Warum ist der Fahrradrahmen gebrochen? Des Rätsels Lösung steckt im Detail – genauer gesagt in der Mikrostruktur des Metalls. 

© Katja Marquard

Wissenschaftskommunikation Auf Spurensuche im Metall

Wie eine Forschungsarbeit in der Materialwissenschaft zur Detektivgeschichte wurde. 

Ein Rennradfahrer stürzt. Der Sieg ist verloren. Aber was war der Grund für den Rahmenbruch, der den Traum vom Sieg zerplatzen ließ? War es ein Strukturfehler im Metall oder doch gezielte Sabotage? Mit diesem fiktiven Fall beschäftigt sich der Kurzfilm des Doktoranden Jan Schmidt und der Doktorandin Ronak Shoghi vom Interdisciplinary Centre For Advanced Materials Simulation (ICAMS) der Ruhr-Universität Bochum.

Die beiden Materialforschenden arbeiten in einer Schlüsseldisziplin. Mithilfe von maschinellem Lernen beschäftigen sie sich mit den Strukturen und Eigenschaften von Materialien und Werkstoffen, insbesondere von Metallen. In der Materialwissenschaft wird an Lösungen für zukunftsweisende Bereiche wie Umweltschutz, Mobilität, Sicherheit und Gesundheit gearbeitet. „Unsere Forschung ist interessant für diejenigen, die wissen wollen, wie Werkstoffe beschaffen sein müssen, um beispielsweise extremen Bedingungen standzuhalten“, sagt Ronak Shoghi. „Das kann extreme Hitze in einem Flugzeugtriebwerk oder, wie in unserem Beispiel die hohe zyklische mechanische Belastung in einem Fahrradrahmen sein.“ Mit ihrem Kurzfilm wollten Ronak Shoghi und Jan Schmidt zeigen, wie nah ihre Forschungsarbeit eigentlich am Leben der Menschen ist. 

Wissenschaft sollte für alle Menschen zugänglich und offen sein. 

— Ronak Shoghi

„Wir glauben, dass Wissenschaft offen und für alle Menschen zugänglich sein sollte. Daher sehen wir uns in der Pflicht, unsere Forschungsergebnisse und unser Wissen an alle Interessierten weiterzugeben“, erklärt Ronak Shoghi, die sich in ihrer Arbeit auf das mechanische Verhalten von Metallen konzentriert. Deshalb haben sie und Jan Schmidt einen Workshop vom Inkubator Materials und dem Materials Research Department (MRD) zum Thema „Videokonzeptentwicklung für die Wissenschaftskommunikation“ besucht. Start-ups sowie Nachwuchsforschende aus der Materialwissenschaft lernten hier von einer Expertin für wissenschaftliches Storytelling, die unter anderem für die ARD arbeitet, wie man Wissenschaft filmisch erzählt.

Die Suche nach der passenden Story

Ähnlich wie in Jan Schmidts und Ronak Shoghis Beispiel mit dem Rätsel um den Fahrradunfall, beginnt gute Wissenschaftskommunikation mit der Suche nach der passenden Story. Die Suche nach der spannenden Kernaussage in der Menge an komplexen Informationen. „Unsere Forschung widmet sich einem hochspezifischen und komplexen Thema“, sagt Jan Schmidt, der das Verhalten von Materialien anhand ihrer Mikrostruktur beschreibt. „Wir wollten lernen, wie wir mit einfachen, präzisen Worten über unsere Forschung sprechen und Interesse bei den Menschen wecken können. “ Eine geeignete Geschichte zu finden, sei dabei die wichtigste und zugleich schwierigste Aufgabe, sind sich beide Forschende einig. Wissenschaftliche Themen, so Ronak Shoghi, seien dadurch nicht nur besser verständlich, sondern blieben auch länger im Gedächtnis. Eine gute Geschichte müsse dabei den gesamten Forschungsprozess abbilden. „Ronak und ich wollten ein Beispiel finden, das jeder nachvollziehen kann. Wir haben uns für Fahrräder entschieden, da vielen Menschen in Deutschland sie in ihrem Alltag nutzen“ erklärt Jan Schmidt.

