Proteinforschung Einblick in Details des angeborenen Immunsystems
Bochumer und Essener Forscher identifizieren potenzielle Ziele für neue Wirkstoffe.
Die Immunantwort auf Infektionen wird maßgeblich von bestimmten Botenstoffen, den Interferonen, eingeleitet und reguliert. Obwohl sie seit über einem halben Jahrhundert bekannt sind, ist ihre Wirkungsweise im Detail noch nicht vollständig geklärt. Forscher des Medizinischen Proteom-Centers der Ruhr-Universität Bochum (RUB) und des Instituts für Virologie der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen haben jetzt erstmals die Wirkung verschiedener Interferon-Typen auf die Proteinzusammensetzung von menschlichen Zellen quantitativ in einer vergleichenden, zeitaufgelösten Proteomstudie analysiert. Damit schaffen sie eine Datenbasis für das molekulare Verständnis von Interferonen und langfristig für die Suche nach neuen Wirkstoffen gegen Krankheitserreger. Die Forscher berichten im Journal „Frontiers in Immunology”.
Abwehr gegen Viren, Pilze, Bakterien
Interferone leiten als Botenstoffe die erste Immunreaktion bei verschiedenen Infektionen zum Beispiel mit Viren, Pilzen oder Bakterien ein. Somit sind sie ein Teil der angeborenen körpereigenen Abwehr, werden aber auch in rekombinanter, also biotechnologisch hergestellter Form als Wirkstoffe medizinisch eingesetzt, etwa gegen Viren. Ihre Wirkung auf molekularer Ebene ist noch nicht im Detail geklärt.
„Vor allem die Wirkweise unterschiedlicher Interferon-Typen, die Dynamik der Interferonwirkung sowie die Existenz von Proteinen, deren Produktion durch Interferone stark herunterreguliert wird, wurden in bisherigen Arbeiten nur unzureichend oder gar nicht betrachtet“, erklären Dr. Dominik A. Megger und Prof. Dr. Barbara Sitek vom Medizinischen Proteom-Center der RUB.
Alle Proteine einer Zelle
Um diese Fragen zu beantworten, wandten die Forscher die Massenspektrometrie an. Damit können sie die Gesamtheit der in Zellen vorhandenen Proteine, das Proteom, zeitaufgelöst untersuchen. Sie verwendeten menschliche Zelllinien, die sie mit zwei repräsentativen Interferonen der Typen I und II behandelten. „Die Ergebnisse der Proteomanalyse belegen erwartungsgemäß die schon aus anderen Untersuchungen bekannten Auswirkungen auf Proteine – das zeigte uns, dass unsere Methodik valide ist“, erklären die Bochumer Proteomforscher. „Richtig interessant wurde es dann bei der zeitaufgelösten Analyse.“
Die Forscher erfassten dabei die Mengen von fast 3.000 Proteinen. So fanden sie heraus, dass beide untersuchten Interferon-Typen einige einheitliche, aber auch viele spezifische Veränderungen in der Menge bestimmter Proteine hervorriefen, und zwar in einer hoch dynamischen Art und Weise. So wurden zum Beispiel einige Proteine, die kurz nach der Behandlung stark hochreguliert waren, zu einem späteren Zeitpunkt durch dasselbe Interferon deutlich herunterreguliert.
„Diese Ergebnisse machen deutlich, wie wichtig zeitaufgelöste Daten bei solchen Studien sind“, so Prof. Dr. Mirko Trilling vom Universitätsklinikum Essen. „Wir wussten aus vorherigen Arbeiten bereits, dass gerade Typ II-Interferon die Mengen von bestimmten mRNAs, also Ribonukleinsäuren, die als Vorlage für die Proteinbiosynthese dienen, reduzieren kann. Diese Studie beweist nun, dass dies auch das Proteom sehr nachhaltig verändert."
Inwieweit diese Proteine an der Wirkung des Interferons auf das Immunsystem und der Bekämpfung von Viren beteiligt sind, bleibt im Detail zu klären. „Jedes dieser Proteine ist aber ein potenzielles Ziel für Wirkstoffe, die es gezielt herunterregulieren und einen antiviralen Effekt mit sich bringen könnten. Unser Datensatz ist eine solide Basis für zukünftige funktionelle Studien“, fasst Mirko Trilling zusammen.