Astronomie Vermeintlich junger Stern entpuppt sich als galaktischer Greis
Er galt als Teenie unter den Sternen. Nun ist klar: Dieses Himmelsobjekt entstand zu Anbeginn unserer Galaxie. Warum Forscher sich jahrzehntelang geirrt haben.
Nicht 2,3 Milliarden Jahre, sondern ganze zwölf Milliarden Jahre alt ist 49 Lib, ein relativ heller Stern am Südhimmel. Jahrzehntelang waren Forscher mit widersprüchlichen Fakten zu diesem Himmelsobjekt konfrontiert, weil sie es als viel zu jung eingeschätzt hatten. Mit einer neuen Altersbestimmung konnten Astronomen der Ruhr-Universität Bochum (RUB) nun alle Widersprüche auflösen. Dr. Klaus Fuhrmann und Prof. Dr. Rolf Chini berichten in der Zeitschrift „Astrophysical Journal“.
„Bislang war man davon ausgegangen, dass der Stern nur halb so alt ist wie unsere Sonne“, sagt Chini. „Unsere Daten zeigen jedoch, dass er bereits entstand, als sich unsere Galaxie gebildet hat.“ Der Grund für den Irrtum: Bei dem Himmelsobjekt handelt es sich um ein Doppelsternsystem, wie eine andere Forschergruppe bereits 2016 belegt hatte. Chinis Team zeigte nun den Mechanismus auf, mit dem der Sternenpartner von 49 Lib das falsche Alter vortäuscht.
Unsichtbarer Sternenbegleiter
Bei dem Partner von 49 Lib handelt es sich um einen fast erloschenen Stern, der nahezu unsichtbar ist. Am Ende seines Lebens hatte er einen Teil seiner Materie auf 49 Lib übertragen – und das brachte die Altersschätzungen durcheinander.
Wissenschaftler bestimmen das Alter von Sternen anhand ihrer chemischen Zusammensetzung. Alte Sterne, die sich in der frühen Phase des Universums gebildet haben, enthalten keine schweren Elemente. Denn diese Elemente sind erst durch die Kernfusion vieler Generationen von Sternen entstanden. Junge Sterne wie unsere Sonne besitzen also schwere Elemente, weil sie aus den Überbleibseln vergangener Sternengenerationen hervorgegangen sind.
Riesengroß am Lebensende
Weil der rätselhafte Stern 49 Lib schwere Elemente enthält, haben Forscher jahrzehntelang gedacht, er sei relativ jung. Das Bochumer Team fand jedoch heraus, dass die schweren Elemente nicht ursprünglich von 49 Lib stammen, sondern von seinem unsichtbaren Begleiter auf ihn übertragen wurden.
Am Ende ihres Lebens werden Sterne riesengroß; so groß, dass ihre eigene Schwerkraft nicht mehr ausreicht, um die Materie zusammenzuhalten. Sie strömt als Gas ins Weltall. Ist ein zweiter Stern in der Nähe, kann er die abgestoßene Materie mit seiner Schwerkraft anziehen und aufnehmen. Auf diese Weise erhielt 49 Lib seine schweren Elemente.
Das Alter von Sternen bestimmen
Das Alter von Sternen bestimmen Astronomen anhand ihrer Spektren. Sie zerlegen das vom Stern ausgestrahlte Licht in seine verschiedenen Anteile und schlüsseln auf, bei welchen Wellenlängen der Stern am meisten Licht abstrahlt. Die Zusammensetzung der chemischen Elemente eines Sterns bestimmt das Spektrum.
Anhand ihrer Daten können die RUB-Forscher nicht nur das Alter des untersuchten Sterns angeben. „Wir können die gesamte Entwicklung dieses Doppelsystems nachvollziehen“, erklärt Rolf Chini. So wissen die Astronomen zum Beispiel auch, mit welchen Massen die Sterne ihr Leben begonnen haben und wie sich diese weiterentwickeln werden.
Vom Weißen Zwerg zur Supernova
Anfangs waren beide Sterne ähnlich massereich wie die Sonne. Als 49 Lib einen Teil der Materie seines erlöschenden Partners übernahm, legte er etwa 0,55 Sonnenmassen an Gewicht zu. Je massereicher ein Stern, desto kürzer ist seine Lebenszeit. Durch die Gewichtszunahme verringert sich die Lebensdauer von 49 Lib somit drastisch. „Er wird sich schnell zu einem Roten Riesen entwickeln und dann zu einem Weißen Zwerg zusammenfallen“, beschreibt Rolf Chini sein Schicksal.
Als Roter Riese wird 49 Lib seine Materie nicht mehr zusammenhalten können – so wie es auch seinem Sternenpartner einst erging, der heute schon ein Weißer Zwerg ist. Ein Teil der Materie von 49 Lib wird von seinem erlöschenden Sternenpartner angezogen werden. „Wenn dieser das Material nicht in kleinen Ausbrüchen wieder loswerden kann, wird er als Supernova vollständig explodieren“, sagt Chini.