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Geflügelte Parfümhersteller
Ihren Namen verdanken Prachtbienen ihrer schillernden Oberfläche, aber noch charakteristischer für sie ist ihre Vorliebe für Düfte. „Die Männchen fliegen ihr ganzes Leben lang in der Gegend herum und sammeln Duftstoffe“, sagt Tamara Pokorny vom Lehrstuhl für Evolutionsökologie und Biodiversität der Tiere.
Vertreter der unterschiedlichen Arten interessieren sich für verschiedene Düfte. Orchideenblüten gehören zu den besonders beliebten Quellen, und auch das nach Eukalyptus riechende Cineol findet sich häufig in der Mischung. Doch nicht nur Stoffe, die für den Menschen wohlriechen, landen in den Sammeltaschen der Bienenmännchen, auch Skatol, das sich in Fäkalien findet, gehört für manche Arten zum Bouquet.
Über 200 Arten von Prachtbienen leben in den Neotropen von Mittelamerika und dem nördlichen Südamerika. Obwohl sie nah mit den Honigbienen verwandt sind, pflegen sie eine ganze andere Lebensweise, sind zum Beispiel vorwiegend Einzelgänger und bauen keine großen Nester.
Prachtbienen werden zwischen acht und 28 Millimetern groß und durchschnittlich bis zu drei Monate alt. Für das Ökosystem der Tropen spielen sie eine entscheidende Rolle, denn mehr als 500 Orchideenarten sind auf die Bestäubung durch Prachtbienen angewiesen.
Durchschnittlich 20 bis 40 charakteristische Komponenten enthält das vollständige Parfüm eines Männchens. Das Bouquet von jungen Tieren weicht in der Regel weit von der Idealmischung ab, weil sie noch nicht die Chance hatten, so viel zu sammeln wie ihre älteren Artgenossen. Das zeigen Daten von Tamara Pokorny, die sie während eines Forschungsaufenthalts in Mexiko gemeinsam mit Marko Hannibal sammelte.
Je weniger Inhalt die Sammeltasche einer Prachtbiene hat, desto weiter ist sie vom Idealbouquet ihrer Art entfernt. Die Bochumer Biologin fand auch heraus, dass die Bienen wissen, was sie schon gesammelt haben. Selbst wenn ein attraktiver Duftstoff im Übermaß vorhanden ist, hören die Tiere irgendwann auf, ihn mitzunehmen. „Sie merken sich ‚Das hab ich schon‘ und suchen sich etwas anderes“, erklärt Tamara Pokorny.
Irgendwann in ihrem Leben – und man weiß noch nicht, was der Auslöser ist – entscheiden sich die Männchen, ihr Bouquet einzusetzen, um ein Territorium abzustecken. Sie wählen einen Baumstamm aus, um den sie immer wieder herumfliegen und dabei durch bestimmte Beinbewegungen den Duftstoff aus der Sammeltasche in die Luft befördern. „Damit können sie Individuen ihrer eigenen Art anlocken“, sagt Tamara Pokorny. Ob es sich dabei um Weibchen handelt, die ihren Paarungspartner suchen, oder um Männchen, die mit Rivalen einen „Fitnesscontest“ um das Territorium bestreiten, ist noch nicht bekannt.
Klar ist auf jeden Fall, dass die Wahl des Baumstamms, der das Zentrum des Territoriums bildet, nicht zufällig erfolgt. In Costa Rica analysierte Tamara Pokorny gemeinsam mit Studierenden einige Prachtbienenarten und ihre Lieblingsbäume. Dazu musste sie die Tiere zunächst im Regenwald aufspüren.
Ich bewege mich ganz leise durch den Urwald.
„Ich bewege mich ganz leise durch den Urwald, bleibe stehen und versuche, die Bienen zu hören. Mit ein bisschen Übung erkennt man sie, sie haben einen ganz eigenen Brummton“, sagt die Doktorandin. Einmal gehört, schaut sie sich um, bis sie das Tier entdeckt hat. „Wir sehen meistens eine von vier Arten, die man optisch gut bestimmen kann.
Auf diese Art und Weise beobachtete Tamara Pokorny, dass Prachtbienen sich lieber auf glatten als auf rauen Baumstämmen niederlassen und dass unterschiedliche Arten sich in unterschiedlicher Höhe über dem Boden auf die Stämme setzen. Die kleineren Gattungen bevorzugten Äste oder Stämme mit kleinem Durchmesser, größere Gattungen suchten sich Stämme mit größerem Durchmesser.
