Biologie Wie angehende Lehrkräfte kontroverse Themen diskutieren
Forschende empfehlen, die Fähigkeit zur Argumentation besser in der Ausbildung zu verankern.
Impfpflicht, Klimawandel, Energiewende: Themen an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Gesellschaft sind häufig kontrovers. Lehrkräfte in Schulen sollen ihren Schülerinnen und Schülern im Biologieunterricht beibringen, sich differenziert mit solchen Themen auseinanderzusetzen, um fundiert entscheiden und Verantwortung übernehmen zu können. Aber wie gut können sie das selbst? Diese Frage hat Dr. Nina Minkley aus der Arbeitsgruppe Verhaltensbiologie und Didaktik der Biologie der Ruhr-Universität Bochum zusammen mit Prof. Dr. Moritz Krell und Dr. Carola Garrecht vom Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik in Kiel mit 76 angehenden Biologielehrkräften untersucht. Ihr Fazit: Die strukturelle Komplexität ihrer Argumentation war gut. Inhaltlich sollten sie jedoch mehr verschiedene Perspektiven beziehungsweise Themenbereiche in ihre Argumentation einbeziehen. Die Forschenden berichten in der Zeitschrift International Journal of Science and Mathematics Education vom 15. März 2023.
Sollte es eine Impfflicht gegen Covid-19 geben?
Gegenstand der Argumentation, die die 76 Teilnehmenden im Rahmen der Studie aufschrieben, war eine mögliche Impfpflicht gegen Covid-19. Die Studie fand im Frühjahr 2021 statt, zu einem Zeitpunkt, als noch ein Mangel an Impfstoffen vorherrschend war, eine Impfpflicht aber bereits diskutiert wurde.
Auf die Frage, ob es eine Impfpflicht gegen Covid-19 geben sollte, positionierten sich die Teilnehmenden in unterschiedlicher Weise. „In Bezug auf die strukturelle Komplexität des Themas erreichten sie ein relativ hohes Niveau und rechtfertigen ihre Position mit mehreren Argumenten. Ungefähr ein Drittel bezog sogar mögliche Gegenpositionen in die eigene Argumentation mit ein“, berichtet Nina Minkley.
Inhaltliche Komplexität findet sich nur eingeschränkt wieder
Auffällig war allerdings auch, dass die Teilnehmenden die inhaltliche Komplexität, das heißt die Verflechtung des Themas mit verschiedenen Bereichen wie Politik, Ethik, Gesellschaftswissenschaften, weniger souverän im Blick hatten. Hier berücksichtigten die Teilnehmenden im Schnitt nur zwei von möglichen sechs Inhaltsbereichen.
„Wir haben auch festgestellt, dass diejenigen, die eine Impfpflicht befürworteten, am häufigsten wissenschaftliche und ethische Argumente nannten, etwa den Schutz anderer. Politische Argumente zogen sie nur selten heran. Diejenigen, die sich gegen eine Impfpflicht äußerten, nannten etwas weniger häufig wissenschaftliche und ethische Gründe, dafür aber deutlich mehr politische Argumente“, so Nina Minkley.
Die Forschenden empfehlen, die Fähigkeit der Argumentation in Fragen an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Gesellschaft besser in der Ausbildung künftiger Lehrkräfte zu verankern. „Die Perspektiven auf solche Fragen sind vielfältig, und idealerweise sollten sich Lehrkräfte mit der ganzen Breite auseinandersetzen, um diese Fähigkeit auch ihren Schülerinnen und Schülern vermitteln zu können,“ so das Team.