Traugott Jähnichen (rechts) und Uwe Kaminsky wollen Akten aus der Zeit von 1924 bis 1949 auswerten.
© RUB, Kramer

Neues Projekt Wie der Alltag behinderter Menschen aussah

In den Bethel-Einrichtungen wohnen und arbeiten gesunde und kranke Menschen zusammen. Wie lebte es sich früher dort?

Wie sich der Alltag von Menschen mit Behinderungen zwischen 1924 und 1949 in den Bethel-Einrichtungen gestaltete, beleuchtet ein neues Projekt an der Ruhr-Universität Bochum. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert das Vorhaben am Lehrstuhl für Christliche Gesellschaftslehre unter Leitung von Prof. Dr. Traugott Jähnichen mit 330.000 Euro für drei Jahre. Ab September 2017 wird Dr. Uwe Kaminsky, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Ruhr-Universität, überlieferte Akten auswerten.

Bethel – hebräisch für „Haus Gottes“ – wurde 1867 als Einrichtung für epilepsiekranke Kinder und Jugendliche gegründet. Später übernahm Pastor Friedrich von Bodelschwingh die Leitung und baute das Hilfsangebot aus. Die Von-Bodelschwinghschen-Stiftungen Bethel sind heute eine der größten diakonischen Einrichtungen Europas.

In dem neuen Forschungsprojekt geht es vor allem um den damaligen Lebensalltag von Menschen mit Behinderungen in den Bereichen Epilepsie, Behindertenhilfe und Psychiatrie. „Wir wollen die Alltagsgeschichte möglichst umfassend aufarbeiten“, erzählt Uwe Kaminsky.

Patientenakten auswerten

Als Quelle dient ein repräsentativer Querschnitt von mehr als 2.000 Patientenakten sowie zusätzliche Sachakten, die der Forscher im Hauptarchiv Bethel und in weiteren Archiven untersuchen wird – sowohl qualitativ als auch quantitativ. Studierende werden ihn dabei unterstützen, die Daten zu erheben und auszuwerten. Dabei geht es um Fragen der Pflege, der medizinischen Versorgung oder der Bedeutung von Arbeit in der Einrichtung.

Auch die Ursachen für die erhöhte Sterberate in den Kriegsjahren 1939 bis 1945 wollen die Forscher ergründen. Mit statistischen Methoden überprüfen sie den Einfluss verschiedener Faktoren, etwa von körperlichen Begleiterkrankungen und Behinderungen, Geschlecht, sozialer Herkunft, Pflegeaufwand oder Aufenthaltsdauer in der Anstalt.

Alle statistisch ausgewerteten Daten sollen als Grundlage für eine qualitative Beschreibung der Lebensgeschichte in den Anstalten dienen. „Vor dem Hintergrund der statistischen Befunde wollen wir aussagekräftige Einzelschicksale von Menschen beschreiben“, sagt Kaminsky.

Vergleich mit staatlicher Einrichtung

Um zwischen den konfessionellen Von-Bodelschwinghschen-Anstalten und einer staatlichen Einrichtung vergleichen zu können, werten die Forscher auch Patientenakten der Provinzialheilanstalt Gütersloh aus dem gleichen Zeitraum aus.

Das Projekt trägt den Titel „Patienten im Großbetrieb der Barmherzigkeit. Die v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel 1924 und 1949“.

Pressekontakt

Prof. Dr. Traugott Jähnichen
Lehrstuhl für Christliche Gesellschaftslehre
Evangelisch-Theologische Fakultät
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: 0234 32 24805
E-Mail: traugott.jaehnichen@rub.de

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Julia Weiler

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