Geschichte Die rassistische Gewalt weißer Frauen
Frauen griffen in den 1950er- und 1960er-Jahren zu extremen Mitteln, um gegen die Aufhebung der Rassentrennung zu kämpfen. Ein bisher vernachlässigtes Kapitel der Geschichte des Rassismus.
Als ab den 1950er-Jahren schwarze Schülerinnen und Schüler weiße Schulen besuchen durften, eskalierte in einigen Städten der Südstaaten die Gewalt. Den Protest der weißen Bevölkerung hat sich Prof. Dr. Rebecca Brückmann, Juniorprofessorin für die Geschichte Nordamerikas in seinen transkulturellen Bezügen an der Ruhr-Universität Bochum (RUB), im Detail angeschaut. Ihr besonderer Fokus liegt dabei auf den Aktivitäten der Frauen. „Diese Geschichte ist bisher vernachlässigt“, begründet sie ihr Interesse. Ihre Arbeiten hat sie inzwischen in einem Buch zusammengefasst, das Anfang 2021 erscheint. Über das Thema berichtet Rubin, das Wissenschaftsmagazin der RUB.
50 Jahre erfolgloser Kampf
Die Vorgeschichte der Proteste ist lang. Nach dem Verbot der Sklaverei und dem Ende des amerikanischen Bürgerkriegs, als sich das Militär aus den Südstaaten zurückzieht, wird der gesamte öffentliche Raum zweigeteilt. Es gibt alles speziell für Weiße und für Schwarze: Parkbänke, Friedhöfe, Blutbänke, Busse, Schulen. 1896 legitimiert der Supreme Court diese Trennung unter der Voraussetzung, dass alle diese Einrichtungen gleichwertig sind. „Das sind sie nie gewesen“, so Rebecca Brückmann. „Und Aktivisten haben 50 Jahre lang mehr oder weniger erfolglos dagegen angekämpft.“
Nach dem Zweiten Weltkrieg ändern sie ihre Strategie: Sie ziehen vor Gericht. Und 1954 fällt das Urteil, das der Stein des Anstoßes für den koordinierten Protest der Weißen ist. Die Rassentrennung in öffentlichen Schulen wird als verfassungswidrig erklärt. „Danach formiert sich unter den Weißen der massive Widerstand, und das Thema Schule, die Betroffenheit der Kinder, holt die Mütter in das Thema“, sagt Rebecca Brückmann.
Weiße Mütter bedrohen schwarze Kinder
Diese stachelten ihre Kinder gegen die schwarzen Mitschülerinnen und -schüler auf, gingen deren Eltern tätlich an, bedrohten schwarze Kinder mit dem Tod. Die Polizei sah lange zu. Das Militär musste einschreiten. Einige Schulen blieben ein Jahr lang geschlossen – besser gar keine Schule als Schule mit Schwarzen.
Rebecca Brückmann analysiert: Die Frauen erweiterten die Argumente der Debatte. Ihr Punkt: Heute mischt sich der Staat in die Schulen ein, morgen werden es die Kirchen sein, übermorgen entscheiden wir nichts mehr selbst. Damit drehen sie den Spieß um: Unsere Freiheit ist bedroht. Es droht eine umgekehrte Diskriminierung. Dagegen formiert sich die sogenannte Massive Resistance, die fordert, dass sich die Regierung der USA aus den Belangen der einzelnen Staaten heraushalten soll. Ein neuer Konservatismus macht sich breit, und White Supremacy wirkt als Scharnier. Religion, Antikommunismus, später traditionelle Werte gegen die 68er – White Supremacy hilft, viele verschiedene Strömungen zu vereinen und zu konsolidieren. „White Supremacy funktioniert immer. Das spielt eine große Rolle in den USA, und es ist keine Tagespolitik“, so Rebecca Brückmann. „Auch die aktuelle Black-Lives-Matter-Bewegung wurzelt in dieser Geschichte."