Der Sinn von Helden und Anti-Helden

Die richtige Geschichte zu finden, sei zwar eine echte Herausforderung gewesen, geholfen habe aber, gemeinsam mit anderen zu überlegen, welche Story-Elemente in der eigenen Forschung stecken. Wer ist der Held? Wer der Anti-Held? Welche Konflikte gibt es, die am Ende wie gelöst werden? Ronak Shoghi und Jan Schmidt finden, Wissenschaftskommunikation helfe nicht nur, Wissen effektiv zu vermitteln, sondern Forschende selbst entwickeln ein besseres Verständnis für ihre eigene Arbeit. „Je häufiger ich mein eigenes Thema erkläre, desto besser verstehe ich es auch selbst“, sagt Ronak Shoghi. „Wenn wir unsere Forschung in einfachen Sätzen ausdrücken können, zeigen wir, dass wir das Thema wirklich durchdrungen haben. Und das sollte das Ziel einer Doktorarbeit sein“, meint auch Jan Schmidt.

Vom Konzept zum Kurzfilm

Ende November 2024 war es dann soweit: Jan Schmidt und Ronak Shoghi durften gemeinsam mit einem professionellen Kamerateam von SyncPhonia die Geschichte in einen fünfminütigen Kurzfilm verwandeln. „Das Videoformat hat uns fasziniert, weil es so viele wissenschaftliche Erklärvideos auf YouTube gibt, die beispielsweise Statistik oder Programmierung erklären. Zu unserem sehr spezifischen Promotionsthema, das ein Zweig der Materialwissenschaft ist, gibt es aber kaum etwas“, sagt Jan Schmidt.

Ronak Shoghi (links) und Jan Schmidt arbeiten am Lehrstuhl für Micromechanical and Macroscopic Modelling von Prof. Dr. Alexander Hartmaier. 

© Katja Marquard

Ronak Shoghi (links) und Jan Schmidt arbeiten am Lehrstuhl für Micromechanical and Macroscopic Modelling von Prof. Dr. Alexander Hartmaier. 

Bereits zwei Tage vor Drehtermin haben die beiden ihre Erklärtexte eingesprochen. Sie seien voller Vorfreude, aber auch ein kleines bisschen nervös. „Selbst als wir die Geschichte gefunden hatten, war der Prozess bis zum Video schwierig. Wir mussten uns überlegen, wie die Szenen genau aussehen sollen. Was wir zeigen und wie wir es erklären wollen. Sogar das Einholen der Drehgenehmigung war aufwendig“, sagt Jan Schmidt. „Mit Sofia Mellino von SyncPhonia hatten wir aber tolle Unterstützung in diesem kreativen Prozess.“

And action!

Gedreht wurde der Film an einem einzigen Tag in knapp sechs Stunden an unterschiedlichen Locations an der Ruhr-Universität Bochum. Am ICAMS wurden Szenen gefilmt, bei der die Forschenden eine numerische Simulation durchführen und die Mikrostruktur des Fahrradrahmens rekonstruieren mussten, um das Rätsel zu lösen. Mit der numerischen Simulation lassen sich physikalische Eigenschaften von Materialien virtuell untersuchen. Eine große Herausforderung war am Ende auch das Timing. Schon bei der Konzeptentwicklung war die erste Geschichte mit acht Minuten statt der angedachten vier Minuten zu lang. „Es war schwer, sich kurzzuhalten“, sagt Jan Schmidt. Am Ende sind die beiden froh über die neue Erfahrung, die sie machen konnten. Sie haben ihre Forschungsarbeit in eine einprägsame Geschichte verwandelt, die für die Menschen verständlich ist.

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Über den Workshop

Der Kurzfilm von Jan Schmidt und Ronak Shoghi ist einer von mehreren Filmen, die als Ergebnis eines Workshops zum Thema Konzeptentwicklung für Videos entstanden sind. Angeboten wurde der Workshop für Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sowie Start-ups. Organisiert wurde er vom Inkubator Materials gemeinsam mit dem Materials Research Department (MRD). Während in der ersten Workshop-Phase ein Drehkonzept entwickelt wurde, konnte jedes Team in der zweiten Phase das Konzept mit professioneller Unterstützung weiterentwickeln und schließlich mit einem Kamerateam umsetzen.

Wissenschaftskommunikation an der RUB

Lust auf Wissenschaftskommunikation bekommen? Interessierte aller Fachrichtungen finden an der Ruhr-Universität Bochum verschiedene Unterstützungsangebote. Erste Anlaufstellen sind:

 

Veröffentlicht

Dienstag
11. Februar 2025
09:34 Uhr

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