Umstrittene Theorie widerlegt Dynamik des indischen Monsuns weiter entschlüsselt
Rund ein Drittel der Weltbevölkerung hängt vom Monsun ab. Nun gibt es neue Erkenntnisse zu dem Wetterphänomen.
Indischer und ostasiatischer Monsun sind eng aneinander gekoppelt. Zu diesem Schluss kommt ein internationales Forscherteam, dem auch Dr. Sebastian Breitenbach von der Ruhr-Universität Bochum angehört. Eine umstrittene Theorie besagt, dass es einen mehrere tausend Jahre langen Zeitversatz zwischen den beiden Ereignissen gibt. In „Scientific Reports“ widerlegt die Arbeitsgruppe diese Annahme.
Daten aus den vergangenen 280.000 Jahren
Um die Variabilität des Klimas über viele Jahre hinweg zu ergründen, werden meist meteorologische Aufzeichnungen herangezogen. Diese reichen in der Regel nur 100 bis 150 Jahre zurück – zu kurz, um die volle Bandbreite der natürlichen Dynamik abzubilden.
Für die aktuelle Studie rekonstruierten die Forscher Klimavariationen der vergangenen 280.000 Jahre. Das Team um Gayatri Kathayat von der chinesischen Xi’an Jiaotong University analysierte Stalagmiten aus einer indischen Höhle, die sich im Lauf der Jahrtausende durch einsickerndes Regenwasser gebildet hatten – gemeinsam mit Kollegen der University of Minnesota und der University of Cambridge sowie weiteren Partnern.
Sauerstoffisotope verraten Monsunstärke
Die Forscher datierten mehrere Stalagmiten und nahmen über 6.000 Proben aus ihnen. Darin maßen sie das Verhältnis der enthaltenen Sauerstoffisotope 16O und 18O. Diese Werte erlauben Rückschlüsse auf die Regenmenge, die in einem bestimmten Zeitraum gefallen ist.
Anhand der Daten erstellte die Gruppe eine Zeitreihe, die die Monsunstärke über tausende von Jahren hinweg beschreibt. Vergleiche mit Daten aus China zeigen: Fiel der indische Monsun schwach aus, fiel auch der ostasiatische Monsun schwach aus. „Ob es diese Kopplung gibt, haben Wissenschaftler jahrelang heftig diskutiert“, sagt Breitenbach.
Einblicke in die Geschichte des Regens
Die Isotopenanalysen verraten zudem etwas über die Transportwege des Regens. Wenn sich der eurasische Kontinent im Sommer aufheizt bildet sich ein Tiefdruckgebiet, das feuchte Luftmassen vom Meer ansaugt – der Sommermonsun entsteht. Verdunstet Wasser aus dem Meer und bildet Wolken, sind darin leichte und schwere Sauerstoffisotope mit einem bestimmten Mischungsverhältnis enthalten.
Das schwere 18O fällt im Vergleich zu leichteren Isotopen wie 16O schneller als Regen herab. Wandern die Luftmassen einen weiten Weg, bleibt für die schweren Isotope viel Zeit, um auszuregnen. Leichtere werden dagegen weiter transportiert, und das Isotopenverhältnis wird entsprechend niedriger.
Das Verhältnis von 18O zu 16O verrät somit die Weite des Transportweges, den die feuchten Luftmassen zurückgelegt haben. Ein starker Monsun wird durch weiter entfernt aufgenommene Feuchtigkeit gefüttert als ein schwacher Monsun.
Nordhemisphäre entscheidend
Mithilfe dieser Messwerte zeigten die Wissenschaftler, dass der indische Monsun eher von Ereignissen in der Nord- als in der Südhemisphäre beeinflusst wird. „Auch das wird seit Langem heftig diskutiert“, sagt Sebastian Breitenbach, der sich bereits an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich und University of Cambridge diesem Forschungsthema widmete und es seit April in der Arbeitsgruppe Sediment- und Isotopengeologie der Ruhr-Universität Bochum weiter verfolgt.
„Einige Forscher gehen davon aus, dass die Meere der Südhalbkugel den Monsun stärker prägen als die Kontinente der Nordhalbkugel“, so der Geologe. „Unsere Daten deuten dagegen auf einen direkten atmosphärischen Einfluss der nördlichen Hemisphäre.“
Computermodelle für Monsunprognosen
„Rund ein Drittel der Weltbevölkerung ist vom Monsun abhängig“, sagt Sebastian Breitenbach. „Er bestimmt etwa, ob die Landwirtschaft in China und Indien ertragreich ist. Säen die Bauen nur etwas zu früh oder zu spät vor oder nach Eintreffen des Monsuns, kann das die ganze Ernte vernichten.“
„Wir selbst erstellen zwar keine Klimamodelle“, erklärt Breitenbach, „aber unsere Erkenntnisse können in Computersimulationen anderer Kollegen einfließen, die Prognosen über die künftige Monsundynamik erlauben.“ Bislang fußen diese Modelle hauptsächlich auf meteorologischen Daten der vergangenen Jahrzehnte. „Mit unseren Ergebnissen können andere ihre Modelle validieren und verbessern.“