Ausstellung Care-Arbeit in der Kunst seit 1960
Und was das Kunstgeschichtliche Institut der Ruhr-Universität damit zu tun hat.
Vom 22. Oktober 2023 bis zum 3. März 2024 ist im Josef Albers Museum Quadrat in Bottrop die Ausstellung „Kochen Putzen Sorge. Care-Arbeit in der Kunst seit 1960“ zu sehen. Sie entstand in enger Kooperation mit dem Kunstgeschichtlichen Institut der Ruhr-Universität. Im Interview erläutern die drei beteiligten Wissenschaftlerinnen, Dr. Friederike Sigler, Prof. Dr. Änne Söll und Tonia Andresen, die Hintergründe der Kooperation.
Welche Rolle spielt das KGI bei der aktuellen Ausstellung in Bottrop?
Die Ausstellung basiert auf den Ergebnissen des DFG-Forschungsprojekts „Putzen, Kochen, Sorgen. Care-Arbeit in der Kunst in West- und Osteuropa, Lateinamerika und den USA“, an dem wir seit Anfang 2022 zu dritt, Friederike Sigler, Änne Söll und Tonia Andresen, arbeiten. Änne Söll hat das Projekt 2021 als Beitrag zu einem neuen Forschungsschwerpunkt des Kunstgeschichtlichen Instituts initiiert, Work Matters, für den sämtliche Mitglieder des Instituts aus unterschiedlichen historischen und medialen Perspektiven zu Arbeit forschen. Es reicht vom mittelalterlichen Buchdruck über Verwaltungsarchitekturen des frühen 20. Jahrhunderts bis zur Aneignung industrieller Produktionsweisen in der zeitgenössischen Kunst.
In der Ausstellungsgeschichte gab es bisher keine vergleichbaren Überblicksprojekte.
Schon bei den ersten Recherchen zu unserem Projekt hatten wir den Eindruck, dass sich die Ergebnisse unserer Forschung als Ausstellung eignen würden. Das liegt daran, dass wir mit unserer Forschung erstmals eine sehr breite und globale Auswahl an Kunstwerken zum Thema zusammengestellt haben und damit auch den bisher regional und methodisch oft einseitigen Diskurs maßgeblich erweitern. Auch in der Ausstellungsgeschichte gab es bisher keine vergleichbaren Überblicksprojekte. Mit dem Josef Albers Museum Quadrat in Bottrop haben wir dann einen geeigneten Kooperationspartner gefunden für eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Gemeinsam mit der Direktorin Linda Walther und der Forschungsvolontärin Monja Droßmann haben wir das Ausstellungskonzept entwickelt und schließlich ebenfalls gemeinsam die Ausstellung kuratiert.
Die Öffentlichkeit nimmt den Anteil des KGI kaum wahr. Wie kommt das?
Tatsächlich wird unsere Forschung wie auch unser kuratorischer Beitrag nur selten erwähnt. Das liegt wahrscheinlich daran, dass die meisten sich unter einer Zusammenarbeit zwischen universitärer Forschung und Museum nur wenig vorstellen können. Dabei ist das ganz einfach. Denn in unserem Fall haben wir uns alle Arbeitsschritte von der Kontaktaufnahme zu den Künstlerinnen über die Strukturierung in den Ausstellungsräumen bis zum Aufbau geteilt. Klar, manche Arbeiten kann natürlich nur das Museum machen, wie zum Beispiel die Leihverträge ausstellen. Dafür haben wir zum Beispiel die Saaltexte geschrieben und auch den Katalog konzipiert. So ist ein wirklich einzigartiges Projekt entstanden, von dem wir beide profitieren. Für uns ist dabei besonders schön, dass wir unsere akademische Forschung einem breiten Publikum zugänglich machen können.
Unsere Forschung und deshalb auch die Ausstellung leisten Pionierarbeit.
Was ist in Bottrop zu sehen und warum sollten Menschen sich die Ausstellung ansehen?
