Alles im Weltall ist interessant. Das sagen Astronomen wie Kerstin Weis, und die müssen es wohl am besten wissen.
© RUB, Marquard

Interview Die erste Frau, die sich bei den Astronomen habilitiert hat

Sie erforscht große blaue Sterne und hat den Krebs besiegt. Nun sorgt Kerstin Weis an ihrem Institut mit etwas anderem für Aufsehen.

Privatdozentin Dr. Kerstin Weis ist die erste Frau, die sich am Astronomischen Institut der RUB habilitiert hat – pünktlich zum 50. Geburtstag des Instituts, der im September 2016 gefeiert wurde. Die 45-Jährige forscht über ganz besondere riesige Sterne. Doch darüber haben wir nur am Rande mit ihr gesprochen.

Frau Weis, wann genau haben Sie das Habilitationsverfahren abgeschlossen?
Komplett abschließen werde ich es erst mit meiner Antrittsvorlesung, die ich voraussichtlich am 19. Dezember halten werde.

Was ist das Thema Ihrer Arbeit?
Da ging es um mein Spezialgebiet, die sogenannten Leuchtkräftigen Blauen Veränderlichen Sterne, kurz LBV. Das sind Sterne, die bis zu hundert Mal schwerer sind als unsere Sonne. Im Gegensatz zu dieser sind die Veränderlichen sehr instabil und existieren nur für wenige Millionen Jahre. In der LBV-Phase bleiben diese Sterne nur etwa 25.000 Jahre, eine für astronomische Verhältnisse extrem kurze Zeit.

Wo finden wir denn diese Riesen?
Die nächsten dieser Sterne, also die in unserer Galaxie, sind zwischen 10.000 und 50.000 Lichtjahre von der Erde entfernt. Es gibt sie aber auch in anderen Galaxien. Unsere nächste Nachbargalaxie, die sogenannte Große Magellansche Wolke, ist 160.000 Lichtjahre weit weg und beherbergt eine große Zahl an LBV.

Ich war unter 150 Anfängern eine von vier Frauen.

Wie kommt es, dass sich 50 Jahre lang keine einzige Frau am Astronomischen Institut habilitiert hat?
Zum einen gibt es vergleichsweise noch immer wenige Studentinnen in den Fächern Astronomie und Physik, wenn auch erheblich mehr als zu meiner Zeit. Ich selbst habe in Heidelberg studiert und war unter 150 Anfängern eine von vier Frauen. Zum anderen ist für diese wenigen Frauen in der Regel spätestens nach dem Doktor Schluss mit der wissenschaftlichen Forscherlaufbahn.

Vielen ist das Familienleben, das durch häufige Beobachtungs- und Konferenzreisen gestört wird, einfach wichtiger. Darüber hinaus gibt es einige Möglichkeiten außerhalb des reinen Wissenschaftsbetriebs, astronomisch zu arbeiten.

Bei Ihnen lief es aber anders?
Ja, ich wollte unbedingt forschen und lehren, und das geht nur an einer Universität. Außerdem wollte ich gern den höchstmöglichen Abschluss erwerben. Dieses Ziel habe ich mir schon zu Beginn des Studiums gesetzt.

Und es erreicht ...
Ja, allerdings etwas anders als geplant.

Ausgerechnet ein Astrozytom. Und das bei meiner Liebe zu den Sternen.

Wie das?
Im besten Fall wäre ich schon 2007 mit der Habilitation fertig gewesen. Aber da kam mir ein Hirntumor dazwischen. Ausgerechnet ein Astrozytom. Und das bei meiner Liebe zu den Sternen. Der gesamte Krankheitsverlauf inklusive eines zweiten Tumors, diesmal Brustkrebs, hat mich gut acht Jahre gekostet.

Aber Sie haben es geschafft.
Ja, und das ohne große Hilfe von außen. Anders als beispielsweise bei jungen Müttern bietet die Deutsche Forschungsgemeinschaft bei geheilten Krebspatienten keine Wiedereingliederung an.

Wie geht es jetzt für Sie weiter? Hoffen Sie auf einen Lehrstuhl in Bochum?
In Bochum eher nicht. Das wäre eine dieser nur sehr ungern gesehenen Inhouse-Bewerbungen. Ich muss mich anderswo bewerben und habe das auch schon getan. Einstweilen bleibe ich als Privatdozentin an der RUB.

Büronachbarin

Kerstin Weis teilt sich in der siebten Etage des Gebäudes NA ein Büro mit Prof. Dr. Susanne Hüttemeister. Wie es der Titel andeutet, hat sich auch die Leiterin des Bochumer Planetariums habilitiert – allerdings nicht an der RUB, sondern in Bonn.

Wenn Sie einmal durchs Weltall reisen könnten, wohin würden Sie fliegen?
Wenn ich es mir wünschen könnte und es nicht sehr unrealistisch wäre, dann würde ich gar nicht mehr aufhören wollen zu fliegen. Wir Astronomen sagen: Alles im Weltall ist interessant. Ich würde mich allerdings auch schon freuen, einmal, vielleicht vom Mond aus, die blaue Erde vor dem schwarzen Himmel zu sehen. Das ist wesentlich realistischer.

Glauben Sie, dass es irgendwo da draußen Leben wie auf der Erde gibt?
Bei den zig Milliarden Möglichkeiten ist das prinzipiell denkbar. Dieser Aspekt interessiert mich jedoch nur sehr wenig.

Viele Menschen verwechseln ja schon mal die Astronomie mit der Astrologie. Wie halten Sie es mit der Sternendeutung?
Ich halte gar nichts davon. Da sich die Sternbilder längst verschoben haben, stimmt sowieso kein Horoskop mehr.

Schon als Kind wollte ich Astronautin werden.

Was machen Sie, wenn Sie sich gerade nicht mit dem Weltall beschäftigten?
Mein Beruf ist zugleich mein Hobby. Schon als Kind wollte ich Astronautin werden. Auch jetzt dreht sich in meiner Freizeit vieles um Raumfahrt und Weltall. Ich lese viel und sehe Dokumentationen, und bei abendlichen Spaziergängen betrachte ich automatisch den Sternenhimmel. Dabei genieße ich allerdings auch einfach einmal nur dessen Schönheit.

Nichts anderes?
Früher habe ich gebastelt. Analog. Heute eher am Computer, Cover für CDs oder DVDs zum Beispiel. Jährlich baue ich auch meinen eigenen Kalender: mit Raumfahrtbildern und Sprüchen, die ich mir dazu ausdenke. Ach ja: Eichhörnchen! Ich liebe Eichhörnchen. Ich sammele alles, was es als Eichhörnchen zu kaufen gibt: Stofftiere, Radiergummis und so weiter. Am liebsten beobachte ich jedoch lebende Eichhörnchen.

Unveröffentlicht

Von

Arne Dessaul

Teilen