Top-Start-up
„70 Prozent aller Cyberattacken verschlüsseln das Backup“
Cyberangriffe sind eine Bedrohung für Unternehmen. Mit einer simplen wie genialen Idee revolutioniert TF-Industries den Schutz von Backups.
Daten sind am sichersten, wenn sie nicht erreichbar sind. Das zeigt unter anderem der Cyberangriff auf die größte Containerschiffreederei der Welt im Jahr 2016. Die Wiederherstellung der Daten gelang nur, weil ein einziger Server durch einen Stromausfall vom Netz getrennt war und von den Hackern nicht verschlüsselt werden konnte. Diese Erkenntnis der Sicherheit durch physisches Trennen übertrugen Fabian Gieshoff, Uli Vinkelau, Tobias Bümmerstede und Daniel Grund auf die digitale Infrastruktur von Unternehmen. Mit TF-Industries und ihrer patentierten „Safe Storage“-Technologie verfolgen sie einen einfachen wie genialen Ansatz im Kampf gegen Cyberangriffe: ein physisch automatisiertes Air-Gap-System, das Backups zuverlässig vom lokalen Netzwerk trennt. Dafür wurde das Gründungsteam beim WORLDFACTORY Demo Day 2025 mit dem ersten Platz ausgezeichnet.
Welche Idee steckt hinter Ihrem Start-up TF-Industries?
Fabian Gieshoff: Jeden Tag werden Unternehmen von Cyberkriminellen angegriffen, beispielsweis über Ransomware, die Daten verschlüsselt. Unternehmen verstehen zwar die Brisanz dieser Angriffe, aber das Thema Cybersecurity ist oft zu komplex. Insbesondere mittelständische und kleine Unternehmen haben weder die finanziellen Ressourcen noch das Know-how, um sich ausreichend vor Angriffen zu schützen. Gleichzeitig verpflichtet der Cyber Resilience Act (CRA) der Europäischen Union Unternehmen zu umfassenden Compliance-Maßnahmen. Mit TF-Industries wollen wir IT-Security für alle einfach und verständlich machen – für IT-Experten ebenso wie für Finanzentscheider. Wir haben erkannt, dass präventive Maßnahmen wie Antivirensoftware zwar helfen, aber nur ein sicheres Backup rettet Daten vollständig.
Uli Vinkelau: 70 Prozent aller Cyberattacken verschlüsseln das Backup und eine Ausfallzeit von 23 Tagen bedeutet für Mittelstandsbetriebe häufig das Aus. Alle bisherigen Lösungen auf dem Markt sind softwarebasiert und daher angreifbar. Unsere Kunden und IT-Partner sind erstaunt von der Einfachheit unserer Lösung und nach aktuellem Stand ist diese niet- und nagelfest.
Ein physisch getrenntes System kann auch eine Super-KI nicht hacken.
Wie sieht Ihre Backup-Strategie aus?
Fabian Gieshoff: Momentan ist das Backup-System bei Unternehmen, sprich ihr Datenspeicher, die ganze Zeit mit einem lokalen Netzwerk verbunden. Alle Daten, die gesichert werden, laufen direkt in einen physisch dauerhaft erreichbaren Speicher, eine Cloud. Zuhause sichert man seine Daten physisch getrennt auf einem USB-Stick oder einer Festplatte. Unternehmen hatten bisher keinen automatisierten Prozess dieses Trennens von Datenspeicher und Netzwerk. Mit TF-Industries haben wir eine Schleuse entwickelt, die automatisiert ein unsicheres Netz von einem sicheren Netz trennt, denn ein physisch getrenntes System kann selbst eine Super-KI nicht hacken.
Wie gelingt diese automatisierte Trennung von sicherem und unsicherem Netz?
Fabian Gieshoff: Wir nutzen unser patentiertes Schleusen-Verfahren namens Safe Storage. Dabei handelt es sich um einen Server, der zwischen dem Speicherziel und dem Firmennetzwerk sitzt und Daten immer nur in eine Richtung durchlässt. Man kann sich das wie eine Schleuse zwischen Meer und Hafen vorstellen. Dieses Prinzip automatisieren wir. Auf dem Datenspeicher haben wir außerdem die marktübliche Backup-Recovery-Software integriert, sodass sich unser Produkt nahtlos in bestehende Netzwerke integrieren lässt.
