Studentische Forschung Wie die Katastrophe von Fukushima Religionsgemeinschaften veränderte
Für ihre Masterarbeit ist Dunja Sharbat Dar nach Japan gereist.
Leid, Trauer und verwüstete Landstriche: Das ist das, was wahrscheinlich die meisten mit der japanischen Präfektur Fukushima verbinden. Am 11. März 2011 ereigneten sich dort gleich mehrere Katastrophen: Nach einem Erdbeben flutete ein Tsunami die Ostküste Japans und zerstörte dabei auch ein Atomkraftwerk. Über 18.000 Menschen starben und die Überlebenden sind bis heute mit den Folgen konfrontiert. In ihrer Abschlussarbeit bezieht sich Masterabsolventin Dunja Sharbat Dar auf die Katastrophe von Fukushima, nimmt die Religion in den Fokus. Sie hat untersucht, was sich seit 2011 bei den Menschen und ihren religiösen Gemeinschaften vor Ort geändert hat. Dafür reiste sie für acht Wochen nach Japan. „Ich wollte wissen, was die Leute zu sagen haben und wie sich die Katastrophe auf ihr religiöses Leben ausgewirkt hat und immer noch auswirkt“, sagt sie. Gefördert wurde sie vom Programm Lab Exchange.
Sharbat Dar studierte Religionswissenschaft an der RUB und wählte für den qualitativen Teil ihrer Arbeit exemplarisch zwei konkrete Gemeinschaften als Schwerpunkt aus. Einmal eine christliche Gemeinde, deren Kirche heute in der Evakuierungszone des Atomkraftwerkes steht. Von heute auf morgen hatte die Gemeinde keinen Treffpunkt mehr. Deshalb wurde Jahre später eine neue Kirche an einem anderen Ort gebaut. Die zweite Gemeinschaft, die Sharbat Dar untersuchte, gehört zum Shinto-Glauben. Ihr Schrein wurde vom Tsunami zerstört und 2016 wieder neu errichtet.
Religionen helfen, Trauer zu bewältigen.
Dunja Shartbat Dar
„Ich habe Menschen und Gemeinschaften getroffen, die so eine beeindruckende Kraft entwickelt haben, um alles wiederaufzubauen“, sagt Sharbat Dar, die im Bachelorstudium auch Japanologie studierte. Die Religionsgemeinschaften, egal ob Shinto, Christen oder Buddhisten, entwickelten eine große Hilfsbereitschaft. Außerdem nahm Sharbat Dar wahr, dass die Religion, die sonst eher traditionell verankert war, sich mehr auch im persönlichen Glauben wiederfand. „Religionen helfen, Trauer zu bewältigen und geben eine Struktur vor. Deshalb haben sich viele Menschen ihnen neuzugewandt“, sagt Sharbat Dar. Während der Zeit in Japan war die Absolventin sogar bei einem religiösen Shinto-Tanz dabei, der erst nach der Katastrophe neu begründet wurde. Die Veranstaltung dazu hieß Fest für die Zukunft.
Sharbat Dar arbeitete für ihre Forschung mit Wissenschaftlern der Universität Fukushima zusammen. Neben Interviews, die sie auf Japanisch führte, besuchte sie Gemeinschaften und Orte, die bis heute noch sichtlich von der Katastrophe gezeichnet sind.
„An einen Moment an einem Küstenort, der auf den ersten Blick schön aussah, erinnere ich mich besonders gut. Es war eine Wiese und daneben sah man das kraftvolle Meer. Mir wurde dann aber gesagt, dass an dem Ort eine Schule stand, als der Tsunami kam. In dem Moment fand ich es schlimm, das Meer zu sehen, das für die Zerstörung verantwortlich war“, sagt sie.
Die Region verändert sich im Bereich der erneuerbaren Energien.
Dunja Sharbat Dar
Die Katastrophe habe aber auch viel in Bewegung gebracht. Neben dem konkreten Wiederaufbau von Gebäuden bemerkte Sharbat Dar auch, dass die Menschen politischer wurden. „Sie fordern zum Beispiel, dass die Regierung weiterhin auf die Opfer der Katastrophe achtet, die teilweise immer noch in Notunterkünften leben. Außerdem verändert sich die Region auch im Bereich der erneuerbaren Energien“, sagt sie.
Zum ersten Mal setzte Sharbat Dar alle ihre Kenntnisse aus dem Studium für ihre eigene Forschung ein. „Es war eine tolle Erfahrung, alles anzuwenden. Ich habe so Einblicke in Lebenssituationen anderer Menschen bekommen, die ich sonst nicht erhalten hätte“, sagt sie.
Nach dem Master wird Sharbat Dar an der RUB promovieren. „Auf jeden Fall möchte ich weiter an dem Katastrophenthema dranbleiben. Auch wenn es so ein Nischenthema ist, hat es sehr viele Anknüpfungspunkte“, sagt sie.