Neurobiologie Wie Glaukom, Immunsystem und Protein Tenascin-C zusammenhängen
Das Glaukom ist weltweit eine der häufigsten Erblindungsursachen. Üblicherweise wird ein erhöhter Augeninnendruck als Hauptrisikofaktor angenommen. Aber es gibt weitere Auslöser.
Welche Rolle die Immunantwort für das Entstehen eines Glaukoms spielt, haben Forscherinnen und Forscher der Ruhr-Universität Bochum (RUB) an Mäusen untersucht. Sie zeigten, dass Entzündungsprozesse an der Entstehung der Krankheit beteiligt sind und das dem extrazellulären Matrixmolekül Tenascin-C als Modulator der Immunantwort eine Schlüsselrolle zukommt. Das Glaukom, auch Grüner Star genannt, ist weltweit eine der häufigsten Erblindungsursachen. Als Hauptrisikofaktor wird üblicherweise ein erhöhter Augeninnendruck vermutet; bei rund 40 Prozent der Patienten tritt dieser aber gar nicht auf. Die Ergebnisse zur Rolle der Immunantwort sind online am 9. Oktober 2020 in der Zeitschrift Frontiers in Immunology veröffentlicht worden.
Für die Forschungsarbeit kooperierten Dr. Susanne Wiemann, Dr. Jacqueline Reinhard und Prof. Dr. Andreas Faissner vom RUB-Lehrstuhl für Zellmorphologie und Molekulare Neurobiologie mit Dr. Sabrina Reinehr und Prof. Dr. Stephanie Joachim vom Experimental Eye Research Institute der Bochumer Universitätsaugenklinik.
Tenascin-C beeinflusst die entzündliche Immunantwort
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten Mäuse, denen das Protein Tenascin-C fehlte und verglichen diese mit Tieren, die dieses Protein bildeten. Bei Tieren beider Gruppen lösten sie ein sogenanntes Autoimmunes Glaukom aus, dass der Glaukom-Erkrankung beim Menschen ähnelt.
Bei Mäusen ohne Tenascin-C verhielten sich Immunzellen des Nervensystems, die Mikroglia, anders als bei Mäusen mit Tenascin-C. Die Zellen waren weniger reaktiv und schütteten vermehrt antientzündliche Faktoren aus. Bei Tieren mit Tenascin-C hingegen sonderten die Mikroglia mehr entzündungsfördernde Faktoren ab.
Netzhautzellen sterben vermehrt ab
Das Team beobachtete auch Effekte auf retinale Ganglienzellen der Netzhaut, welche die visuelle Information vom Auge ins Gehirn übermitteln und typischerweise im Rahmen einer glaukomatösen Schädigung absterben. Bei Mäusen mit Tenascin-C starben deutlich mehr retinale Ganglienzellen ab als bei Mäusen ohne Tenascin-C. Anders als bei Mäusen mit Tenascin-C blieb der Sehnerv bei Mäusen ohne Tenascin-C intakt.
Die Ergebnisse legen nahe, dass Tenascin-C durch die Regulation entzündlicher Prozesse eine Rolle bei der Glaukom-Erkrankung spielt. „Eines Tages könnte diese Erkenntnis bei der Früherkennung der Krankheit helfen“, sagt Susanne Wiemann.