Viele ähnliche Baumarten in den Tropen
Ob auch die Baumart entscheidend ist, lässt sich bislang nicht sagen. „In den Tropen sind sich viele Baumarten leider sehr, sehr ähnlich, es ist einfach schwer, sie zu bestimmen“, erklärt Tamara Pokorny. „Aber es sieht so aus, als ob jede Art einen bestimmten Typus Baum bevorzugt.“
Im nächsten Schritt will sie auch den Einfluss der Windrichtung ermitteln. Schon vor der endgültigen Datenauswertung wagt die Biologin eine Prognose: „Es sieht so aus, als würde sich die Biene auf eine andere Seite des Stamms setzen, wenn der Wind dreht.“ Wenn Insekten eine Duftquelle orten wollen, fliegen sie in der Regel gegen den Luftstrom darauf zu. Scheinbar setzen sich Prachtbienenmännchen immer so am Stamm in den Wind, dass der Ankömmling sie sehen kann, wenn er auf den Duft zufliegt.
Eine erstaunliche Leistung für ein Tier, das gerade einmal zwölf Millimeter groß ist.
Prachtbienen sind generell gute Flieger; auch das ist ein Aspekt, den Tamara Pokorny in ihrer Doktorarbeit untersucht hat. Auf der Yucatán-Halbinsel in Mexiko unterzog sie die Tiere einem Marathontest. Mit Duftstoffen lockte die Biologin sie an, markierte sie und ließ sie weiter über die monotone Ebene fliegen.
In verschiedenen Entfernungen baute sie weitere Anlockstationen auf und überprüfte, welche der markierten Tiere es bis dorthin geschafft hatten. „Prachtbienen fliegen durchaus 50 Kilometer weit“, resümiert sie. „Eine erstaunliche Leistung für ein Tier, das gerade einmal zwölf Millimeter groß ist.“
Das warf die Frage auf, woher diese Insekten die Energie für solch lange Flugstrecken nehmen. Generell tanken Prachtbienen Energie, indem sie Zucker über Nektar aufnehmen. Da sie einen sehr langen Rüssel haben, können sie jedoch nur dünnflüssige Zuckergemische trinken.
„Man muss sich vorstellen, man würde mit einem langen Sangria-Strohhalm trinken. Je dickflüssiger das Getränk, desto schwieriger wird es“, erklärt Tamara Pokorny. Prachtbienen können also Flüssigkeiten mit geringer Zuckerkonzentration besser aufsaugen; wenn sie weit fliegen wollen, ohne Versorgungsstopps an Blüten einzulegen, brauchen sie aber eine große Zuckerreserve. Ein Problem, da im Magen der kleinen Bienen nicht viel Platz ist.
Tamara Pokorny geht davon aus, dass die Bienen die Zuckerlösung konzentrieren. Überflüssiges Wasser scheiden sie aus und behalten nur den Energielieferanten im Körper. Nach dem Trinken bewegen die Tiere den Rüssel auf eine charakteristische Art und Weise – ein Verhalten, das zum Eindicken der aufgesogenen Flüssigkeit dienen könnte.
Diese Theorie überprüfte die Biologin im Experiment. Sie fing einige Bienen ein und gewöhnte sie daran, aus Kunstblüten mit unterschiedlichem Zuckergehalt zu trinken. Dann wartete sie die Rüsselbewegungen ab und brachte die Bienen anschließend durch vorsichtiges Drücken des Hinterleibs zum Erbrechen, um den Mageninhalt zu analysieren.
Auf diese Weise konnte sie die ursprüngliche Zuckerkonzentration in der Blüte mit der Zuckerkonzentration im Magen vergleichen. Je länger die Tiere nach dem Trinken den Rüssel bewegt hatten, desto höher war die Zuckermenge im Magen im Vergleich zur Ursprungsmenge. Scheinbar dient die Rüsselbewegung also tatsächlich dem Eindicken.
Ein zweites Duftsystem
Viel hat Tamara Pokorny schon über das Verhalten der Prachtbienen herausgefunden, aber noch viel mehr wartet auf weitere Forschung. Zunächst will sie sich der Frage widmen, ob vielleicht noch andere Duftstoffe als das Parfüm der Hinterbeintaschen wichtig sind. Viele Insekten tragen eine Fettschicht auf dem Körper, die sie zum einen vor Verdunstung schützt, zum anderen aber auch Duftstoffe enthält, an denen Individuen ihre Artgenossen erkennen können. Wozu aber braucht die Prachtbiene noch ein zweites Duftsystem?
„Möglicherweise gibt es einen Unterschied zwischen Nah- und Fernanlockung“, meint Tamara Pokorny. Die Duftstoffe aus dem eigens zusammengestellten Parfüm sind flüchtig und über weite Distanzen riechbar; die Fettschicht könnte nützlich sein, um Artgenossen in der unmittelbaren Umgebung zu erkennen. „Es wäre doch dumm, wenn ein Weibchen sich aufgrund des Bouquets denkt, es habe seinen edlen Ritter gefunden, und sich dann zu einem Männchen der falschen Art setzt.“ Es bleibt abzuwarten, ob die Biologin mit ihrer Theorie den richtigen Riecher behält.
2. Mai 2014
11.39 Uhr