IT-SICHERHEIT Atomwaffenbestände mit Funkwellen überwachen
Ob Staaten sich an Abrüstungsverträge halten, ist nicht leicht zu kontrollieren. Wie das von Ferne mithilfe von zwei Antennen und einigen Spiegeln gelingen könnte, hat ein internationales Team erforscht.
Ein internationales Forschungsteam hat ein neues Verfahren vorgeschlagen, mit dem sich Atomwaffenabrüstungsverträge kontrollieren lassen können. Die IT-Sicherheitsexperten entwickelten einen Mechanismus, der mittels Funkwellen von Ferne überwachen kann, ob Veränderungen in einem Raum vorgenommen werden. Wie robust und sicher es ist, beschreiben die Forscher in der Zeitschrift „Nature Communications“, online veröffentlicht am 17. Oktober 2023. Bei der Entwicklung kooperierten Teams des Max-Planck-Instituts für Sicherheit und Privatsphäre (MPI-SP) in Bochum, der Ruhr-Universität Bochum, der School of Public and International Affairs at Princeton University, der University of Connecticut, der Harvard University sowie der PHYSEC GmbH und der Technischen Universität Berlin.
Die Forscher gingen bei ihrer Arbeit von einem Szenario aus, bei dem Staat A sicherstellen möchte, dass es im Atomwaffenlager von Staat B keine Veränderungen gibt – und zwar ohne permanent vor Ort zu kontrollieren. Eine große Gefahr besteht insbesondere durch die Entfernung eingelagerter Nuklearsprengköpfe, um sie für den Einsatz vorzubereiten.
„Unser System nutzt zwei Antennen, um einen Funkfingerabdruck des Raums zu messen“, erklärt Dr. Johannes Tobisch, der zu diesem Thema im Exzellenzcluster CASA an der Ruhr-Universität Bochum und am MPI promoviert hat und mittlerweile in der Industrie tätig ist. Eine der Antennen sendet ein Funksignal aus, das an den Wänden und Gegenständen des Raums reflektiert wird. Die andere Antenne zeichnet das Signal auf. Das gemessene Signal ist charakteristisch: Würde man die Gegenstände nur minimal verschieben, würde das den Funkfingerabdruck merklich verändern. Größere Änderungen wie das Entfernen eines eingelagerten Nuklearsprengkopfes können so zuverlässig erkannt werden.
Spiegel als Sicherheitsgarantie
Dieses Verfahren kann jedoch nur funktionieren, wenn Staat B den Funkfingerabdruck zu dem Zeitpunkt vermisst, zu dem Staat A ihn anfordert. Es gilt also zu verhindern, dass Staat B den Funkfingerabdruck aufzeichnet und die Aufzeichnung anstelle eines frisch gemessenen Signals schickt. „Das wäre sonst so, als ob jemand ein Bild vor eine Überwachungskamera kleben würde“, vergleicht Johannes Tobisch.
Daher wird zu Beginn einmalig ein Aufbau mit 20 drehbaren Spiegeln in dem zu überwachenden Raum installiert. Verändert sich die Position der Spiegel, verändert sich auch der Funkfingerabdruck. Staat A würde bei einem einmaligen Vor-Ort-Termin die Funkfingerabdrücke für verschiedene Spiegelstellungen aufzeichnen und in einer geheimen Datenbank speichern. In regelmäßigen Abständen könnte Staat A Staat B von Ferne auffordern, den Funkfingerabdruck für eine bestimmte Spiegelstellung zu schicken – und die gemessenen Daten mit der Aufzeichnung in der geheimen Datenbank vergleichen. Stimmen diese nicht überein, muss es eine Veränderung in dem Raum gegeben haben.
Set-up im Praxistest
Um die Idee zu überprüfen, bauten die Forscher auf dem Campus der Ruhr-Universität Bochum einen Container mit verschiebbaren Fässern auf, den sie mit der Funkwellentechnik überwachten. Sie zeigten anhand dieses Set-ups, dass sich die Funkfingerabdrücke für einzelne Spiegeleinstellungen zuverlässig reproduzieren ließen. Verschiedene Spiegelstellungen erzeugten zudem eine Vielfalt an gut zu unterscheidenden Funkfingerabdrücken. Bewegten die Forscher eines der Fässer in dem Container, reichten wenige Millimeter Verschiebung aus, um im Funkfingerabdruck sichtbar zu werden.