In Algen schlummert ein großes Potenzial für die umweltfreundliche Energiegewinnung.
© RUB, Marquard

Biotechnologie Algen als lebende Biokatalysatoren für eine grüne Industrie

In fachübergreifender Zusammenarbeit ist einem Bochumer Forschungsteam eine Entdeckung gelungen, die für mehr Umweltschutz in der chemischen Industrie sorgen könnte.

Viele Substanzen, die wir täglich nutzen, wirken nur in der richtigen 3D-Struktur. Natürliche Enzyme könnten sie umweltfreundlich herstellen – wenn sie nicht einen bisher nur teuer zu erzeugenden Hilfsstoff bräuchten. Ein Forschungsteam der Ruhr-Universität Bochum (RUB) hat in einzelligen Grünalgen genau die gewünschten Enzyme entdeckt. Und noch besser: Da lebende Algen als Biokatalysatoren für bestimmte Substanzen infrage kommen, bringen sie den Hilfsstoff gleich mit und stellen ihn umweltfreundlich durch Fotosynthese her. Das Team berichtet in der Zeitschrift Algal Research vom 17. Juni 2020.

Auf die 3D-Struktur kommt es an

Viele chemische Substanzen in Kosmetika, Lebensmitteln oder Medikamenten können leicht unterschiedliche dreidimensionale Strukturen einnehmen, wobei nur jeweils eine davon den gewünschten Duft oder die gewünschte medizinische Wirkung zeigt. Die chemische Herstellung der richtigen Substanzen ist oft nicht gerade umweltverträglich, da hohe Temperaturen oder spezielle Lösungsmittel notwendig sind. In der Natur gibt es dagegen bestimmte Proteine, die das gewünschte Produkt bei milden Temperaturen und in Wasser herstellen. Dabei erzeugen sie oft genau die 3D-Struktur der Substanz, die von der Industrie gebraucht wird.

Old Yellow Enzymes brauchen ein teures Hilfsmittel

Diese sogenannten Old Yellow Enzymes, kurz OYEs, verdanken ihren Namen ihrer von Natur aus gelben Farbe. Sie kommen in Bakterien, Pilzen und Pflanzen vor, sind teils gut untersucht und vielversprechend für eine biobasierte Wirtschaft. Sie haben jedoch einen Nachteil: Um ihre Reaktion ausführen zu können, brauchen sie das Hilfsmittel NADPH (Nicotinamid-Adenindinukleotid-Phosphat). In lebenden Zellen wird dieses kleine Molekül durch den Stoffwechsel bereitgestellt. Es chemisch herzustellen ist dagegen sehr teuer, was die ökonomische Nutzung der OYEs ausbremst.

Das Autorenteam im Grünen: Stefanie Böhmer, Anja Hemschemeier, Thomas Happe, Christina Marx, Dirk Tischler und Marc Nowaczyk (von links)
© RUB, Marquard

OYEs aus einzelligen Grünalgen: zwei Fliegen mit einer Klappe?

Das Bochumer Forschungsteam hat mehrere OYEs in einzelligen Grünalgen entdeckt. „Für eine breite Anwendung braucht die Industrie OYEs, die auch ungewöhnliche Moleküle herstellen können“, erklärt Prof. Dr. Thomas Happe, Leiter der Arbeitsgruppe Photobiotechnologie an der RUB. „Algen besitzen sehr komplexe Stoffwechselwege und sind daher ideale Quellen für neuartige Biokatalysatoren.“ Die Forscherinnen und Forscher untersuchten Algen-OYEs im Reagenzglas und konnten zeigen, dass sie viele kommerziell interessante Substanzen umsetzen können. „Besonders spannend ist es, dass auch lebende Algen die gewünschten Reaktionen durchführen können“, berichtet die Doktorandin Stefanie Böhmer, Erstautorin der Studie. „Algen stellen NADPH mithilfe der Fotosynthese, also mit Sonnenlicht her, sodass das Hilfsmittel der OYEs umweltfreundlich und kostengünstig bereitgestellt wird.“

Vielversprechende Zusammenarbeit

Die Studie zeige, wie wichtig die Zusammenarbeit von Forschenden verschiedener Fachgebiete ist, und dass Kontakte zur Wirtschaft auch wertvolle Grundlagenforschung initiieren, betonen die Autoren. Mitgewirkt haben vier Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Graduiertenkolleg „Micon – Mikrobielle Substratumsetzung“, die jeweils ihre eigene Expertise einbrachten. Das Konzept der Arbeiten entstammt dem Spin-off Solarbioproducts Ruhr, das von der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Herne und Thomas Happe gegründet wurde, um Konzepte für umweltfreundliche Algenbiotechnologien zu entwickeln. „Wir haben einen großen Schritt in Richtung grüne Industrie gemacht“, freut sich Happe. „Ohne die Kooperationen wäre dies nicht möglich gewesen.“

Förderung

Die Arbeiten wurden gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen der Graduiertenschule GRK 2341 Microbial Substrate Conversion Micon, dem durch das Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung NRW geförderten Projekt Chembiocat und der Wrtschaftsförderungsgesellschaft Herne.

Originalveröffentlichung

Stefanie Böhmer, Christina Marx, Álvaro Gómez-Baraibar, Marc M. Nowaczyk, Dirk Tischler, Anja Hemschemeier, Thomas Happe: Evolutionary diverse Chlamydomonas reinhardtii old yellow enzymes reveal distinctive catalytic properties and potential for whole-cell biotransformations, in: Algal Research, 2020, DOI: 10.1016/j.algal.2020.101970

Pressekontakt

Prof. Dr. Thomas Happe

Photobiotechnologie

Fakultät für Biologie und Biotechnologie


Ruhr-Universität Bochum

Tel.: +49 234 32 27026

E-Mail: thomas.happe@rub.de

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Veröffentlicht

Donnerstag
02. Juli 2020
09:26 Uhr

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