Serie Neu ernannt
Renate Hartwig ist seit 2024 Professorin für empirische Entwicklungsökonomie an der Ruhr-Universität Bochum. © RUB, Marquard

Wirtschaftswissenschaft Renate Hartwig sucht Wege aus dem Datenvakuum

Ob Bevölkerungsdynamiken, Heiratsmarkt oder Antibiotikakonsum: Die Forscherin arbeitet an der Datengrundlage für fundamentale Fragen im globalen Süden, die uns alle betreffen.

Wenn es zwei Begriffe gibt, die die Forschung von Renate Hartwig treffend beschreiben, dann: international und fachübergreifend. Die Forscherin arbeitet an der Schnittstelle von Familienökonomie, Gesundheitsfragen, politischer Ökonomie und Demografie. Sie selbst hat einen sehr stark internationalen Hintergrund, als Teil der Leibniz-Gemeinschaft ist sie bestens vernetzt. An der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft der Ruhr-Universität Bochum hat sie seit Anfang 2024 die Professur für empirische Entwicklungsökonomie mit einem Fokus auf die Mikroökonomie inne. Nach dem „Jülicher Modell“ forscht sie zugleich im Economic Policy Lab „Klimawandel, Entwicklung und Migration“ am RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen.

Zur Person

Renate Hartwig kommt aus Göttingen, wo sie seit 2019 Juniorprofessorin für Entwicklungsökonomie war, ins Ruhrgebiet. Ihr Studium war sehr international ausgerichtet. Sie hat an der School of Oriental and African Studies in London Entwicklungsökonomie studiert. Am International Institute of Social Studies in Den Haag folgte ein Master in Development Studies und in Schweden, an der Uni Lund noch ein Master in Demografie. Promoviert hat sie im Jahr 2014 in Rotterdam an der Erasmus-Universität. Auch ihre Postdoc-Zeit hat sie außerhalb Deutschlands verbracht – in Belgien und in den USA an der Northwestern University in Chicago.

In der Forschung befasst sich Hartwig insbesondere mit Fragen zu Bevölkerungsdynamiken, vor allem Bevölkerungswachstum im globalen Süden. Ihr geografischer Fokus liegt auf der Subsahara, vor allem Westafrika. „Das ist meine Kernregion, in der die meisten meiner Projekte verankert sind, da stelle ich zum Teil ganz exotische Fragen“, so Hartwig. Zu diesen Fragen gehören unter anderem:

  • die Vielehe und die Frage, inwieweit Polygamie zu Frustration gerade von jungen Männern führt – sowie ob und wie weit dies verantwortlich ist für Konflikte und die Instabilität in der Sahelregion;
  • der Heiratsmarkt und die Frage: Wer heiratet wen? Hier geht es darum, inwieweit der Heiratsmarkt dort ein verstärkender und verschärfender Faktor von Ungleichheit ist;
  • Antibiotikakonsum und die Frage, welche Auswirkungen frei verfügbare Antibiotika – teils von minderer Qualität – auch auf uns in der westlichen Welt haben, bis hin zu Antibiotikaresistenzen.

Der springende Punkt bei all ihren Themen, mögen sie noch so exotisch klingen, sind die nicht vorhandenen Daten und die fehlende Evidenz. Da ist speziell der Gebrauch und Konsum von Antibiotika ein gutes Beispiel: In dem Leibniz-Verbundprojekt „INFECTIONS in an Urbanizing World – Humans, Animals, Environments“ arbeiten Mikrobiologen, Mediziner, Epidemiologen, Bioinformatiker, Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler interdisziplinär zusammen.

Aus einer Pandemie kommend stehen wir gerade am Kipppunkt zur nächsten.

„Wir machen da sehr viel Grundlagenforschung, um überhaupt erst einmal quantifizieren zu können: Wie groß ist denn dieses Problem? In einem zweiten Schritt wird es dann tatsächlich verstärkt darum gehen, was man tun kann“, erläutert Hartwig. „Die Zeit drängt allerdings, denn: Aus einer Pandemie kommend stehen wir gerade am Kipppunkt zur nächsten. Die Resistenzen beziehungsweise deren Verbreitung wird wahrscheinlich ein großes Thema sein, das uns noch beschäftigen wird. Wir hoffen nicht in dem Maße wie Corona, aber sie nehmen einfach sehr stark zu.“

Immer wieder sucht die Forscherin in ihren Kooperationsprojekten Wege aus dem „Datenvakuum“, wie sie es nennt. „Es gibt viele Daten, die sporadisch vorgehalten werden. Wir haben aber sehr wenig Überblicksdaten, und in dem Kontext, in dem wir arbeiten – im globalen Süden – kaum eine Datengrundlage. Erst wenn die vorhanden ist, lässt sich ein Problem richtig bewerten – und auf dieser Basis wiederum können wir die Politik angemessen beraten.“

Veröffentlicht

Mittwoch
21. Februar 2024
09:45 Uhr

Teilen