Maximilian Bertamini möchte, dass mehr Menschen von wissenschaftlichen Online-Events erfahren und daran teilnehmen. © RUB, Marquard

Interview Eine Plattform für die Wissenschaft

„Der Grund dafür, warum Webinare weniger gut besucht sind, ist ein Kommunikationsproblem“, sagt Maximilian Bertamini und hat eine neue Plattform für Online-Events entwickelt.

Damit wissenschaftliche Online-Tagungen, -Vorträge und Webinare mehr interessierte Menschen erreichen, hat Maximilian Bertamini vom Institut für Friedenssicherungsrecht und Humanitäres Völkerrecht der RUB eine Plattform entwickelt. Sie heißt Scievon. Im Interview erzählt er, was es damit auf sich hat.

Was ist die Idee von Scievon?
Die Idee von Scievon ist es dafür zu sorgen, dass man keine wissenschaftlichen Online-Veranstaltungen mehr verpasst, die für einen selbst interessant sind. Umgekehrt gedacht ist es deshalb auch die Idee von Scievon, den Ausrichtenden wissenschaftlicher Webinaren eine effektive Möglichkeit zur Bewerbung und Verbreitung ihrer Events zu bieten. Scievon soll gewissermaßen Angebot und Nachfrage im Bereich digitaler Wissenschaftsveranstaltungen zusammenführen.

An dem Institut der RUB, für das ich arbeite, haben wir viele Online-Events auf Englisch zu international relevanten Themen mit hochkarätigen Speaker*innen organisiert und über alle uns zur Verfügung stehenden Kanäle beworben. Wir waren eigentlich immer zufrieden mit den „Einschaltquoten“. Aber ich habe mir auch oft gedacht, dass es doch angesichts der Tatsache, dass die Events gratis, international ausgerichtet und relevant sind, tausende statt hunderte Menschen weltweit geben müsste, die sich dafür interessieren. Ich glaube der Grund dafür, warum Webinare weniger gut besucht sind, als sie es sein könnten, ist ein Kommunikationsproblem.

Scievon

Auf der Plattform Scievon könnten Interessierte vergangene und anstehende wissenschaftliche Vorträge und Webinare finden und gratis ansehen. Und wer ein Online-Event veranstaltet, kann dieses kostenlos eintragen.

Und da kommt Scievon ins Spiel.
Genau. Scievon soll hier Abhilfe schaffen. Nutzer*innen können sich mithilfe von Filtern und einer Suchfunktion über anstehende Online-Veranstaltungen auf dem Laufenden halten und das disziplinübergreifend, in allen Sprachen, kostenlos und ohne Registrierung. Über einen Button kann man sich auch direkt für Webinare anmelden.

Die Ausrichter*innen von Webinaren haben über ein Formular die Möglichkeit ebenfalls gratis, ihre Events einzureichen und so zu bewerben.

Außerdem gibt es ein Archiv von vergangenen Webinaren. Hier finden Interessierte Infos zu vergangenen Events und – soweit verfügbar – auch Links zu den Aufzeichnungen.

Stolpersteine gab es bei der Entwicklung natürlich an jeder Ecke.


Maximilian Bertamini

Wie verlief die Planung und Umsetzung? Gab es Stolpersteine?
Planung und Umsetzung waren ein stetiger Prozess von Learning by Doing. Denn ich habe zugegebenermaßen keine nennenswerten Kenntnisse im Aufbau von Webseiten. Ich hatte eine Idee davon, wie die Seite aussehen und funktionieren soll, aber wie sich das am besten bewerkstelligen lässt, habe ich mir meist abends nach der Arbeit selbst beizubringen versucht. Stolpersteine gab es dabei natürlich an jeder Ecke, sei es von der Programmierung bestimmter Funktionen, die so im Webseitenbaukasten nicht vorgesehen waren, über wasserdichte AGB bis hin zur Optimierung der Seite für Mobilgeräte und dem Designen und Sichern eines eigenen Logos.

Am Ende habe ich etwa ein halbes Jahr gebraucht, um alles so hinzubekommen, wie ich es mir vorgestellt habe, und bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis.

