Optionalbereich Demenzkranken mit ihrer Muttersprache helfen
Polnisch sprechen und Gutes tun: In einem Praxisseminar treffen Studierende auf ältere Menschen mit Migrationshintergrund.
Dorothea-Julia Laszczak studiert Slavische Philologie. Im Praxisseminar „Unvergessen“ hat sie sich mit älteren Menschen getroffen, deren Muttersprache Polnisch ist. Wie das in ihr Studium passt und warum ihr manche Gespräche im Pflegeheim schwerfielen, erzählt sie in einem Interview.
Frau Laszczak, Sie haben am Projekt Unvergessen teilgenommen. Was ist das Projekt genau?
Unvergessen wird im Optionalbereich angeboten. Es ist zunächst ein ganz normales Seminar, das wöchentlich stattfindet. Es geht darum, wie Demenz und Muttersprache miteinander zusammenhängen.
Jeder Teilnehmer besucht neben dem Seminar im Pflegeheim einen oder mehrere Menschen, die Russisch, Polnisch oder Englisch als Muttersprache haben.
Was machen Sie dort?
Ich unternehme was mit ihnen, spiele oder unterhalte mich.
Bei mir lag der Schwerpunkt auf Gesprächen. Ich wollte mich über die Erfahrungen und Geschichten austauschen, die die beiden Frauen, die ich besucht habe, erlebt haben.
Ich war meist alle ein bis zwei Wochen bei den Frauen. Die Tandems wurden über das Seminar zugeordnet. Ich habe eine der Frauen aber schon vorher gekannt und entsprechend in das Projekt mitgebracht.
Zum Kurs bewegt haben mich der soziale Aspekt und natürlich die Herausforderung, sich mit den älteren Menschen in ihrer Muttersprache zu unterhalten.
Was hat Sie denn bewegt, den Kurs zu machen?
Der soziale Aspekt. Dass ich mit Personen arbeiten kann, die viel mehr Lebenserfahrung haben als ich. Dass ich von ihnen lernen kann.
Und natürlich die Herausforderung, sich mit ihnen in ihrer Muttersprache zu unterhalten.
Gab es denn eine theoretische Vorbereitung für die Treffen?
Ja. An eine Sitzung kann ich mich gut erinnern: Prof. Dr. André Posenau von der Hochschule für Gesundheit war einmal zu Besuch. Er gab uns Studierenden einen tollen Einblick in die Arbeit mit Demenzkranken. Zum Beispiel hat er uns den Tipp gegeben, dass man die Person im Gespräch dort abholt, wo sie sich gerade befindet. Wenn sie denkt, sie sei wieder ein Kind, dann sollte man das so akzeptieren. Geduld und Empathie sind dabei natürlich wichtig.
Wie war denn das erste Treffen?
Sehr interessant. Ich konnte mich mit beiden Frauen viel unterhalten. Sie hatten beide Polnisch als Muttersprache. Eine der Frauen ist tatsächlich an Demenz erkrankt, die andere nicht. Wir haben über ihre Leben gesprochen. Teilweise waren auch Kriegserfahrungen dabei. Es fiel mir manchmal schwer, die Geschichten und Bilder zu verarbeiten, von denen mir erzählt wurde.
Ich hatte nicht damit gerechnet, dass ich mich so in die Personen hineinversetze und mitfühle.
Wie sind Sie damit umgegangen?
Ich habe die Geschichten sehr ernst genommen – auch wenn sie sich wiederholten. Nach dem Treffen habe ich versucht, sie für mich zu verarbeiten. Beim Sport zum Beispiel.
Ich hatte nicht damit gerechnet, dass ich mich so in die Personen hineinversetze und mitfühle. Aber es ist auch ein bisschen eine Ehre, dass sich die Personen für mich geöffnet und sie die Geschichten mit mir geteilt haben.
In welcher Verbindung stehen denn die Muttersprache und die Krankheit Demenz?
Die Zweitsprache Deutsch verschwindet häufig mit der Demenz. Es ist wichtig, dass sich die Betroffenen trotzdem noch austauschen und ihre Gedanken loswerden können. Im Pflegeheim ist das natürlich schwierig, weil nicht alle Pflegerinnen und Pfleger die entsprechende Muttersprache sprechen können. Hier setzt das Projekt Unvergessen an. Wobei es keinen Austausch und keine Verbindung zur Pflege gab.
Was nehmen Sie aus dem Projekt mit?
Nur Positives. Ich habe mich in den Seminarsitzungen viel mit den anderen Studierenden über unsere Erfahrungen ausgetauscht und unsere Seminarleiterin Dr. Katrin Bente Karl hat uns gut auf die Treffen mit den Demenzkranken vorbereitet.
Bei den Treffen im Pflegeheim war jeder Moment besonders. Ich habe jedes Mal etwas für mich mitgenommen. Und sei es, dass sich die Menschen gefreut haben, dass ich da bin.
Wie passt das Projekt in Ihr Studium?
Ich konnte mein Polnisch ganz konkret in sozialen Situationen anwenden und vertiefen.
Außerdem schreibe ich meine Masterarbeit über Identitätskonstruktionen von Migranten mit und ohne Demenzerkrankung. Die beiden Frauen, die ich im Projekt besucht habe, werden auch Teil davon sein. Ich möchte mit der Methode der Biografiearbeit herausfinden, wie die Migration und die Zweisprachigkeit die Personen verändert hat.
Ich kann mir gut vorstellen, auch nach dem Studium etwas zu machen, in dem es einen sozialen Aspekt gibt und ich mit älteren Menschen arbeite. Wie genau das aussehen kann, weiß ich noch nicht.
Bleiben Sie mit den beiden Frauen auch nach dem Seminar in Kontakt?
Mir persönlich ist es wichtig, dass kein abruptes Ende unserer Treffen stattfindet. Ich werde nach und nach weniger bei ihnen vorbeischauen. In der nächsten Projektrunde wird jemand anderes die beiden besuchen. Ich werde mich mit meiner Nachfolgerin oder meinem Nachfolger treffen und mein Wissen entsprechend weitergeben.