„Wenn ich den Text vom Laptop-Bildschirm irgendwann in der Hand halten kann, ist das schon ein tolles Gefühl“, sagt Ansgar Scholten.
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Interview Wie ein Mathestudent zum Autoren wurde

Ansgar Scholten hat nicht nur mit und über einen blinden Hausbauer ein Buch geschrieben, sondern dabei auch einen neuen Freund gefunden.

Im Interview erzählt Student Ansgar Scholten, wie er zum Schreiben gekommen ist und was ihm Spaß daran macht, ein Autor zu sein. Sein neuestes Buch hat er zusammen mit einem blinden Hausbauer geschrieben, der sich einen 930-Quadratmeter-Palast selbst baut.

Herr Scholten, Sie studieren Sportwissenschaft und Mathematik. Das sind jetzt nicht die Fächer, die man typischerweise mit viel Textarbeit verknüpft. Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?
Komplett durch Zufall. Allerdings war es schon das Mathestudium, was mich darauf gebracht hat.

Wie genau?
Ich hatte ich im Mathestudium Probleme, leicht verständliche Erklärungshilfen zu finden. Es war zuerst ein Spaß unter Kommilitonen. Aber dann habe ich einfach selbst einen Ratgeber fürs Mathestudium geschrieben.

Ich wollte weitermachen.

Und dann ist das Schreiben ein Hobby geworden.
Genau. Dann wollte ich weitermachen und bin auf Wolfgang Hermann aufmerksam geworden. Er baut trotz Blindheit sein eigenes Haus.

Wie sah die Arbeit für das Buch aus?
Ich habe sehr regelmäßig mit Wolfgang telefoniert und besuchte ihn für einen Tag auf seiner Baustelle in Niederbayern. Wir haben viele Gespräche geführt; ich habe Fotos gemacht. Der Schreibprozess nach dem Besuch dauerte etwa sechs bis acht Wochen.
Währenddessen habe ich bestimmt dreimal wöchentlich mit Wolfgang telefoniert, um Fragen zu klären und den Text zu besprechen.

Wolfgang Hermann arbeitet blind auf dem Dach, blind an der Kreissäge. Das ist einfach beeindruckend.

Was war in dem Prozess anders als beim Schreibprozess zum ersten Buch?
Beim ersten Buch habe ich hauptsächlich in der Uni-Bibliothek gesessen und geschrieben. Hier habe ich nun einen Menschen vor Ort besucht. Das Besondere war die Zusammenarbeit mit Wolfgang und vor allem seine Lebenseinstellung.

Da ist jemand, der seit 40 Jahren blind ist – und er baut sich trotzdem seinen 930-Quadratmeter-Palast. Er arbeitet blind auf dem Dach, blind an der Kreissäge. Das ist einfach beeindruckend.

Sie haben ihn bei seiner Arbeit beobachtet?
Ich habe eine Führung durch das noch nicht fertige Haus bekommen. Wolfgang hat mir gezeigt, wo und wie er arbeitet. Zum Beispiel benutzt er viele Hilfswerkzeuge, um die Maße korrekt ertasten zu können. Ein normales Lineal hilft da nicht, aber ein Messstab mit fühlbaren Punkten.

Er hat mir gezeigt, dass wirklich alles möglich ist.

Wie haben Sie den Bauherrn wahrgenommen?
Als eine sehr gelassene, humorvolle und extrem intelligente Person. Außerdem hat er mir gezeigt, dass wirklich alles möglich ist.

Woran haben Sie das gemerkt?
An der Klarheit und Logik seiner Aussagen. Anstatt sich selbst zu beschränken, wie viele von uns Sehende es tun, denkt er grenzenlos.

Spätestens als ich vor seinem Haus stand, das riesig ist, habe ich seine besondere Einstellung wahrgenommen.

Also kamen Sie gut miteinander aus. Hätte ja auch anders laufen können, wenn man sich nur vom Telefon kennt.
Ich hatte schon am Telefon gemerkt, dass wir auf einer Wellenlänge sind. Es war so ein Bauchgefühl.

Wir telefonieren immer noch wöchentlich. Aus der Zusammenarbeit für das Buch ist eine Freundschaft entstanden.

Und das motiviert Sie, mit dem Schreiben weiterzumachen?
Ja, Bücher haben eine besondere Magie. Wenn ich den Text vom Laptop-Bildschirm irgendwann in der Hand halten kann, ist das schon ein tolles Gefühl.

Originalveröffentlichung

Ansgar Scholten und Wolfgang Hermann: „Beide Augen zu und durch!“, Tredition, Hamburg 2017, 120 Seiten, ISBN 978-3743960404.

Veröffentlicht

Mittwoch
18. April 2018
09:27 Uhr

Von

Katharina Gregor

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