Wirtschaftswissenschaften Warum wir mehr über Geld wissen sollten
Wer keine Ahnung von Zinsrechnung und dergleichen hat, vertraut in Finanzfragen gerne auf nett gemeinte Ratschläge. Ob das so klug ist?
Aktien oder Sparbrief? Bausparvertrag oder Riester-Rente? Ein Girokonto bei der Direktbank oder eins bei der Sparkasse? Wenn wir es mit Geld zu tun haben, müssen wir immer wieder Entscheidungen treffen. Die guten helfen uns bestenfalls, unser Geld zu mehren, die schlechten bringen uns schlimmstenfalls um unser Erspartes.
Die Misere: Viele von uns verfügen gar nicht über das nötige theoretische Rüstzeug, um die Vor- und Nachteile von verschiedenen Finanzprodukten gegeneinander abwägen zu können. Studien zeigen, dass nur rund die Hälfte der Deutschen drei Fragen zu grundlegenden Finanzkonzepten beantworten kann.
Finanzielle Allgemeinbildung
Zudem gibt es viele Fachbegriffe in der Finanzwelt, deren Bedeutungen nicht jedem klar sind. Doch wenn man nicht versteht, wie ein Produkt funktioniert, wie soll man sich dann aus dem großen Angebot für eines entscheiden?
Der gängigste Weg: Man holt Zusatzinformationen ein. Dies können Begriffsdefinitionen sein, aber auch Testberichte, die Beratung bei einem Finanzberater oder der Rat eines Bekannten.
Julia Sprenger, Doktorandin am Lehrstuhl für Makroökonomik, hat untersucht, wie das Wissen um finanzielle Themen das Verhalten von Menschen vor einer finanziellen Entscheidung beeinflusst – konkret, ob und welche Informationen sie sich beschaffen. Außerdem wollte sie wissen, wie genau diese externen Informationen in den Entscheidungsprozess einfließen.
Ein zentraler Begriff ihrer Arbeit ist „Financial Literacy“. Ökonomen beschreiben damit die finanzielle Allgemeinbildung und zugleich die Kompetenz, dieses Wissen auch anwenden zu können.
Sprenger betrachtete die Problematik aus verhaltensökonomischer Sicht. Erkenntnisse aus der Psychologie und aus den Wirtschaftswissenschaften ergänzen sich hierbei.
Anders als bei Modellen, bei denen man davon ausgeht, dass der Mensch rein rational handelt und eine unbegrenzte Masse von Informationen verarbeiten kann, hat sich die 31-Jährige die Realität angesehen: Wie gehen Menschen, in ihrem Fall Versuchspersonen, tatsächlich vor, wenn sie die Wahl zwischen verschiedenen Finanzprodukten haben?
Sprenger hat dazu eine Reihe von Experimenten entwickelt. Immer mussten die Probandinnen und Probanden zunächst einschätzen, wie gut sie sich in Gelddingen auskennen. Inwiefern ihr Gefühl stimmte, wurde anschließend in einem Financial-Literacy-Test überprüft.
Danach mussten sie sich für eines von mehreren Finanzprodukten entscheiden. Das konnte beispielsweise ein Kredit sein oder eine Geldanlage, wobei sich die jeweiligen Angebote in ihren Konditionen und Leistungen voneinander unterschieden.
Ein Produkt erfüllte die Anforderungen am besten
Welches der Produkte besonders gut zu den vorgegebenen Entscheidungskriterien der Probanden passte, konnten diese nicht auf Anhieb erkennen. Dazu mussten sie zunächst die Produktinformationen verstehen. Manchmal waren zum Vergleichen Zinsberechnungen nötig, an anderer Stelle tauchten Fachbegriffe wie effektiver Jahreszins auf. Einige Informationen waren für die Entscheidung irrelevant und dienten nur zur Ablenkung von den wichtigen Fakten.
Wie im echten Leben hatten die Probanden die Möglichkeit, auf Hilfsangebote zurückzugreifen, wenn sie meinten, dass dies nötig sei, um ein Produkt zu verstehen. Von Experiment zu Experiment standen ihnen unterschiedliche Informationen zur Verfügung.
