Hat mit seinem Team den Bluttest entwickelt: Klaus Gerwert © RUB, Kramer

Biophysik Zwei Proteine im Vergleich

Die Struktur des lichtaktivierbaren Ionenkanals Channelrhodopsin ist entschlüsselt – und erinnert an ein anderes Protein, wie Klaus Gerwert in einem Perspektiven-Artikel in Science beschreibt.

Die jetzt aufgeklärte Struktur des Proteins Channelrhodopsin – ein Schlüsselelement für die Optogenetik – weist Ähnlichkeiten zu Bakteriorhodopsin auf, einem Protein, mit dem Prof. Dr. Klaus Gerwert von der Ruhr-Universität Bochum intensiv gearbeitet hat. Die Fachzeitschrift Science hat die Ergebnisse zu der Struktur von Dr. Oleksandr Volkov und Kollegen vom Forschungszentrum Jülich am 24. November 2017 veröffentlicht. Auf Einladung von Science verfasste Klaus Gerwert für die gleiche Ausgabe einen Perspektiven-Artikel, der die beiden Proteine gegenüberstellt und die Bedeutung der neuen Ergebnisse von Volkov und Kollegen für die Optogenetik einordnet.

Ähnlicher Aufbau und Mechanismus

Channelrhodopsin gehört zu der Familie der mikrobiellen Rhodopsine. Das erste entdeckte mikrobielle Rhodopsin war die lichtgetriebene Protonenpumpe Bakteriorhodopsin. „Dieses Protein hat weltweit viele Biophysiker inspiriert, neue Methoden zur Untersuchung von Proteinen zu entwickeln“, sagt Gerwert. „Für die Aufklärung der Struktur des Bakteriorhodopsins mit der Kryo-Elektronen-Mikroskopie hat Richard Henderson 2017 einen Nobelpreis bekommen.“ In seinem Artikel stellt Klaus Gerwert heraus, dass Channelrhodopsin eine ähnliche Struktur wie Bakteriorhodopsin hat. „Es ist wahrscheinlich, dass beide auf ein gemeinsames Vorläuferprotein zurückgehen“, folgert er.

Die zwei Proteine besitzen vier vergleichbar angeordnete, mit Wasser gefüllte Hohlräume im Proteininneren. In Bakteriorhodopsin werden die Pforten zu diesen Hohlräumen bei Lichteinfall eine nach der anderen geöffnet und die Protonen so schrittweise auf die andere Seite der Membran gepumpt. Die einzelnen Schritte des Protonentransfers entschlüsselte Klaus Gerwert mit der von ihm entwickelten zeitaufgelösten Fourier-Transform-Infrarot-Spektroskopie. Insbesondere wies er mit seinem Team die katalytische Rolle proteingebundener Wassermoleküle zum ersten Mal in einem Membranprotein nach. „Der Mechanismus ist so präzise wie ein Schweizer Uhrwerk“, vergleicht Gerwert.

Wie eine leckgeschlagene Pumpe

Bei Channelrhodopsin läuft der Mechanismus ein wenig anders: Die jetzt entdeckten Pforten zu den Hohlräumen müssen sich alle gleichzeitig für den Ionentransfer öffnen. „Das Channelrhodopsin scheint eine leckgeschlagene Pumpe zu sein, die ähnlich wie Bakteriorhodopsin auch Protonen pumpt“, erläutert Gerwert. „Es gibt jedoch einen zusätzlichen Ionenkanal – das Leck –, der auch andere Kationen leitet.“

Gezielte Modifikation für die Optogenetik

Die lichtempfindlichen Channelrhodopsine, die zum Beispiel in Grünalgen vorkommen, lassen sich in andere Organismen einbringen, sodass bestimmte Funktionen dann mit Licht steuerbar werden. Mit diesem Prozess befasst sich die Optogenetik. Je nach Anwendung müssen die Eigenschaften des Proteins angepasst werden, indem die Gensequenz verändert wird. „Das erfolgt derzeit nach dem Trial-and-Error-Prinzip“, so Gerwert.

Mit dem neuen Wissen um die räumliche Struktur können Channelrhodopsine nun gezielter spektroskopisch und in biomolekularen Simulationen untersucht werden und künftige Mutationen zielgerichteter eingebaut werden. „Eines Tages könnte die Optogenetik zum Beispiel die tiefe Hirnstimulation bei Parkinsonpatienten mittels Elektroden durch einfache Lichtstimulation ersetzen“, gibt Gerwert einen Ausblick.

Laufende Forschung

An der Ruhr-Universität kooperiert Klaus Gerwert mit Prof. Dr. Stefan Herlitze vom Lehrstuhl für Allgemeine Zoologie und Neurobiologie, um neue optogenetische Werkzeuge zu entwickeln. Gemeinsam mit der Gruppe von Prof. Dr. Peter Hegemann von der Humboldt-Universität zu Berlin arbeiten die Bochumer Biophysiker daran, die Mechanismen der lichtinduzierten Ionenkanalöffnung des Channelrhodopsins zu entschlüsseln.

Originalveröffentlichung

Klaus Gerwert: Channelrhodopsin reveals its dark secrets, Science, 2017, DOI: 10.1126/science.aar2299

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Veröffentlicht

Freitag
24. November 2017
11:20 Uhr

Von

Julia Weiler

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