Herr Gieshoff, Sie waren in Ihrem Bachelorstudium, als Sie die Idee für TF-Industries hatten. Wie sah Ihr erster Schritt Richtung Start-up aus?
Fabian Gieshoff: Für mich war schon früh klar, dass ich irgedwann einmal selbständig sein möchte. Im Studium habe ich mich dann früh mit Professoren zu Ideen ausgetauscht, unter anderem mit Prof. Dr. Tobias Glasmachers vom Institut für Neuroinformatik und Prof. Dr. Christof Paar aus dem Bereich Kryptographie. Letzterer verwies mich schließlich an den Inkubator Cube 5.
Was war die bisher größte Herausforderung für Ihr Start-up?
Uli Vinkelau: Ich glaube, der größte Stolperstein ist, dass man von seiner Idee zurecht überzeugt ist, aber die Bedarfe des Kunden nicht richtig abdeckt. Im ersten Gründungsjahr war für uns eine wichtige Lernkurve zu erkennen, dass unser Produkt in die Infrastruktur der mittelständischen Unternehmen passen muss. Gemeistert haben wir diese Herausforderung, indem wir regelmäßig Kundenfeedback eingeholt und uns für Strategie-Meetings getroffen haben.
Die Ruhr-Universität Bochum hat uns von der ersten Idee über die Entwicklung bis dahin, wo wir jetzt stehen, durchgehend begleitet.
Wie unterstützt Sie die Ruhr-Universität Bochum bei Ihrem Gründungsvorhaben?
Fabian Gieshoff: Die Ruhr-Universität Bochum hat uns von der ersten Idee über die Entwicklung bis dahin, wo wir jetzt stehen, durchgehend begleitet. Beim Inkubator Cube 5 habe ich damals meine Schleusen-Technologie vorgestellt. Weitere Unterstützung erhielten wir im zweiten Batch des inCUBE-Programms und durch die Proof-It-Förderung der WORLDFACTORY. Außerdem konnten wir knapp 760.000 Euro über das StartUpSecure-Programm des Bundesministeriums für Forschung, Technologie und Raumfahrt einwerben.
Was bedeutet Ihnen die Auszeichnung als vielversprechendstes Start-up der Ruhr-Universität Bochum 2025?
Uli Vinkelau: Das ist natürlich eine tolle Bestätigung durch die Experten der Jury. Ihre Kommentare haben uns noch einmal hilfreiche Impulse für Verbesserungen geliefert. Letztendlich zählt für uns allerdings die harte Währung des Umsatzes von Kundinnen und Kunden.
Was sind Ihre Ziele für die nächsten Jahre?
Fabian Gieshoff: Wir wollen das erfolgreiche Prinzip hinter Apple auf die IT-Security übertragen. Das bedeutet, komplexe Technologien so zu gestalten, dass sie jeder intuitiv bedienen kann und ein einheitliches Ökosystem zu geschaffen, in dem alles nahtlos zusammenarbeitet. Unsere Vision lautet, NIS2-Compliance per One-Click-Solution.
Uli Vinkelau: Zur Erklärung: NIS2 ist eine neue EU-Vorgabe, die Unternehmen verpflichtet, ihre IT-Sicherheitsmaßnahmen deutlich zu verbessern. Unternehmen müssen künftig nachweisen, dass sie alles ihnen Mögliche getan haben, um sich vor Cyberangriffen zu schützen.
Bei amerikanischen Unternehmen habe ich sehr zu schätzen gelernt, das Scheitern keine Schande ist, sondern ein Lernschritt.
Haben Sie einen Tipp für Gründungsinteressierte?
Fabian Gieshoff: Ich glaube, das Wichtigste ist, dass man immer wieder aufsteht, auch wenn man mal hinfällt. Man muss mit Druck umgehen können und auch das Team ist sehr wichtig. Als Gründer muss man auf der Management-Ebene denken, dort wo Strategie, Mission, und Vision verfolgt werden. Stattdessen haben wir uns manchmal zu sehr in operativen Kleinigkeiten verloren.
Uli Vinkelau: Im Alltagssumpf kann man sich schnell verzetteln und endlose Gespräche über Details führen. Das bringt einen keinen Schritt weiter. Wichtig ist, das Ziel klar vor Augen zu haben und die nötigen Schritte konsequent umzusetzen. Bei amerikanischen Unternehmen habe ich sehr zu schätzen gelernt, das Scheitern keine Schande ist, sondern ein Lernschritt.