Sultanaliev taught kickboxing classes for many years in the Caspo halls in the background. © Michael Schwettmann

Integration durch Sport „Wenn ich eine Pflanze gieße, erwarte ich, dass sie wächst.“

Er sprach nur wenig Deutsch, als er sein Studium an der Ruhr-Uni begann. Dank des Sports kam Koshoi Sultanaliev dennoch schnell an.

Als er nach Bochum gekommen ist, sei es manchmal schwer für ihn gewesen, schreibt Koshoi Sultanaliev in einer langen Danke-E-Mail an den Hochschulsport Bochum. Doch im Sport habe das keine Rolle gespielt und so fand er Freunde und lernte die Sprache.

Koshoi Sultanaliev kam zunächst für den Bachelor aus seiner Heimat Kirgisistan an die Ruhr-Universität. Aktuell studiert er im Master an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft und arbeitet in der Unternehmensberatung.

Emotionale Mail

Fast neun Jahre lang war der Kampfsportler Übungsleiter beim Hochschulsport Bochum. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, was ihn zu zum Hochschulsport gebracht hat und was seine ehemaligen Kursteilnehmenden wohl immer von ihm in Erinnerung behalten werden.

Du hast dem Hochschulsport Bochum vor Kurzem eine emotionale Mail geschrieben. Wie kam es dazu?
Koshoi Sultanaliev: Ich habe einfach eine Dankbarkeit gespürt. Und nur Danke zu sagen, war mir zu wenig. Ich konnte meine emotionale Verbundenheit und Dankbarkeit nur so mitteilen. Mit dem Brief konnte ich ausdrücken, wie wichtig es für mich war, Teil des Hochschulsports zu sein.

Auszüge aus der Mail an den Hochschulsport

„Es ist lange her, aber ich kann mich noch sehr gut an mein erstes Gespräch mit Christian Sendes erinnern. […] Ich hatte mich als Kickboxtrainer beworben, sprach aber noch schlecht Deutsch, und um Christian zu überzeugen, sagte ich: ‚Ich kann nicht so gut Deutsch sprechen, aber dafür viel besser Boxen.‘

Seitdem ist der Hochschulsport gewachsen und ich wuchs mit ihm. Die Kurse und die Tätigkeit als Übungsleiter haben mir geholfen, mich persönlich weiterzuentwickeln. […]

Als ich nach Deutschland kam, war es für mich ein fremdes Land mit einer fremden Kultur und fremden Menschen, einer fremden Sprache, und dementsprechend fühlte ich mich auch wie ein Fremder, und manchmal war es einfach schwer für mich.

Aber der Kursraum im Hochschulsport ist für mich zu einem Wohlfühlort geworden, wo ich trotz mangelnder Deutschkenntnisse ein Teil der Gruppe und ein Teil der Gesellschaft war, weil wir alle eine gemeinsame Sprache hatten, nämlich Sport.

Hier konnte ich Kontakte knüpfen, meine Deutschkenntnisse verbessern und Freunde finden. Ich würde es nicht übertreiben, wenn ich sage, dass die Kurse im Hochschulsport zu meiner Integration beigetragen haben.“

Was führte dich zum Hochschulsport als du vor etwa neun Jahren an die RUB gekommen bist?
Sultanaliev: Ich bin mit einem ausländischen Studentenvisum aus Kirgisistan nach Deutschland gekommen. Eine Bedingung des Visums war, dass ich nur maximal 20 Stunden pro Woche arbeiten darf. Das war für mich zu wenig, um über die Runden zu kommen.

Eine Freundin hat mich auf den Hochschulsport hingewiesen und ich habe erfahren, dass die Honorartätigkeit dort nicht zu den maximal 20 Stunden gezählt wird.

In der Sporthalle braucht man keine Wörter.


Koshoi Sultanaliev

Ich mache seit der ersten Klasse Kampfsport. Bis zur fünften Klasse habe ich Taekwondo gekämpft. Hier in Bochum habe ich beim PSV Bochum geboxt und bin auch auf einigen Turnieren angetreten.