Sachinformationen enthielten beispielsweise die Erklärung eines verwendeten Fachbegriffes. Ein Expertenrat war ein Ratschlag von einem Probanden, der den Financial-Literacy-Test schon fehlerfrei durchlaufen hatte, er entsprach etwa dem Rat eines Finanzberaters im echten Leben.
Als Drittes gab es noch informelle Ratschläge. Die lieferten Personen, die von sich glaubten, sich sehr gut mit Gelddingen auszukennen, den Beweis dafür aber schuldig blieben. Im wahren Leben wären das Bekannte oder Verwandte, auf deren Erfahrung man zurückgreift.
Auch Studierende der Wirtschaftswissenschaften konnten nicht alle Fragen zur Zinsberechnung richtig beantworten.
Julia Sprenger
Alle Hilfsangebote mussten gekauft werden, wobei der Expertenrat am teuersten und die Begriffserklärung am günstigsten war.
Die jeweilige Summe wurde den Teilnehmerinnen und Teilnehmern tatsächlich von ihrer Probandenvergütung abgezogen. Dies sollte dazu dienen, die Realität abzubilden. Denn gute Entscheidungen haben auch in der Realität zur Folge, dass man am Ende mehr Geld in der Tasche hat als bei einer Fehlentscheidung.
Von den Ergebnissen ihrer Untersuchungen war Sprenger in vielerlei Hinsicht überrascht: „Zunächst einmal hatten viele Probanden Schwierigkeiten mit bestimmten Testfragen. Auch Studierende der Wirtschaftswissenschaften konnten zum Beispiel nicht alle Fragen zur Zinsberechnung richtig beantworten.“
Außerdem fiel es vielen schwer, ihr Wissensniveau richtig einzuschätzen. „Diese Selbsteinschätzung hat jedoch einen großen Einfluss darauf, wie viele Informationen ich einhole, bevor ich mich für ein Finanzprodukt entscheide.“
Wer sich überschätzt, verzichtet auf Hilfsangebote
Es zeigte sich, dass die Personen, die sich überschätzt hatten, eher darauf verzichteten, Zusatzinformationen zu kaufen. In der Folge trafen sie oft nicht die bestmögliche Entscheidung, obwohl es ein Leichtes gewesen wäre, sich besser zu informieren.
Außerdem versuchten Personen mit geringem finanziellen Wissen, dies durch eine höhere Nachfrage nach Informationen zu kompensieren. Wenn diese im Experiment allerdings nur aus Begriffserklärungen und Daten bestanden, die Probanden also keine persönlichen Ratschläge kaufen konnten, gaben sie diese Strategie schnell auf.
„Gerade Personen mit der niedrigsten Financial Literacy investierten am wenigsten in Informationen“, so Sprenger. Ihre Erklärung: „Je schlechter meine vorhandene Wissensbasis ist, desto schwerer fällt es mir, daran anzudocken und neue Informationen einzufügen.“
Die besondere Rolle von Ratschlägen
Besonders aufschlussreich war für Sprenger der Einfluss der Ratschläge auf die Entscheidungsfindung. Hatten die Versuchspersonen die Wahl, so kauften sie informelle Ratschläge selten und entschieden sich überwiegend für den Rat des Experten.
Dieser wurde fast immer befolgt – unabhängig davon, wie gut er war, und unabhängig davon, wie hoch die Financial Literacy der Versuchsperson war.
Es ist schwierig, solch einen Rat zu ignorieren, wenn man ihn einmal gelesen oder gehört hat.
Julia Sprenger
Wurde der informelle Rat ungefragt gezeigt, musste also nicht extra gekauft werden, so beeinflusste er die Entscheidung sehr. Vor allem Personen mit geringer Financial Literacy schränkten ihre Informationssuche stark ein. Sie kauften weniger Erklärungen und Expertenratschläge.
„Es ist schwierig, solch einen Rat zu ignorieren, wenn man ihn einmal gelesen oder gehört hat“, erklärt Sprenger. „Ungefragter Rat reduziert unser Engagement bei der Informationssuche deutlich – auch wenn wir den Rat aktiv gar nicht eingeholt hätten.“
Vom mündigen Konsumenten auf dem Finanzmarkt scheinen wir also noch weit entfernt zu sein. Sprenger unterstützt daher die Forderung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), finanzielle Bildung zu fördern. „Am besten sollte das Thema Geld schon in der Schule auf dem Stundenplan stehen“, meint die Ökonomin.