Wer aktiv und selbständig lernt, merkt sich mehr. © RUB, Marquard

Mechanismus entschlüsselt Lernen und Gedächtnis mit Willenskraft verbessern

Wer zum Lernen gezwungen wird, merkt sich nicht so viel wie jemand, der selbstständig übt. Warum das so ist, haben Neurowissenschaftlerinnen und -wissenschaftler nun herausgefunden.

Ein internationales Forschungsteam hat erstmals die physiologischen Mechanismen identifiziert, die dafür verantwortlich sind, dass Menschen besonders effizient lernen, wenn sie es selbstbestimmt aus einer Eigenmotivation heraus tun. Entscheidend hierfür sind Hirnwellen im Theta-Frequenzbereich, die eine für das Gedächtnis wichtige Hirnregion, den Hippocampus, regulieren – genauer gesagt dessen Fähigkeit, Informationen zu speichern und abzurufen. Das Team des SPECS Laboratory am Institute for Bioengineering of Catalonia berichtet über die Forschung zusammen mit Forschenden um Prof. Dr. Nikolai Axmacher, Abteilung Neuropsychologie der RUB, in der Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences, kurz PNAS. Die Publikation erscheint online in der Woche vom 1. März 2021.

Im Lauf der Zeit haben zahlreiche Studien belegt, dass beim aktiven Lernen Aufmerksamkeit, Motivation und kognitive Kontrolle moduliert werden und so das Gedächtnis besser wird. Bei Mäusen hatten Forschende auch den zugrunde liegenden Mechanismus entdeckt; ob dieser bei Menschen ebenfalls existiert, war jedoch unklar. Dieser Nachweis gelang dem internationalen Team nun.

Gedächtnis und freier Wille

Die Forscherinnen und Forscher untersuchten die Theta-Wellen bei Menschen mit Epilepsie, denen zur Operationsplanung Elektroden in das Gehirn implantiert worden waren. Die Patientinnen und Patienten absolvierten ein Spiel in der virtuellen Realität. Dabei mussten sie entlang einer quadratischen Strecke navigieren und sich Bilder einprägen, die an unterschiedlichen Stellen des Wegs präsentiert wurden.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten sich entweder aktiv in der virtuellen Umgebung bewegen oder sahen nur die Bilder entlang des Pfades, den ein anderer Teilnehmer zurückgelegt hatte. Im zweiten Fall hatten die Patienten also keine Kontrolle darüber, wie sie sich die verschiedenen Objekte in der virtuellen Umgebung einprägen konnten.

Bei Teilnehmenden, die aktiv navigieren durften, beobachteten die Forscherinnen und Forscher einen Anstieg der Theta-Oszillationen, die das Lernen und das anschließende Erinnern effizienter machten. Die Theta-Aktivität war ähnlich zu der, die in früheren Studien mit Mäusen beschrieben worden war.

Implikationen für Pädagogik und Psychologie

Laut den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sind die praktischen Implikationen dieser Ergebnisse weitreichend. So könnten sie zum Beispiel Patientinnen und Patienten mit traumatischen Erinnerungen oder Gedächtnisverlust helfen. Die Forschenden sehen darüber hinaus eine Relevanz für den Bildungsbereich, da ihre Ergebnisse bestätigen, dass Motivation, kognitive Kontrolle und die Möglichkeit, für sich selbst zu entscheiden, Schlüssel zum effizienten Lernen sind.

Der Hippocampus (gelb) und seine Hauptfasertrakte © brainx3.com/specs-lab.com

Veröffentlicht

Dienstag
02. März 2021
10:04 Uhr

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