Was war für dich das Besondere an der Arbeit als Übungsleitender beim Hochschulsport?
Sultanaliev: Dass hier die Kommunikation nicht unbedingt mit Wörtern geschehen muss, sondern über die Interaktion mit den Studierenden. Ich konnte am Anfang noch nicht so gut Deutsch.

In der Sporthalle braucht man aber auch keine Wörter und wir waren allen gleich, unabhängig von unseren Sprachkenntnissen.

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Was, glaubst du, werden deine Kursteilnehmenden immer von dir in Erinnerung behalten?
Sultanaliev: Ich weiß es ziemlich genau, weil sie mir ein passendes Abschiedsgeschenk gemacht haben: eine Pflanze.

Ich habe in meinem Kurs ab und zu gesagt: „Wenn ich eine Pflanze gieße, erwarte ich, dass die Pflanze auch wächst.“ Ich habe die Teilnehmenden gebeten, dass sie am nächsten Morgen nach den Kursen immer nochmal kurz an das denken sollen, was sie im Kurs gelernt haben.

Mir macht es mehr Spaß, wenn ich sie wachsen sehe. Ich finde, es ist verlorene Energie, wenn sie im Kurs nur schwitzen. Sie sollten auch lernen und sich entwickeln.

Ich habe mich immer gefreut, wenn ich jemanden gesehen habe, der sich entwickelt. Die habe ich dann besonders gefördert.

Christian Sendes is head of recreational sports and the course programme at the Bochum University Sports Department. © RUB, Kramer

Kurzinterview mit Christian Sendes

Welche Rolle spielen Übungsleitende wir Koshoi für den Hochschulsport?
Christian Sendes: Die Übungsleitenden und Trainer*innen sind für mich ein ganz zentraler Baustein im Hochschulsport. Sie sind das Gesicht des Hochschulsports.

Mir war schon sehr schnell bei dem Kennenlerngespräch mit Koshoi klar, dass er super in das Team der Übungsleitenden passen würde. Neben seiner sehr guten Qualifikation war es insbesondere seine Art und wie er von sich und seiner Idee von Sport erzählt hat, was mich überzeugt hat.

Die zu der Zeit noch nicht so guten Deutschkenntnisse habe ich nie als Problem angesehen, denn wir haben schon immer Kurse angeboten, in denen die Übungsleitenden zum Beispiel auf Englisch unterrichtet haben.

Außerdem ist gemeinsames (Hochschul-)Sport treiben ja gerade ein Ort an dem fehlende Sprachkenntnisse in den Hintergrund treten und wo sich Übungsleitende und Teilnehmende gegenseitig unterstützen können.

Die Pandemie war auch für den Hochschulsport eine herausfordernde Zeit. Ist mittlerweile wieder alles beim Alten?
Sendes: Corona war tatsächlich die größte Herausforderung, die ich in meinen Jahren im Hochschulsport miterlebt habe.

Wir haben als Hochschulsport auch in dieser Zeit versucht, den Kopf nicht in den Sand zu stecken und begonnen zuerst ein reines Online-Programm auf die Beine zu stellen, später dann auch wieder Kurse mit viel Abstand, immer gemäß den Vorgaben der Corona-Schutzverordnungen.

Damit konnten wir natürlich nie alle Themen abdecken, die den Hochschulsport eigentlich ausmachen. Das soziale Miteinander während des Sports, aber auch davor und danach war nur sehr eingeschränkt möglich.

Semester mit den meisten Teilnehmenden überhaupt

Umso schöner ist es jetzt, dass der Hochschulsportbetrieb wieder ohne Einschränkungen stattfinden kann und wir es geschafft haben, in sehr kurzer Zeit, das Angebot wieder auf das Niveau von vor Corona hochzufahren.

Wahrscheinlich werden wir am Ende des Sommersemesters sogar das Programm mit der höchsten Anzahl an Teilnehmenden überhaupt organisiert haben.

Wenn man dazu noch die vielen Einträge von Interessierten auf den Wartelisten nimmt, die leider keinen Platz in ihrem Wunschkurs mehr bekommen haben, dann wird deutlich, wie sehr sich alle danach gesehnt haben, wieder gemeinsam Sport zu treiben.

Veröffentlicht

Mittwoch
21. Juni 2023
10:38 Uhr

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