Projektstart Neues Trainingskonzept gegen Demenz
Mit einer Kombination aus körperlichem und geistigem Training will das Projektteam kognitiven Beeinträchtigungen vorbeugen.
Eine Demenz ist nicht heilbar, es ist aber möglich, ihren Verlauf zu verlangsamen: An diesem Punkt setzt das neue Forschungsprojekt „go4cognition“ an, an dem Forscher des BG Klinikum Duisburg, der Ruhr-Universität Bochum und der Hamburger Fernhochschule beteiligt sind. Ein interdisziplinäres Team aus Spezialistinnen und Spezialisten verschiedener Institutionen – unter anderem Neuropsychologen, Sportwissenschaftler, Ärzte, Pflegewissenschaftler und Softwareentwickler – will darin ein System entwickeln, das die geistigen Fähigkeiten der Studienteilnehmer mit einer Demenz-Vorstufe verbessert oder zumindest auf dem aktuellen Niveau hält.
Das Land NRW fördert das Forschungsvorhaben im Rahmen des Leitmarktwettbewerbs Life Sciences NRW mit 1,2 Millionen Euro für drei Jahre. Die Wuppertaler Softwareentwicklungsfirma Ontaris koordiniert das Projekt, an dem auch das Seniorenzentrum Gute Hoffnung aus Oberhausen beteiligt ist. Das Vorhaben ist am 1. November 2018 gestartet.
Körperliche Fitness und Gedächtnis im Visier
Im Fokus des Projekts stehen Menschen zwischen 65 und 85 Jahren, die am sogenannten Mild Cognitive Impairment (MCI) leiden. In diesem Vorstadium der Alzheimer-Demenz ist die Denkleistung stärker beeinträchtigt, als es üblicherweise in dem Alter und bei dem Bildungsstand der Fall ist. Der Alltag der Betroffenen ist dadurch in der Regel aber nicht behindert.
„Ziel dieses Projektes ist, mit einer Kombination von Bewegung und Anforderungen an das Gedächtnis den Verlust der geistigen Fähigkeiten zu verlangsamen“, sagt Prof. Dr. Boris Suchan, Klinische Neuropsychologie der Ruhr-Universität Bochum. Dabei sollen neueste Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften einfließen.
„Die kognitive Leistung ist in diesem Stadium noch beeinflussbar“, sagt Dr. Tobias Ohmann, der das Projekt in der Duisburger Unfallklinik als Forschungsmanager betreut. „Unser Ziel ist es, die geistigen Fähigkeiten durch eine Kombination aus körperlichem Training und Gedächtnistraining – allein oder in Gruppen – zu stabilisieren oder zu verbessern.“
Senioren trainieren auf dem Speedcourt
In einem ersten Teil der neuen Studie nehmen ab Februar 2019 rund 40 ältere Menschen mit MCI aus dem Oberhausener Seniorenzentrum an einem Trainingsprogramm im Athletikum Rhein Ruhr der Unfallklinik teil. Herzstück dieses Bewegungslabors ist ein Speedcourt, ein Sensor-bestücktes Mattensystem. Damit trainieren normalerweise Leistungssportler und Rehabilitanden nach Unfällen beispielsweise Gang- und Laufmuster, Koordination, explosive Antritte und dynamische Richtungswechsel.
„Der Speedcourt ist aber auch für das Training körperlicher und kognitiver Fähigkeiten von Menschen mit MCI sehr gut geeignet“, sagt der Sportwissenschaftler Arthur Praetorius, der tagtäglich mit dem System arbeitet. Die Oberhausener Senioren, die für sechs Wochen und zwölf Trainingseinheiten im Athletikum Rhein Ruhr sein werden, müssen auf dem Speedcourt mehrfach einen vorgegebenen Parcours mit nummerierten Kontaktfeldern absolvieren. Die Reihenfolge der anzulaufenden Felder – zum Beispiel 1, 8, 7, 3 – wird den Testpersonen dafür nur kurzzeitig auf einem Bildschirm präsentiert. Um den richtigen Weg zu finden, müssen sich die Probanden also die Reihenfolge der Zahlen merken, die richtigen Felder auf dem Speedcourt suchen und diese dann zielgerichtet ansteuern. Durch diese Kombination von kognitivem Training mit körperlicher Bewegung werden geistige und körperliche Fitness trainiert.
Regelmäßige Veränderungen der Aufgabenstellung innerhalb des Trainingsprogramms dienen dazu, den Schwierigkeitsgrad zu erhöhen und den Lerneffekt bei den Senioren zu verbessern. Letztlich wollen die Forscher untersuchen, ob die Arbeit mit dem Speedcourt das Fortschreiten der Alzheimer-Vorstufe Mild Cognitive Impairment verhindert.
Anti-Demenz-Training im Seniorenheim
Basierend auf den Erfahrungen und Ergebnissen im Athletikum soll, gemeinsam mit den IT-Spezialisten von Ontaris, ein neues Hightech-System entwickelt werden, das anders als der Speedcourt mobil ist und schnell aufgebaut werden kann. „Dieses soll dann in Zukunft kostengünstig auch in Seniorenheimen wie ‚Gute Hoffnung‘ oder in Krankenhäusern zum Einsatz kommen“, fasst Stefan Orth, Geschäftsführer von Ontaris und Konsortialleiter das übergeordnete Ziel des Forschungsprojektes zusammen.
In einem nächsten Schritt könnten auch Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma von einem solchen Trainingsansatz profitieren.