
Universitätsallianz Ruhr Mercur beflügelt
Ganz selbstverständlich am Nachbarstandort schauen, ob sich ein Forschungsproblem mit Partnern vielleicht besser lösen lässt – im Ruhrgebiet Realität.
Das 2010 gegründete Mercator Research Center Ruhr, kurz Mercur, unterstützt das Zusammenwachsen der drei Universitäten der Universitätsallianz Ruhr (UA Ruhr), in dem es gemeinsame Vorhaben in Forschung, Lehre und Verwaltung fördert. Sein Gründungsdirektor ist der emeritierte Historiker Prof. Dr. Winfried Schulze, der 1998 bis 2001 Vorsitzender des Wissenschaftsrats war.
Herr Schulze, die UA Ruhr gehört zu den großen strategischen Universitätsverbünden Deutschlands. Welche Chancen und Risiken liegen in solchen Zusammenschlüssen?
Universitätsverbünde sind eine relativ neue Erscheinung in der bundesrepublikanischen Hochschulpolitik. Lange Jahre wurde vor allem über die Zusammenarbeit innerhalb der außeruniversitären Forschung und die Kooperation zwischen außeruniversitären Einrichtungen und Universitäten gesprochen. Schon in den ersten Runden der Exzellenzinitiative ergaben sich jedoch neue Konstellationen, weil einige Universitäten erkannten, dass wettbewerbsfähige Cluster nur im Zusammenwirken benachbarter Hochschulen zu realisieren waren.
Die Berliner Universitäten haben in der jetzt laufenden Vorbereitung der Exzellenz-Strategie daraus die Konsequenz gezogen und treten durchgehend in Verbundformen an, unsere Universitäten verfolgen eine ähnliche Strategie. Der Zusammenschluss der Universitäten des Ruhrgebiets im Jahre 2007 lag deshalb nahe, weil hier in in direkter Nähe zueinander liegenden Einrichtungen nicht nur Erleichterungen für Studierende, sondern auch neue Chancen in der Forschung aufgebaut werden können.
Ich würde die Risiken als minimal bezeichnen.
Die moderne Forschung gerade in den kostspieligen Bereichen der Natur-, Ingenieur-, und Lebenswissenschaften kann in hohem Maße von der Bündelung bestehender personeller und sachlicher Ressourcen profitieren. Sie wird damit im nationalen und internationalen Wettbewerb besser bestehen können. Es kommt hinzu, dass auch die Kooperation bei gemeinsamen Studiengängen, Graduiertenkollegs und Research Schools zur Betreuung von Doktoranden und Postdoktoranden erhebliche Gewinne verspricht.
Ich würde die Risiken als minimal bezeichnen, wenn sich die entwickelnden Kooperationen in das Governance-System der Hochschulen einfügen, zudem bietet das NRW-Hochschulgesetz die Bildung gemeinsamer Einrichtungen an. Schlimm wäre es allerdings, wenn Verbünde als Grundlage für Stellenkürzungen missbraucht würden.
Was hat Mercur bereits erreicht, und wie messen Sie den Erfolg?
Zunächst einmal muss man feststellen, dass seit der Gründung von Mercur 2010 bis 2020 rund 46,5 Millionen Euro zusätzlich in unsere Universitäten geflossen sein werden, das sind neben den Mitteln der Stiftung Mercator auch Landesmittel in Höhe von 2,5 Millionen Euro. Angesichts der Gesamthaushalte scheint das nicht viel zu sein, aber die Förderung durch Mercur war immer als Unterstützung für größere Projekte angelegt, unser Geld sollte eine Hebelwirkung entfalten.
Bislang wurden damit etwa 215 Projekte in allen unseren Förderlinien gefördert, von der überschaubaren Anschubfinanzierung für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, über die Projekte, die der Vorbereitung einer Forschergruppe oder eines Sonderforschungsbereichs dienen, bis hin zu den drei UA-Ruhr-Professuren, die in bestimmten strategisch wichtigen Bereichen die Kooperation vorantreiben sollen, oder der Unterstützung für gemeinsame Masterstudiengänge und Graduiertenkollegs.
Wir wollen dabei aber nicht stehen bleiben.
Bei allen Förderformaten ist es immer unsere Absicht, sehr gute Forschung dann zu unterstützen, wenn sie zur engeren Verbindung der drei Universitäten führt und damit die Leistungsfähigkeit des Wissenschaftsraums Ruhr stärkt. Mit zu dem, was erreicht wurde, zähle ich auch die Einrichtung eines gemeinsamen Forschungsrats der drei Universitäten, der sich um die Entwicklung von gemeinsamen Profilschwerpunkten und Kompetenzfeldern kümmert.
Wir wollen dabei aber nicht stehen bleiben und die Universitäten weiter in ihrer Zusammenarbeit unterstützen. So haben wir beispielsweise Anfang 2017 Programme gestartet, mit denen wir auch Kooperationen der Verwaltungen der UA-Ruhr-Universitäten fördern. Im Juni starteten wir zudem das Dual-Career-Netzwerk Ruhr, das die Hochschulen in Berufungsverhandlungen unterstützen wird.
Wie misst man den Erfolg? Da Auswertungen der Zahl und der Güte von Publikationen noch fehlen, schauen wir sehr genau darauf, welche zusätzlichen Effekte unsere Fördermittel bewirken, also vor allem Mittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Europäischen Union, aber auch anderer Geldgeber. Aber unabhängig von den eingeworbenen Summen, die ja nicht das eigentliche Ziel von Wissenschaft sind, freue ich mich vor allem über die wachsende Selbstverständlichkeit, mit der die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf den Nachbarstandort schauen, ob dort nicht Partner zu gewinnen sind, mit denen man ein Problem besser lösen kann als alleine. Das ist das eigentliche Ziel von Wissenschaft! Immerhin haben seit Bestehen von Mercur weit über 1.000 Wissenschaftler über 800 Projekte in den verschiedenen Kategorien eingereicht, das belegt das hohe Interesse an unserer Förderung.
Gleich zu Beginn machte Mercur mit einem ganz neuen Konzept von Nachwuchsförderung auf sich aufmerksam, der Global Young Faculty. Hat sich dieser Schritt gelohnt?
Ich bin überzeugt davon, dass sich dieser Schritt wirklich gelohnt hat. Wissenschaft ist heute in hohem Maße darauf angewiesen, dass gerade junge Wissenschaftler früh lernen, über ihre eigenen, meist eng begrenzten fachlichen Felder hinauszuschauen, Anregungen anderer Fächer aufzunehmen und dies als Teil einer offenen Wissenschaftskultur als ganz selbstverständlich zu verstehen. Wir wollen jetzt auch junge Vertreter der Wirtschaft in die Global Young Faculty einladen, davon können beide Seiten profitieren.
Zu dieser Grundhaltung der Offenheit trägt die Global Young Faculty ganz wesentlich bei, sie soll zudem zeigen, dass der wissenschaftliche Nachwuchs hier im Ruhrgebiet besonders gute Chancen hat, die sich von anderen Zentren positiv abheben. Zudem sorgen die Reisemittel aller Mitglieder der Global Young Faculty dafür, dass neue fachliche Kontakte zu internationalen Kollegen und Einrichtungen aufgebaut werden können. Wie kann man junge Wissenschaftler besser unterstützen als auf diese Weise?