Biologie Geheimnis eines Fotosynthese-Giganten gelüftet
Ein internationales Forschungsteam hat Hinweise darauf gefunden, dass Cyanobakterien auch energiearmes Licht dank Wärmenutzung für die Fotosynthese verwenden.
Die Fotosynthese ist das Fundament fast aller Lebensformen der Erde und dennoch nicht bis ins Detail verstanden. Eines ihrer Geheimnisse konnte ein internationales Forschungsteam lüften. Den Forschenden der Ruhr-Universität Bochum (RUB), der Osaka University, Japan, und der Kafrelsheikh University, Ägypten, ist es gelungen, eine seltene Erscheinungsform des Photosystems I zu isolieren und im Detail zu untersuchen. Dabei fanden sie bisher unbekannte Interaktionen zwischen einzelnen Bestandteilen, die darauf hindeuten, dass sich der Proteinkomplex dank Wärmenutzung auch die Energie sehr schwachen Lichts zunutze machen kann. Die gemeinsame Arbeit wurde am 8. März 2021 im Journal „Communications Biology“ online publiziert.
Die Kraft der Fotosynthese
Die Fotosynthese ist der einzige biologische Prozess, bei dem die Energie des Sonnenlichts in chemisch gebundene Energie umgewandelt wird. Auf molekularer Ebene sind dafür die Schlüsselenzyme der Fotosynthese, die sogenannten Photosysteme, verantwortlich. Photosystem I (PSI), eines der zwei Photosysteme, ist ein großer Membranproteinkomplex, welcher in verschiedenen Formen vorliegen kann – als Monomer, Dimer, Trimer oder sogar als Tetramer.
Neue Aufreinigungsmethode verhilft zur Strukturaufklärung
Obwohl die Struktur von trimerem PSI des Cyanobakteriums Thermosynechococcus elongatus bereits vor 20 Jahren aufgeklärt wurde, war es bisher noch nicht möglich, die entsprechende Struktur von monomerem PSI zu erhalten. „Das größte Hindernis dabei war das geringe natürliche Vorkommen dieser speziellen PSI-Form“, erklärt Prof. Dr. Marc Nowaczyk vom Lehrstuhl Biochemie der Pflanzen der RUB. Daher entwickelte sein Team eine neue Extraktionsmethode, die es ermöglicht, PSI-Monomeren mit einer großen Ausbeute zu isolieren. Der Proteinkomplex wurde dann an der RUB mittels Massenspektrometrie, Spektroskopie und biochemischen Methoden bis ins Detail untersucht. Dem Forschungsteam der Osaka University gelang die Strukturaufklärung durch Cryo-Elektronenmikroskopie.
Energietransfer bergauf
Die atomare Struktur von monomerem PSI gibt sowohl neue Einblicke in den Energietransfer innerhalb des Proteinkomplexes als auch Auskunft über die Lage der sogenannten roten Chlorophylle. Dies sind speziell angeordnete Blattfarbstoffe, die eng miteinander interagieren und dadurch die Aufnahme von energiearmem Licht ermöglichen, das unter normalen Umständen nicht für die Fotosynthese genutzt werden kann. „Besonders interessant war die Erkenntnis, dass rote Chlorophylle mit den Lipiden in der sie umgebenden Membran zu interagieren scheinen“, erklärt Anna Frank, Ko-Erstautorin der Studie. „Diese strukturelle Anordnung könnte ein Indiz dafür sein, dass zusätzlich Wärmeenergie genutzt wird, um eigentlich zu energiearmes Licht für die Fotosynthese nutzbar zu machen.“
Langjährige Kooperation trägt weitere Früchte
Die gemeinsame Arbeit wurde im Rahmen des International Joint Research Promotion Programms 824 durchgeführt, einem Kooperationsvertrag, der 2017 zwischen der Fakultät für Biologie und Biotechnologie der RUB und dem Institut for Protein Research (IPR) der Osaka University geschlossen wurde. Das Förderprogramm hat die langjährige Zusammenarbeit zwischen dem Labor von Prof. Dr. Genji Kurisu am IPR und der Bochumer Projektgruppe „Molekulare Mechanismen der Photosynthese“ unter der Leitung von Marc Nowaczyk weiter gefestigt. „Ein kürzlich eingeführtes Austauschprogramm der Fakultät für Biologie und Biotechnologie mit der Osaka University gibt RUB-Studierenden zusätzliche Möglichkeiten, ihre Forschungsprojekte im Land der Aufgehenden Sonne durchzuführen“, so Marc Nowaczyk.