Ostasienwissenschaften Felix Siegmund erforscht die Sprache Hanmun
Der Ostasien-Experte möchte die vormoderne Schriftsprache Koreas grundlegend verstehen und für die Lehre aufbereiten.
Hanmun – das klingt in den Ohren von Laien nach einer orchideenhaften Sprache. Weit gefehlt. „Hanmun ist die koreanische Version der vormodernen chinesischen Schriftsprache, die in China, Japan, Vietnam und Korea in den vergangenen 2.000 Jahren vorherrschte. Es existieren riesige Mengen an überlieferter Literatur“, weiß Felix Siegmund. Siegmund besetzt seit Juni 2023 die Professur für vormoderne koreanische Philologie an der Fakultät für Ostasienwissenschaften. Im Forschungsprojekt „Hanmun Lab“, gefördert von der VolkswagenStiftung, wird er in den nächsten sechs Jahren zunächst zu dieser Varietät der chinesischen Schriftsprache und all ihren Besonderheiten forschen. Gemeinsam mit Prof. Dr. Marion Eggert und Prof. Dr. Jörg Plassen, die das Hanmun-Projekt leiten, wird Siegmund ein internationales Forschungsnetzwerk mit Wissenschaftler*innen aus Europa, Nordamerika und Asien aufbauen.
„Hanmun hat die Schriftkultur in Korea bis weit ins 20. Jahrhundert dominiert“, begründet Siegmund sein Forschungsinteresse. Hanmun sei die zentrale Verwaltungssprache in Korea gewesen. Noch heute habe es starken Einfluss auf das Koreanisch der Gegenwart. „Das kann man etwa mit dem Einfluss von Latein auf unsere deutsche Sprache vergleichen“, so Siegmund. Wenn gleich der Einfluss anteilig noch viel höher sei: Mehr als die Hälfte des heutigen koreanischen Wortschatzes gehe auf Hanmun zurück. Nicht nur deshalb sei es so bedeutsam, Hanmun als besondere Varietät des Chinesischen zu studieren. „Wir wollen die Vielfalt der Sprachlichkeit in Ostasienwissenschaften sichtbar machen“, betont Siegmund.
Grundlagenforschung leisten
Die Koreanistik und insbesondere die Erforschung des Hanmun ist ein vergleichsweise junges Forschungsfeld. „In Europa beschäftigt man sich damit seit rund 100 Jahren“, weiß Siegmund. Obgleich das Fach riesige Fortschritte gemacht hat, liegt noch viel Grundlagenarbeit vor den Forschenden. „Man kann sich geradezu austoben, wofür die Sektion Sprache und Literatur Koreas unter Leitung von Marion Eggert ein hervorragender Ort ist.“
Es gibt noch viele unerforschte Texte.
Felix Siegmund
Es gibt noch viele unerforschte Texte, etwa im Bereich der praktischen Literatur, der Militärliteratur oder Agrarliteratur“, so der Hanmun-Experte. Er wolle sich in der nächsten Zeit vor allem mit der Erstellung eines Lehrwerks für Hanmun beschäftigten. Darüber hinaus will Siegmund sich Gebrauchs- und Verwaltungstexten sowie philosophischen Texten zuwenden, den Zusammenhang zwischen Stil und Grammatik untersuchen und dabei ein Augenmerk auf die jeweilige Rezeption und Kommentarliteratur legen. Bei der qualitativen und quantitativen Textanalyse werden Methoden der Digital Humanities zum Einsatz kommen. Siegmund arbeitet hierbei eng mit den Projektpartner*innen aus den Religionen Ostasiens zusammen, die dafür unmittelbar relevante Methoden entwickeln. Die koreanischen Texte sollen zudem, in Zusammenarbeit mit der Sinologie, in die riesige Textdatenbank Thesaurus Linguae Sericae (TLS) eingespeist werden.
Lehrmaterialien erstellen
Der Korea-Experte sieht sich an der Schnittstelle zwischen Forschung und Lehre, möchte gleichzeitig forschen und vermitteln. „Bochum ist einer der wenigen Standorte im Westen, wo Hanmun gelehrt wird und verpflichtend für alle Studierenden ist“, so Siegmund. Dieses Angebot wolle man ausweiten.
Wir möchten Bochum zu einem internationalen Zentrum für Hanmun ausbauen.
Felix Siegmund
„Wir möchten Bochum zu einem internationalen Zentrum für Hanmun ausbauen, in dem wir hier nicht nur Hanmun unterrichten, sondern auch Lehrmaterialen auf Englisch erstellen, um sie einer breiten Leserschaft anzubieten“, führt Siegmund aus. In einem ersten Schritt möchte der Wissenschaftler eine Schulgrammatik für Hanmun verfassen. „Die Lehrmaterialien, die es zu Hanmun gibt, gehen von Koreanisch-Muttersprachler*innen aus. Das ist für unsere Studierenden nicht geeignet“, so Siegmund. Die Lehrmaterialien sollen dabei nicht ausschließlich in Form eines Lehrbuches erscheinen: „Wir möchten konkret e-learning- und self-learning-Tools anbieten. Ich hoffe, dass wir so Hanmun für unsere Studierenden und andere Interessierte schmackhaft machen.“