Theoretische Physik Wie groß das Neutron ist
Ein Bochumer Forschungsteam hat die Größe von Neutronen auf direkterem Weg als zuvor bestimmt und damit bisherige Annahmen korrigiert.
Die Größe von Neutronen ist nicht direkt messbar: Man kann sie nur aus Experimenten mit anderen Teilchen bestimmen. Während solche Bestimmungen bisher auf alten Messungen mit schweren Atomen auf sehr indirekte Weise vorgenommen wurden, ist ein Team der Theoretischen Physik der RUB einen anderen Weg gegangen. Die Forscher kombinierten ihre sehr genauen Berechnungen mit neueren Messungen an leichten Kernen und kamen so zu einer direkteren Methodik. Ihre Ergebnisse, die deutlich von bisherigen abweichen, beschreiben die Forscher um Prof. Dr. Evgeny Epelbaum in der Zeitschrift „Physical Review Letters“ vom 25. Februar 2020.
Die komplexe innere Struktur der Nukleonen
Neutronen und Protonen, die zusammen als Nukleonen bezeichnet werden, bilden Atomkerne und gehören somit zu den häufigsten Teilchen in unserem Universum. Die Nukleonen selbst bestehen aus stark wechselwirkenden Quarks und Gluonen und besitzen eine komplexe innere Struktur, deren genaues Verständnis Gegenstand aktiver Forschung ist. Eine der grundlegenden Eigenschaften der Nukleonen ist ihre Größe, die durch die Ladungsverteilung bestimmt wird. „Im Inneren gibt es positive und negative Ladungsbereiche, die beim Neutron zusammengenommen Null ergeben“, erklärt Evgeny Epelbaum. „Ihr Radius entspricht der örtlichen Ausdehnung der Ladungsverteilung. Er bestimmt somit die Größe der Neutronen.“
Bisherige Bestimmungen dieser Größe basierten auf Streuexperimenten mit sehr niederenergetischen Neutronen an einer Elektronenhülle von schweren Atomen wie etwa Wismut. „Das ist eine sehr indirekte Methode“, sagt der Bochumer Physiker Dr. Arseniy Filin.
In der aktuellen Arbeit hat die Gruppe zum ersten Mal den Neutronenladungsradius aus den leichtesten Atomkernen bestimmt. „Unsere genaue Vorhersage kombiniert mit hochpräzisen spektroskopischen Messungen ergab einen Wert für den Neutronenradius, der etwa 1,7 Standardabweichungen von den früheren Bestimmungen entfernt ist“, fasst Dr. Vadim Baru vom Helmholtz-Institut für Strahlen- und Kernphysik der Universität Bonn zusammen. Der bisher angenommene Wert für die Größe eines Neutrons müsse also korrigiert werden.