Philosophie Keine Sprache ohne Körper
Wer die Bedeutung von Begriffen verstehen möchte, ist auf den Körper angewiesen.
Der Körper ist für mich der Anker sprachlicher Bedeutung. Lange herrschte die Auffassung vor, dass unser Gehirn beim Verstehen von Wortbedeutungen nicht unmittelbar auf sensomotorische Prozesse zurückgreift. Das mentale Lexikon sei modular und informationell von Prozessen abgekoppelt, die unserer Objektwahrnehmung zugrunde liegen oder unsere Motorik steuern. Zwar wurde auch hier angenommen, dass viele Begriffe mit sensorischen oder motorischen Begriffen lexikalisch assoziiert sind. Präsentiert man die Wörter „rot“ oder „pflücken“, wird die Identifikation eines Objekts als „Kirsche“ erleichtert. Doch man nahm an, dass sich Läsionen in visuellen oder motorischen Hirnregionen nicht direkt auf die Fähigkeit auswirken, Wortbedeutungen zu verstehen.
Dieser Auffassung steht die Hypothese eines verkörperlichten („embodied“) Sprachverstehens entgegen. Danach ist der Rückgriff auf sensomotorische Prozesse des Gehirns wesentlich für das Verstehen von Wortbedeutungen. Mit bildgebenden Verfahren konnte gezeigt werden, dass beim Lesen von körperteilbezogenen Verben wie „pflücken“ auch entsprechende – also hier handbezogene – Regionen im (prä-)motorischen Kortex aktiviert werden. Bei Patienten mit einer graduellen Degeneration motorischer Neuronen nehmen auch die semantischen Assoziationen zwischen Wörtern mit motorischer Bedeutungskomponente graduell ab. In mehreren EEG-Studien konnten wir zeigen, dass motorische Bedeutungskomponenten konkreter Nomen durch spezielle Handlungskontexte moduliert werden können. Vieles spricht also dafür, dass sprachliche Bedeutung nicht entkoppelt von körperlichen Prozessen, sondern essenziell verkörperlicht ist.