Harald Platta, Rebecca Brinkmeier und Thomas Mastalski (von links) im Labor an der Ruhr-Universität
© RUB, Kramer

Proteinforschung Das ABS molekularer Motoren

Bisher kannte man fünf Schritte eines komplizierten Transportmechanismus. Bochumer Forscherinnen und Forscher haben jetzt einen sechsten entdeckt.

Peroxisomen sind Zellorganellen, die viele Funktionen übernehmen, darunter den Abbau von Zellgiften. Dafür brauchen sie Enzyme, die über eine komplizierte Maschinerie in die Peroxisomen transportiert werden müssen. Einen bisher unbekannten Transportschritt konnte das Team der Arbeitsgruppe Biochemie Intrazellulärer Transportprozesse der Ruhr-Universität Bochum (RUB) von Prof. Dr. Harald Platta jetzt aufklären und damit lebensbedrohliche Erkrankungen besser verstehen. Die Gruppe berichtet im renommierten Journal Biochimica et Biophysica Acta – Molecular Cell Research vom Februar 2019.

Eine zentrale Rolle

Peroxisomen sind Zellorganellen von zentraler Bedeutung. Durch die mehr als 50 Enzyme, denen sie einen isolierten Reaktionsraum bieten, stehen sie mit vielen zellulären Prozessen in Kontakt. Die Hauptfunktion von Peroxisomen ist der Abbau von langkettigen Fettsäuren und von Zellgiften. „Daneben haben sie spezialisierte Rollen, etwa bei der Synthese von Penicillin in Pilzen, der Bildung von Lysin in Hefen, der Lichtatmung von Pflanzen und der Bereitstellung von Plasmalogenen für die weiße Substanz des Gehirns in Tieren“, erklärt Harald Platta. Defekte in der Bildung funktionsfähiger Peroxisomen führen zu schweren Stoffwechselerkrankungen bei Menschen, die oft schon bei Neugeborenen zum Tod führen.

Der Motor der Importmaschinerie

Damit Peroxisomen ihre Funktionen wahrnehmen können, müssen sie zunächst die jeweiligen Enzyme in ihr Inneres importieren. Die meisten Enzyme werden von dem Importrezeptor Pex5p ins Peroxisom dirigiert. Dieser Rezeptor wird dadurch reguliert, dass zeitweise das Protein Ubiquitin (Ub) angeheftet wird.

Infografik

Peroxisomentransport
© Harald Platta

(A) Der intakte Importzyklus: Die Enzyme mit einer Zielsteuerungssequenz für Peroxisomen (PTS1 – peroxisomal targeting signal 1) werden von dem Importrezeptor Pex5p (rot) gebunden und zum Andock-Komplex (gelb) des Peroxisoms dirigiert, wo sie zu ihrem Wirkungsort, dem Inneren des Peroxisoms, transportiert werden.

Pex5p wird von dem Ub-Komplex (grün) durch das Anheften des Ubiquitins (Ub) modifiziert. Das Ub-Pex5p wird von der Exportmaschinerie (blau) erkannt und in die Zellflüssigkeit exportiert, wo eine neue Runde im Importzyklus durchlaufen werden kann. Ob das Abnehmen der Ub-Modifikation hierbei eine Rolle spielt, war bisher unklar.

(B) Bei der Untersuchung von Ub-Pex5p-Varianten, bei denen das Ub nicht mehr durch Ubp15 abgenommen werden kann, zeigte sich, dass diese bei erneutem Erreichen des Peroxisoms den Andock-Komplex blockieren und somit für die intakten Pex5p-Enzym-Komplexe unbrauchbar macht, sodass keine Enzyme mehr ins Peroxisom importiert werden können.