Was für Inhalte finden Interessierte auf der Plattform?
Abstrakt gesprochen finden Interessierte wissenschaftliche Expertenrunden, Fachvorträge und -Diskussionen zu verschiedensten Themen. Meinem eigenen fachlichen Hintergrund und der weltpolitischen Lage geschuldet ist Scievon aktuell inhaltlich stärker von Themen des (internationalen) Rechts, der internationalen Beziehungen und der humanitären Studien geprägt. Daneben finden Interessierte aber auch Events rund um Weltraumthemen, zur Nachhaltigkeitsforschung, Menschenrechten und anderen Gebieten. Aktuell würde ich mich zum Beispiel noch sehr über Beiträge aus der Naturwissenschaft freuen.

Scievon wächst aber stetig. Das bedeutet auch, dass die aktuellen Filter, die sich für das Durchsuchen der Datenbanken einstellen lassen, keineswegs abschließend sind. Wenn jemand ein Webinar in einer noch nicht in den Filtern vorhandenen Disziplin oder Sprache posten möchte, ist das kein Problem. Wenn etwas Neues dazukommt, werden die Filter angepasst.

Neue Einträge werden gewissenhaft geprüft

Wer kann etwas hochladen? Wer kuratiert die Inhalte?
Prinzipiell kann jede Einrichtung, Organisation, Gruppierung, die wissenschaftliche Events organisiert, diese über das „Post your Event“ Formular hochladen. Die Einreichungen erreichen dann mich und ich überprüfe die Events darauf, ob sie einen wissenschaftlichen Charakter haben und darauf, ob sie problematische Inhalte wie extremistisches Gedankengut, Verschwörungstheorien, Unwahrheiten, Hass vermitteln könnten.

Dieser Prozess ist natürlich nicht perfekt. Dennoch glaube ich, auch alleine jedenfalls die klar problematischen Fälle auch ohne Fachkenntnisse durch gewissenhafte Recherche und Gewissensanstrengung herausfiltern zu können. Darüber hinaus gilt immerhin die Wissenschaftsfreiheit und ich denke, es ist besser, eine Plattform wie Scievon überhaupt zu haben, als die Initiative wegen der großen Fragen, die sich im Erfolgsfall stellen und sich sicher auch bewältigen lassen, aufzugeben oder zu zerdenken. In Zukunft würde ich aber gerne mit der Community von Scievon – sobald sie sich gebildet hat – transparent und gemeinsam Kriterien für die Prüfung von Events erarbeiten.

Scievon ist einzigartig, weil die Seite wissenschaftlich, disziplinübergreifend und international ausgerichtet ist.


Maximilian Bertamini

Was ist der Unterschied zu anderen Webinar-/Videoplattformen?
Scievon ist einzigartig, weil die Seite wissenschaftlich, disziplinübergreifend und international ausgerichtet ist. Neben Scievon gibt es keinen Ort, an dem man sich zentral über anstehende wissenschaftliche Webinare informieren oder diese bewerben kann. Für Online-Kurse und E-Learning gibt es vergleichbare Initiativen, aber oft auf einen Anbieter beschränkt oder kommerziell ausgerichtet. Um wissenschaftlichen Austausch geht es dort eher weniger.

Einzigartig an Scievon ist auch der Blick über den Tellerrand. Wie sonst soll man auf einen Blick erfahren, über welche heißen Themen sich in diesem Moment die klügsten Köpfe aus den verschiedensten Disziplinen unterhalten? Was beschäftigt zur Zeit die Welt der Physik, was diskutieren die Philosoph*innen, welche Ideen treiben die Wirtschaftswissenschaften, Jurist*innen und Biolog*innen um? Scievon ist für die Neugierigen. Wenn es funktioniert, wie erhofft, dann kann Scievon ein echter Querschnitt der Wissenschaft als solcher werden, immer am Puls der Zeit, mit einem Blick für die Entwicklungen der Vergangenheit.

Und alles, was man dafür braucht, ist ein Internetzugang. Gerade für weniger privilegierte Regionen der Welt, deren Stimmen zu lange nicht gehört wurden, ist das eine große Chance. Das Potenzial von neuen Technologien für einen globalen und inklusiven Austausch von Wissen ist gewaltig, und mit Scievon kommen wir der Umsetzung dieses Potenzials hoffentlich einen großen Schritt näher.

Veröffentlicht

Montag
18. Juli 2022
11:18 Uhr

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