Neuerscheinung Jüdisches Leben in Bochum
Hubert Schneider spürt Einzelschicksalen nach, diesmal entdeckte er die Tagebücher einer 15-Jährigen.
Dr. Hubert Schneider vergleicht seine Quellen mit dem Tagebuch der Anne Frank. Schließlich handelt es sich bei den Tagebüchern der Susi Schmerler um private Aufzeichnungen einer Jugendlichen – geschrieben, während sie die Dinge tatsächlich erlebte. Außerdem geht es auch bei Schmerler um Verfolgung und Tod während der NS-Zeit.
In seinem Buch „Das Tagebuch der Susi Schmerler, eines jüdischen Mädchens aus Bochum“ spürt der Historiker Hubert Schneider bereits zum achten Mal in Buchform Einzelschicksalen von Bochumer Juden nach. Hinzukommen rund 40 Aufsätze, die Schneider seit seinem Ruhestand im Jahre 2004 verfasst hat. Zuvor war er seit 1974 an der RUB-Fakultät für Geschichtswissenschaft tätig, zuletzt als Akademischer Oberrat.
„Begonnen hat alles allerdings bereits 1995“, erinnert sich der 77-Jährige. „Damals hat der von mir gegründete Verein ‚Erinnern für die Zukunft‘ Holocaustüberlebende in ihre frühere Heimatstadt Bochum eingeladen. Die Gespräche mit diesen Menschen haben mich dazu gebracht, mich näher mit ihren Schicksalen zu beschäftigen, diesen neuen Forschungszweig der Lokalstudien zur NS-Zeit zu begründen. Mit vielen der Überlebenden habe ich mich auch später noch häufiger getroffen.“ So auch in Israel mit Schulamith Nadir, wie sich Susi Schmerler mittlerweile nannte, beziehungsweise – nach deren Tod im Jahre 2002 – mit ihrem Ehemann.
Susi Schmerler erlebte im Herbst 1938 hautnah die antijüdischen Maßnahmen des nationalsozialistischen Regimes. Dazu gehören die Abschiebung der polnischen und staatenlosen Juden am 28. Oktober, die Pogromnacht vom 9. November und deren Folgen: die Zerstörung der Synagoge, die Verwüstung jüdischen Eigentums, die Verhaftung der jüdischen Männer, die gesetzeswidrige Kündigung der Wohnung jüdischer Familien durch die nichtjüdischen Eigentümer.
Es ist ein bemerkenswertes Dokument.
Hubert Schneider
Die Familie Schmerler gehörte zu den abgeschobenen polnischen Juden. Ihr Schicksal steht im Zentrum von Schneiders Buch, da Susi ein Tagebuch hinterlassen hat, das sie zwischen Anfang 1939 und 1941 schrieb: zunächst in Deutschland, ab März 1939 in Palästina. „Es ist ein bemerkenswertes Dokument, in dem ein 15-jähriges Mädchen, dem alleine die Flucht gelungen ist, ihren Alltag, vor allem aber auch ihre Sorgen und Ängste um die Eltern und den kleinen Bruder beschreibt und reflektiert“, erläutert Schneider. Dem Tagebuch gegenübergestellt werden Briefe und Postkarten der Eltern an Susi Schmerler. Im Gegensatz zu ihr überlebten sie und der kleine Bruder den Holocaust nicht.