„Wir konnten den Import-Mechanismus bisher in fünf Schritte unterteilen“, erläutert Harald Platta: „Erstens die Bindung von Pex5p an das zu importierende Enzym in der Zellflüssigkeit. Zweitens die Bindung des Pex5p-Enzym-Komplexes an das Peroxisom. Drittens die Freisetzung des Enzyms in das Innere des Peroxisoms. Viertens die Ub-Anheftung an Pex5p. Und fünftens den Export des mit Ub modifizierten Pex5p in die Zellflüssigkeit für weitere Importreaktionen.“

Das ABS-System molekularer Maschinen

Die Anheftung eines Ub-Moleküls an Pex5p ist von zentraler Bedeutung für den Importzyklus. Für diesen Schritt und den anschließenden Export des Komplexes wird Energie gebraucht. „Wir haben die Ub-Anheftung an den Importrezeptor schon in vorangegangenen Arbeiten als eine Art Gaspedal der gesamten Importmaschinerie umschrieben“, so Platta.

Das genaue Schicksal des exportierten mit Ub modifizierten Pex5p war aber bisher unklar. Die aktuelle Studie, die vor allem auf den Doktorarbeiten von Rebecca Brinkmeier und Fouzi El Magraoui basiert, löste nun diese Frage. Das Team konnte anhand von systematisch erzeugten genetischen Varianten von Ub- und Pex5p zeigen, dass eine stabile Ub-Pex5p-Fusion zu einem Defekt des peroxisomalen Proteinimports führt. Die Anheftung von Ub an Pex5p muss sich also wieder auflösen.

Wird das Ubiquitin durch ein anderes Enzym wieder abgenommen, erlangt Pex5p seinen ursprünglichen Status und kann wieder verwendet werden. Wenn dieser Schritt ausbleibt, gerät der Importrezeptor außer Kontrolle. Er schlittert dann als Komplex in der Zellflüssigkeit weiter, bis er unkontrolliert wieder auf das Peroxisom stößt, wo er den Andock-Komplex blockiert und somit auch den Import von korrekt mit Ub modifiziertem Pex5p verhindert. „Dies führt letztendlich zu einem kompletten Funktionsverlust des Peroxisoms“, so Platta. „Unsere Studie fügt dem Importzyklus also den notwendigen sechsten Schritt hinzu.“

Kooperationspartner

Die Arbeitsgruppe kooperierte mit dem Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften Isas in Dortmund unter Prof. Dr. Helmut Meyer sowie im Rahmen der Forschungsgruppe FOR1905 der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit der Systembiochemie der Ruhr-Universität Bochum um Prof. Dr. Ralf Erdmann und der Funktionellen Proteomik der Universität Freiburg unter Prof. Dr. Bettina Warscheid.

Originalveröffentlichung

Fouzi El Magraoui et al.: The deubiquitination of the PTS1-import receptor Pex5p is required for peroxisomal matrix protein import, in: Biochimica et Biophysica Acta – Molecular Cell Research, 2019, DOI: 10.1016/j.bbamcr.2018.11.002

Pressekontakt

Prof. Dr. Harald W. Platta
Arbeitsgruppe Biochemie Intrazellulärer Transportprozesse
Institut für Biochemie und Pathobiochemie
Medizinische Fakultät
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: 0234 32 24968
E-Mail: harald.platta@rub.de

Download hochauflösender Bilder
Der Download der gewählten Bilder erfolgt als ZIP-Datei. Bildzeilen und Bildnachweise finden Sie nach dem Entpacken in der enthaltenen HTML-Datei.
Nutzungsbedingungen
Die Verwendung der Bilder ist unter Angabe des entsprechenden Copyrights für die Presse honorarfrei. Die Bilder dürfen ausschließlich für eine Berichterstattung mit Bezug zur Ruhr-Universität Bochum verwendet werden, die sich ausschließlich auf die Inhalte des Artikels bezieht, der den Link zum Bilderdownload enthält. Mit dem Download erhalten Sie ein einfaches Nutzungsrecht zur einmaligen Berichterstattung. Eine weitergehende Bearbeitung, die über das Anpassen an das jeweilige Layout hinausgeht, oder eine Speicherung der Bilder für weitere Zwecke, erfordert eine Erweiterung des Nutzungsrechts. Sollten Sie die Fotos daher auf andere Weise verwenden wollen, kontaktieren Sie bitte redaktion@ruhr-uni-bochum.de

Veröffentlicht

Freitag
08. März 2019
09:26 Uhr

Von

Meike Drießen

Teilen