Medizin Ein Staubsauger für lebensgefährliche Blutgerinnsel
Als eine von wenigen Kliniken setzt das Bergmannsheil ein neues Verfahren ein, das Herzkranken helfen kann.
Mit einem neuartigen Verfahren hat ein Team des Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikums Bergmannsheil, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum, erfolgreich eine Patientin behandelt, die an einem lebensgefährlichen Blutgerinnsel im Herzen litt. Normalerweise erfordert dieses Krankheitsbild eine aufwändige Herzoperation einschließlich der Öffnung des Brustkorbs unter Anwendung der Herz-Lungen-Maschine. In diesem Fall genügten ein kleiner Schnitt in der Leistengegend und ein spezieller Schlauch, der über die Blutgefäße bis zur betroffenen Stelle im Herzen geschoben wird. Mit einer Pumpe wurde dann der Blutpfropfen abgesaugt. Dieses sogenannte AngioVac-System ist bislang nur in wenigen Kliniken in Deutschland im Einsatz; in seiner neusten Version haben es erst drei Kliniken bundesweit angewandt.
Großes Blutgerinnsel im Herzen
„Wir können mit dieser Methode Patienten sehr schonend und effektiv behandeln“, sagt Prof. Dr. Andreas Mügge, Direktor der Klinik für Kardiologie und Angiologie im Bergmannsheil. „Insbesondere Menschen, die aufgrund ihres Alters oder ihres Gesundheitszustands nicht für eine klassische Herzoperation in Frage kommen, erhalten so eine neue Behandlungsmöglichkeit.“ Der 73-jährigen Patientin, die jetzt am Bergmannsheil erstmals mit dem AngioVac-Verfahren versorgt wurde, war früher ein spezieller Schrittmacher, ein sogenannter Defibrillator, eingesetzt worden. Das System besteht aus einer Batterie und einer Elektrode, die im rechten Herzen verankert ist. Es sollte die Patientin bei akuten Herzrhythmusstörungen vor dem plötzlichen Herztod retten. Bakterien hatten jedoch die Elektrode entzündet. Dies passiert in 0,5 bis 1 Prozent der Fälle pro Jahr. Durch die Entzündung begünstigt bildete sich an der Elektrode ein etwa vier Zentimeter langes Blutgerinnsel. Das Gerinnsel drohte jederzeit in die Lunge zu wandern und dort eine Embolie auszulösen – ein lebensgefährlicher Zustand.
Planungsgespräch im Herzteam
Die Kardiologie im Bergmannsheil, die seit vielen Jahren unter anderem auf die Entfernung von entzündeten Schrittmacher- und Defibrillator-Systemen spezialisiert ist, nahm die Patientin auf. In der Herzteam-Besprechung mit der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie im Bergmannsheil (Direktor: Prof. Dr. Justus Strauch) erörterten die Spezialisten das Behandlungskonzept: Eine Herz-Operation wurde für die Patientin aufgrund ihres Allgemeinzustandes als sehr belastend angesehen. Deshalb schlugen die Experten die neue minimal-invasive Lösung vor. „Das Bergmannsheil verfügt über alle Voraussetzungen, um diesen diffizilen Eingriff durchführen zu können“, so Dr. Assem Aweimer, Oberarzt der Kardiologie, der gemeinsam mit Dr. Leif Bösche den Eingriff geleitet hat. „Dazu gehören vor allem ein eingespieltes Behandlungsteam aus Kardiologie, Herzchirurgie, Anästhesistie, Kardiotechnik und Pflegekräften sowie ein hochmoderner Hybrid-OP-Saal: Hier können wir jederzeit von der minimal-invasiven Methode zur klassischen Herz-OP wechseln, sollte es im Verlauf des Kathetereingriffs doch einmal zu Komplikationen kommen.“
Absaugen dauert nur wenige Minuten
Das Absaugen des Blutpfropfens dauerte nur wenige Minuten. Der Spezialkatheter wurde unter Ultraschallsicht – TEE oder auch „Schluck-Echo“ genannt – direkt auf den Thrombus ausgerichtet. Als Pumpe kam eine sogenannte ECMO, kurz für Extrakorporale Membranoxygenierung, zum Einsatz: Das ist vom Prinzip her eine Mini-Herz-Lungenmaschine. Normalerweise ersetzt sie vollständig die Herz- oder Lungenfunktion, hier diente sie lediglich dazu, den Thrombus abzusaugen und das Blut in den Kreislauf der Patientin zurückzuführen. Anschließend konnten die Kardiologen das im Brustbereich implantierte Defibrillator-System mitsamt entzündeter Elektrode unter Zug entfernen. Nach rund 90 Minuten war alles geschafft. Bereits kurze Zeit nach dem Eingriff war die Patientin wohlauf und ihr Gesundheitszustand deutlich gebessert.
Ziel ist danach, den Infekt vollständig auszuheilen, um dann später gegebenenfalls einen neuen Defibrillator implantieren zu können. „Wir freuen uns sehr, dass der Eingriff so erfolgreich verlief und die Patientin von diesem neuen Verfahren profitieren konnte“, sagt Andreas Mügge. „Das ist auch und vor allem ein Verdienst unseres interdisziplinären Behandlungsteams.“