In unserer Forschung haben wir herausgefunden, dass sich Künstlerinnen an sehr vielen Orten der Welt seit den 1960er-Jahren intensiv mit Care-Arbeit beschäftigen und dabei die Mechanismen und Politiken sichtbar machen, die diese meist von Frauen ausgeführte Arbeit systematisch abwerten. In der Ausstellung sind diese Werke nun erstmals für die breite Öffentlichkeit zugänglich. Unsere Forschung und deshalb auch die Ausstellung leisten da tatsächlich Pionierarbeit. Die Auswahl von über 70 Werken von 40 Künstlerinnen demonstriert sehr deutlich, wie vielfältig die Beschäftigung sein kann. Das betrifft inhaltliche Fragen. Wir zeigen zum Beispiel Künstlerinnen, die den Mythos um die „Arbeit aus Liebe“ dekonstruieren, aber auch viele, die sich mit den Machtverhältnissen um Care-Arbeit beschäftigen und die vom Privaten bis zu den Arbeitsrechten von migrantischen Pflegekräften reichen. Das betrifft aber auch die Medien und Techniken. Denn die Künstlerinnen, die oft selbst von Benachteiligungen durch ihre Doppelrolle als Kunst- und Care-Arbeiterinnen betroffen sind, entwickeln sehr unterschiedliche künstlerische Praktiken, um die Komplexitäten der Arbeit sichtbar zu machen.
Viele Künstlerinnen interessieren sich zum Beispiel für Medien wie Fernsehen und Zeitschriften, die in den 1960er- und 1970er-Jahren stark zum Bild einer vermeintlich immer glücklichen und zufriedenen Hausfrau beigetragen haben, und konterkarieren das etwa mit einer Persiflage auf Kochshows oder Bildern dreckiger und körperlich strapaziöser Haus- und Sorgearbeit. Andere Künstlerinnen setzen darauf, die Objektwerdung der Frau in der Küche durch Performances sichtbar zu machen oder entwickeln widerständige künstlerische Praktiken. In Italien haben zum Beispiel einige Künstlerinnen als Teil der Lohn-für-Hausarbeit-Kampagne Streikobjekte hergestellt wie einen mit Stacheldraht verschlossenen Kochtopf.
Sie merken, die Werke in der Ausstellung sind sehr unterschiedlich und sehr vielfältig und begegnen Care-Arbeit sowohl auf ernste als auch häufig auf sehr humoristische Weise. Man erhält also einen Rundumblick auf Werke von den 1960er-Jahren bis heute, wird in verschiedene regionale Diskurse eingeführt, von BRD und DDR über Japan bis Südafrika, und lernt außerdem eine große Anzahl von Künstlerinnen kennen, die hier noch sehr unbekannt sind.
Wir haben noch einiges vor.
Sind mit der Ausstellung Ihre Forschungen zum Thema Care-Arbeit in der Kunst abgeschlossen?
Wir waren seit Beginn des Projekts schon sehr aktiv, aber haben trotzdem noch einiges vor. Als erstes steht der Katalog an, der im Januar 2024 beim Verlag Hatje-Cantz erscheint. Auf den sind wir besonders stolz. Denn dort werden unsere Forschungsergebnisse versammelt und ergänzt von Beiträgen internationaler Expertinnen, die wir durch unsere Konferenzen und durch unsere Forschung kennengelernt haben.
Außerdem wird die Ausstellung von einem wissenschaftlichen Rahmenprogramm begleitet. Änne Söll moderiert zum Beispiel am 14. Januar 2024 eine Diskussionsrunde mit Expert*innen aus der Geschlechterforschung zur Frage „Wer macht die Care-Arbeit?“ und Friederike Sigler am 28. Januar 2024 mit den beiden Künstlerinnen Jinran Ha und Suza Husse und der Aktivistin Kook-Nam Cho-Ruwwe eine Gesprächsrunde über die Arbeitskämpfe koreanischer Krankenschwestern, die in den 1960ern im Zuge eines Anwerbeabkommens in die BRD kamen und nachdem der Pflegenotstand behoben war, abgeschoben werden sollten.
Außerdem organisieren wir noch einen Workshop im März 2024, in dem es um die Frage nach Skilling und Deskilling in Kunst und Care-Arbeit geht, und wir geben noch einen Band zum Thema in einer Fachzeitschrift, der Zeitschrift für Kunstgeschichte, heraus.