Theoretische Physik Wie die Magnetfelder in Sonne und Erde entstehen
Seit 2013 gibt ein französisches Experiment Forschern Rätsel auf. Computersimulationen liefern nun eine Erklärung für die zugrunde liegenden Mechanismen.
Neuartige Computersimulationen liefern eine Erklärung für seit Jahren nicht verstandene Ergebnisse eines Experiments, das die Prozesse nachgestellt hat, die dem Erdmagnetfeld zugrunde liegen. Wie genau die Magnetfelder von Erde, Sonne und Galaxien entstehen, ist nicht geklärt. Sie basieren auf komplexen Strömungen von flüssigem Metall oder Plasma im Inneren der Himmelsobjekte. Prof. Dr. Rainer Grauer und Dr. Sebastian Kreuzahler von der Ruhr-Universität Bochum beschreiben die Erkenntnisse mit Kollegen der Université de la Côte d’Azur und der École Normale Supérieure de Lyon in der Zeitschrift „Physical Review Letters“.
Erdmagnetfeld basiert auf Dynamo-Effekt
Der sogenannte Dynamo-Effekt erzeugt das Magnetfeld der Erde: Im Inneren des Planeten bewegt sich flüssiges, elektrisch leitfähiges Metall in komplexen Strömungsmustern. Dadurch entstehen elektrische Ströme und somit auch Magnetfelder, die wiederum die Strömung der Flüssigkeit beeinflussen.
Seit über 20 Jahren versuchen Forscher und Forscherinnen den Dynamo-Effekt im Labor nachzuahmen. Dieser stellt sich jedoch nur ein, wenn die Strömung der Flüssigkeit und das Magnetfeld ausreichend turbulent sind, was wiederum ein Experiment mit großen räumlichen Abmessungen und einem hinreichend starken Antrieb erfordert.
Experiment nur mit Weicheisen erfolgreich
Bisher gelang es nur in wenigen Experimenten, einen Dynamo-Effekt nachzustellen, wobei das sogenannte VKS-Experiment in Cadarache, Frankreich, im Jahr 2013 das bislang realitätsnächste war. Die Wissenschaftler kurbelten die Strömung von flüssigem Metall mit Antriebsrädern an. Waren die Antriebsräder aus Stahl, stellte sich allerdings kein Dynamo-Effekt ein. Dieser fand sich nur, wenn die Antriebsräder aus Weicheisen waren, das besondere magnetische Eigenschaften hat. „Wie dieser Unterschied zustande kommt, war lange unklar“, sagt Rainer Grauer. „Es gab unterschiedliche Deutungen.“
Mit neuartigen und aufwendigen Computersimulationen am Jülicher Superrechner Jugene und am französischen Superrechner Occigen stellte das Team die Bedingungen im Experiment mit korrekten Randbedingungen nach; dabei berücksichtigten sie etwa die genaue Geometrie der Antriebsräder und des Gefäßes, in dem das Originalexperiment stattgefunden hatte, und bildeten die magnetischen Eigenschaften realitätsnah nach. Aus den Daten entwickelten die Forscher eine Theorie, wie die Weicheisen-Antriebsräder die Entstehung des Dynamo-Effekts bewirken.
Struktur des Magnetfelds verstanden
Die Magnetfeldlinien wickeln sich aufgrund der Materialeigenschaften um die Antriebsräder auf, wobei die Forscher von einem verstärkten Omega-Effekt sprechen. Die spezielle Geometrie des Antriebs erzeugt zudem Wirbelstrukturen in der Flüssigkeit, die das Magnetfeld verstärken – Alpha-Effekt genannt. Den gemeinsamen resultierenden Effekt bezeichnen die Autoren als Alpha-Omega-Dynamo.
Anhand der Simulationsdaten beschrieben die Wissenschaftler auch die großskalige Struktur des Magnetfelds, das in dem VKS-Experiment erzeugt wurde. Frühere, stark vereinfachte Berechnungen waren davon ausgegangen, dass die Pole des Feldes in der Äquatorebene des experimentellen Aufbaus liegen müssten. Die aktuellen Erkenntnisse ergeben jedoch in Übereinstimmung mit dem Experiment, dass es sich um ein axiales Magnetfeld handelte.