

Ich habe mich bewusst so entschieden und bereue es nicht. Es ist eine Bereicherung in jeder Hinsicht und für mich ein Weg, das Leben in all seiner Vielfalt zu genießen.

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Unveröffentlicht

Von

Meike Drießen

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