ERC Advanced Grant Die Grundlagen für eine Wasserstoffwirtschaft legen
Um Wasserstoff als Energieträger in die breite Anwendung zu bekommen, müssen Produktionsverfahren hochskaliert werden. Die dafür notwendige Grundlagenforschung will Roland Span im Rahmen eines ERC Grants leisten.
Wasserstoff spielt in allen Konzepten zur Reduktion von CO2-Emissionen eine wichtige Rolle. Wie er hergestellt und zwecks Transport verflüssigt werden kann, ist prinzipiell bekannt – aber die Verfahren müssen in viel größerem Maßstab etabliert werden, wenn Wasserstoff die Basis eines zukünftigen globalen Energiemarkts werden soll. Dafür fehlt es bislang noch an Grundlagenforschung. Prof. Dr. Roland Span von der Ruhr-Universität Bochum (RUB) entwickelt Stoffdatenmodelle, die die Eigenschaften von Wasserstoff unter verschiedenen Bedingungen genau beschreiben und unter anderem Grundlage für Simulationen von Verflüssigungsanlagen sind. Der Europäische Forschungsrat ERC fördert seine Arbeiten mit einem Advanced Grant, welcher mit 2,5 Millionen Euro für fünf Jahre dotiert ist. Das Projekt startet im Oktober 2022.
Große Unsicherheit bei Wasserstoffeigenschaften
Um Verfahren für die Wasserstoff-Produktion und -Verflüssigung hochzuskalieren, sind Simulationen erforderlich. Diese wiederum beruhen auf Stoffdatenmodellen. Im Gegensatz zu anderen Stoffen ist Wasserstoff bislang aber nur unzureichend vermessen – seit den 1980er-Jahren entwickelte sehr genaue Verfahren zur Messung von Stoffeigenschaften können bisher nicht bei so tiefen Temperaturen angewendet werden, wie sie für flüssigen Wasserstoff charakteristisch sind. Berechnungen der Eigenschaften von Wasserstoff sind daher mit Unsicherheiten behaftet, die eine Größenordnung größer sind als etwa bei Methan oder Stickstoff.
„Unser Projekt ‚ThermoPropHy – Thermodynamic Properties for Hydrogen Liquefaction and Processing‘ wird uns die Gelegenheit geben, grundlegende und sehr ambitionierte Arbeiten im Bereich der Stoffdatenforschung für die Wasserstofftechnologie und vor allem für die großskalige Verflüssigung von Wasserstoff in Angriff zu nehmen“, sagt Roland Span, Leiter des Lehrstuhls für Thermodynamik. Über die Förderung des ERC hinaus unterstützt die RUB sein Team dabei mit Investitionsmitteln in Höhe von 450.000 Euro, die über einen Großgeräteantrag für Forschungsinfrastruktur bereitgestellt werden. „Damit haben wir auch international gesehen die Chance, ganz vorne bei dieser Forschung dabei zu sein“, so Span.
Durchflüsse bestimmen und Anlagen auslegen
Für die Praxis ist es beispielsweise wichtig, die Dichte und die Geschwindigkeit, mit der sich Schall in Wasserstoff ausbreitet, genau zu kennen – auch bei sehr tiefen Temperaturen. Die Dichte muss beispielsweise bekannt sein, um die Menge des verbrauchten Wasserstoffs korrekt bestimmen und abrechnen zu können. Die Schallgeschwindigkeit ist unter anderem interessant, weil Durchflüsse mit akustischen Verfahren präzise gemessen werden können. Darüber hinaus bilden exakte Messwerte für Dichte und Schallgeschwindigkeit aber auch die Grundlage für die Entwicklung von Stoffdatenmodellen, aus denen dann alle anderen thermodynamischen Eigenschaften berechnet werden können. Und die benötigt man, um technische Anlagen optimal auslegen zu können. Darum wollen die Bochumer Forschenden Dichte und Schallgeschwindigkeit bis hinunter zu einer Temperatur von ungefähr 14 Kelvin erfassen, also weit unter die Grenzen des bislang in hoher Genauigkeit zugänglichen Temperaturbereichs.
Feste Phasen von Verunreinigungen im Wasserstoff, die bei den extrem tiefen Temperaturen ausfrieren und zu technischen Problemen führen können, wird Spans Team mit genauen Modellen beschreiben, welche mit denen der flüssigen Phasen konsistent sind. Außerdem wollen die Forschenden thermodynamische Eigenschaften von Gemischen aus Helium, Neon und Argon hochpräzise vermessen und modellieren. Diese Modelle bilden die Grundlage für die Simulation und letztlich die technische Umsetzung energetisch sehr effizienter Verflüssigungsprozesse für Wasserstoff, die als „Mixed Fluid Cascade“-Prozesse bezeichnet werden.
Insgesamt sollen die Arbeiten Prozesssimulationen im Bereich der Wasserstofftechnologie künftig genauer und zuverlässiger machen.