Sebastian Peters hat die Wirkung der Ansiedlung innovativer Unternehmen auf die Attraktivität von Wohnlagen untersucht. © Privat

Wirtschaftswissenschaft Opel hätte zehn Jahre früher dichtmachen sollen

Die Bemühungen der Stadt, Opel in Bochum zu halten, waren Ressourcenverschwendung. Das ist das Ergebnis einer Bachelorarbeit.

2014 ging die Ära Opel im Ruhrgebiet zu Ende: Am 14. Dezember rollte der letzte Wagen in Bochum vom Band. Bis zuletzt hatte die Politik versucht zu retten, was zu retten ist. Das war Ressourcenverschwendung, so das Fazit der Bachelorarbeit von Sebastian Peters am Centrum für Entrepreneurship, Innovation und Transformation der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum (RUB). Er hat sich die Bodenrichtwerte in Stadtteilen angeschaut, die vom Strukturwandel betroffen sind, und festgestellt, dass eine Wertsteigerung schnell passiert, wenn Stadt und Land die Ansiedlung innovativer Unternehmen fördern. Das sollten sie daher lieber früher als später tun.

Ein Maß für die Attraktivität einer Wohnlage

Sebastian Peters hat in seiner Arbeit mit dem Titel „Attraktivitätssteigerung von strukturwandelgeprägten Stadtquartieren durch Ansiedlung innovativer Unternehmen“ mehrere Stadtviertel betrachtet, darunter neben Bochum-Laer mit der ehemaligen Opelfläche Mark 51°7 auch Dortmund-Hörde mit dem Phönixsee auf dem ehemaligen Gelände eines Stahlwerks.

Als Indikator für die Wirkung der Maßnahmen auf diesen Industrieflächen hat er die Bodenrichtwerte in den angrenzenden Stadtteilen ausgewertet. Der Bodenrichtwert ist der Preis, für den ein Quadratmeter Boden im vergangenen Jahr durchschnittlich den Eigentümer gewechselt hat. „Er ist ein guter Indikator für die Attraktivität der Wohnlage, denn er wird durch einen regelmäßig tagenden Ausschuss amtlich ermittelt und ist damit geschützt sowohl gegen Spekulation als auch Manipulation“, so Peters.

Ansiedlung innovativer Unternehmen zahlt sich nach wenigen Jahren aus

Sein Ergebnis: Schneidet eine Stadt die alten Industriezöpfe ab und setzt stattdessen auf die Ansiedlung neuer, innovativer Unternehmen vornehmlich aus dem Technologiebereich, so ist schon nach wenigen Jahren eine Steigerung der Bodenrichtwerte in den Stadtteilen erkennbar, die an solche Entwicklungsflächen angrenzen.

Fallbeispiel Dortmund: Anfang der 2000er-Jahre verkaufte Thyssen-Krupp ein ganzes Stahlwerk nach China. Lange war nicht klar, was mit den Brachen passieren sollte, bis 2010 auf dem ehemaligen Gelände eines Stahlwerks der Phoenixsee geflutet wurde – für die Menschen der Region ein willkommenes Naherholungsgebiet. Drumherum entstanden teure Gebäude: Während der Durchschnitt der Bodenrichtwerte in Dortmund von 2011 bis 2020 um rund ein Drittel (36 Prozent) stieg, kletterten die Werte am Phoenixsee um drei Viertel (74 Prozent). Dazu beigetragen hatte neben der wohnwirtschaftlichen Entwicklung um den eigentlichen See auch der 115 Hektar große, naheliegende Technologie- und Dienstleistungsstandort, ebenfalls auf dem ehemaligen Stahlwerk-Gelände. Hinzu kamen Konzepte, um die Qualität der angrenzenden Wohngebiete zu steigern.

Gleiches lässt sich für den Standort Mark 51°7 beobachten. War mit Schließung des Opel-Werks 1 im Jahr 2014 noch ein leichter Preisverfall für Immobilien im angrenzenden Stadtteil zu erkennen, so kehrte sich dieser Trend mit Bekanntwerden der umfassenden Planungen für das Areal um. Das Ergebnis der geglückten Standortentwicklung ist schon nach fünf Jahren an den in Laer veranschlagten Bodenrichtwerten abzulesen: Der einst abgeschriebene Stadtteil liegt mittlerweile knapp zehn Prozent über dem durchschnittlichen Preisniveau der gesamten Stadt Bochum.

„Da höhere Bodenpreise sich in höherwertigem Wohnraum niederschlagen, muss eine entsprechende Nachfrage hierfür vorhanden sein“, erläutert Sebastian Peters. „Die nahezu 7.000 Arbeitsplätze, die für die Fläche Mark 51°7 angekündigt sind, schaffen genau diese Nachfrage.“

Verzahnung von Fläche und Wohnquartier

Peters’ Fazit: Die Politik hat in der Vergangenheit häufig an bestehenden Strukturen festgehalten und diese subventioniert. Im Namen der Arbeitsplätze wurde Geld investiert, das besser in innovative, zukunftsgewandte Unternehmen und Technologien oder Prozesse hätte investiert werden können.

Damit dies jedoch gelingt, gilt es, bestimmte Rahmenbedingungen zu beachten, die anhand der Fallstudien herausgearbeitet werden konnten. Wichtig ist hier vor allen Dingen eine enge Verzahnung von der eigentlich umzustrukturierenden Fläche mit dem umliegenden Wohnquartier und Stadtviertel. Nur wo dies gelingt, etwa durch niederschwellige Angebote wie Co-Working Spaces auch für solche jungen Firmen, die sich keine hohen Mieten im unmittelbaren Entwicklungsbereich leisten können, wird eine Strahlwirkung erzeugt, die das komplette Umfeld erfasst und so dauerhaft zu einer Verbesserung von Wohn- und Lebensqualität führt.

„Damit allerdings auch diejenigen, die durch einen frühen, konsequenten Strukturschnitt negativ betroffen sind, nicht ins Bergfreie fallen, müssen Wege gefunden werden, solche Formen von Arbeitsplatzverlust sozial abzufedern“, so Sebastian Peters. Zu diesem Thema sind weitere Forschungsarbeiten geplant.

Betreuung der Arbeit

Die Arbeit wurde betreut von Prof. Dr. Matthias Weiß, Inhaber des Lehrstuhls für Innovationsmanagement an der RUB.

Matthias Weiß hat die Arbeit am Centrum für Entrepreneurship, Innovation und Transformation der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät betreut. © RUB, Marquard

Angeregt und mitbetreut wurde die Arbeit durch Dr. Peter-Christian Zinn, der als Serial Entrepreneur im Bereich der Datenwirtschaft und Mitinhaber der ISZ.ruhr Immobiliengesellschaft sowohl die Perspektive des Startup-Unternehmers als auch des Immobilienentwicklers kennt. So sollen die zentralen Erkenntnisse der Arbeit nun auch Eingang in neue Projektplanungen der ISZ.ruhr finden, etwa im Bochumer Stadtteil Laer.

Peter-Christian Zinn regte die Fragestellung an. © Privat

Pressekontakt

Sebastian Peters
E-Mail: sebastian.peters@rub.de

Veröffentlicht

Freitag
24. September 2021
09:11 Uhr

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