Newsportal - Ruhr-Universität Bochum
Was wir denken, verändert, wie wir etwas fühlen
Wenn wir ernsthaft annehmen, unser Zeigefinger sei fünfmal größer, verbessert sich unsere Tastfähigkeit. Das konnten Forschende der Ruhr-Universität Bochum mit einem Experiment nachweisen, für das die Teilnehmenden professionell hypnotisiert wurden. Wurde ihnen suggeriert, der Zeigefinger sei fünfmal kleiner, verschlechterte sich ihr Tastempfinden entsprechend. Die Studie belegt, dass unsere Gedanken beeinflussen können, wie wir etwas fühlen. Darüber ist die Wissenschaft bislang uneins. Die Forschenden um Privatdozent Dr. Hubert Dinse, Prof. Dr. Albert Newen und Prof. Dr. Martin Tegenthoff berichten in der Zeitschrift Scientific Reports vom 21. April 2023.
Zwei Nadeln fühlen sich an wie eine
Die Forschenden bestimmten das Tastempfinden der 24 Testpersonen mit der Methode der Zwei-Punkt-Diskrimination. Dabei liegt der Zeigefinger entspannt auf einer Apparatur, bei der zwei Nadeln immer wieder den Finger schmerzfrei, aber deutlich berühren. „Wir können dabei zwei Berührungspunkte unterscheiden, wenn die Nadeln weit genug auseinander stehen“, erklärt Hubert Dinse aus der Neurologischen Klinik des Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikums Bergmannsheil. „Dagegen empfinden wir die Berührung nur an einer Stelle, wenn die Nadeln sehr eng beieinanderstehen.“ Bei einem bestimmten Abstand der Nadeln wechselt die Empfindung vom Spüren von zwei zum Spüren von nur einer Berührung. Diese Empfindungsgrenze ist für jede Person unter normalen Bedingungen stabil.
Wenn der Finger fünfmal größer wäre
„Wir wollten wissen, ob man diese Empfindungsgrenze verändern kann, indem man bei einer Person einen sprachlich formulierten Gedanken aktiviert“, erläutert Albert Newen vom Institut für Philosophie II der Ruhr-Universität Bochum. Das Forschungsteam wählte zwei Gedankeninhalte: „Stellen Sie sich vor, Ihr Zeigfinger ist fünfmal kleiner“ und „Stellen Sie sich vor, Ihr Zeigefinger ist fünfmal größer.“ Um diese Denkinhalte gezielt zu aktivieren, verwendeten die Forschenden die Methode der hypnotischen Suggestion. Während eines kontrollierten Zustands der Hypnose durch einen professionellen Hypnotiseur wurde die Testperson gebeten, für eine Testreihe die erste Überzeugung und später dann die zweite ernsthaft anzunehmen.
Die Testpersonen nahmen insgesamt an vier Experimenten teil, um jeweils die Empfindungsgrenze zu ermitteln: Unter normalem Alltagsbewusstsein, unter Hypnose ohne Suggestion sowie unter Hypnose mit Suggestion der jeweils ersten oder zweiten Überzeugung.
Berührungsempfinden verändert sich
„Normales Bewusstsein und Hypnose ohne Suggestion führte zu keinem Unterschied in der Empfindungsgrenze. Dies belegt unsere Vorannahme, dass Hypnose allein keine Veränderung erzeugt“, berichtet Martin Tegenthoff. „Führt man aber unter Hypnose die Überzeugungen als Suggestionen ein, lässt sich eine systematische Veränderung der Empfindungsgrenze beobachten.“
11. Mai 2023
09.39 Uhr