Welttagung an der RUB Die Elite der Stochastik trifft sich in Bochum
Die Welttagung „Bernoulli-IMS World Congress in Probability and Statistics“ findet im August mit 900 Teilnehmenden auf dem Campus der Ruhr-Universität Bochum statt.
So viel internationale Prominenz ist selten in Bochum zu Gast: Rund 900 Teilnehmende aus aller Welt haben sich zur Welttagung der Stochastik angemeldet. Die Tagung wird von der Wissenschaftsvereinigung „Institute of Mathematical Statistics (USA)“ und der „Bernoulli Society (Europa)“ veranstaltet. Sie findet vom 12. bis zum 16. August 2024 an der Ruhr-Universität Bochum statt. „Das ist für uns eine riesengroße Ehre und unterstreicht die Exzellenz der Bochumer Forschenden auf diesem Fachgebiet“, sagt Prof. Dr. Martin Paul, Rektor der Ruhr-Universität Bochum. Die Medien sind herzlich willkommen.
Extreme Ereignisse vorhersagen
Inhaltlich werden sich die Vorträge neben der Fortentwicklung der theoretischen Grundlagen innerhalb der Mathematischen Statistik und der Wahrscheinlichkeitstheorie mit einer ganzen Reihe von gesellschaftlich hochrelevanten Fragestellungen befassen. Dazu gehören Fragen zu Data Science und Machine Learning, etwa der rasanten Entwicklung im Bereich des Gesundheitswesens bei verbesserten Methoden zur Vorhersage individueller Risiken. Hierbei spielt der Zufall eine Rolle und damit die Wahrscheinlichkeitstheorie.
Ein weiteres Thema ist die Extremwerttheorie. Dabei geht es darum, die Wahrscheinlichkeit extremer Ereignisse wie etwa Hochwasser, Dürre oder Starkregen möglichst im Vorhinein zu berechnen oder plausibel zu erklären. Fragen sind aktuell, wie viel wahrscheinlicher solche Ereignisse aufgrund des Klimawandels sind.
Statistische Argumente in der Rechtsprechung
Dramatische Relevanz haben statistische Argumente in der Rechtsprechung. Ein Vortrag der Tagung widmet sich etwa dem Fall „Lucia de Berk”, der jahrelang die Gerichte in den Niederlanden beschäftigt hat. Lucia de Berk war Kinderkrankenschwester. Zu einem gewissen Zeitpunkt bemerkten ihre Vorgesetzten, dass von den unerklärlichen Todesfällen in ihrer Klinik auffällig viele in genau den Schichten passierten, für die sie verantwortlich war. Es wurden Berechnungen angestellt, die belegen sollten, dass dies nicht reiner Zufall sein könne, und es wurden entsprechende Wahrscheinlichkeiten berechnet. Aufgrund dieser Berechnungen wurde Lucia de Berk wegen vielfachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Prof. Dr. Richard Gill, der darüber bei der Tagung referiert, hat diese Berechnungen kritisch hinterfragt und nachgewiesen, dass die verdächtigen Ereignisse bei genauerer Betrachtung und Verwendung anderer statistischer Modelle bei weitem nicht so unwahrscheinlich waren wie die Gutachter vor Gericht dachten. Am Ende eines langen Revisionsverfahrens, das überhaupt erst nach einem Parlamentsbeschluss möglich war, wurde Lucia de Berk schließlich freigesprochen.
„Viele weitere Anwendungen sind durch Fragestellungen in den Naturwissenschaften motiviert“, erklärt Organisator Prof. Dr. Herold Dehling. „Dabei wollen wir Modelle etwa aus der Biologie oder der Physik entwickeln und mathematisch verstehen.“
Eine Bochumer Besonderheit ist die Ising-Lecture, benannt nach Ernst Ising, einem in Fachkreisen weltberühmten mathematischen Physiker, der ein mathematisches Modell zur Erklärung von Magnetismus entwickelt hat, das Tausende von wissenschaftlichen Arbeiten nach sich zog. „Er ist – was nur wenige wissen – hier in Bochum am Ostring zur Schule gegangen“, erklärt Prof. Dr. Peter Eichelsbacher vom Organisationsteam der Tagung.