Studienpreis Wie wir mit dem Wirtschaftswachstum aus der Krise kommen
Tobias Vogel fordert keine Abkehr vom Wachstum, aber eine konsequente Transformation. Und die Zeit drängt.
Das Wirtschaftswachstum hat uns Wohlstand beschert, ist aber auch Ursprung aktueller Krisen wie des Klimawandels und kann zugleich ein Faktor sein, um diese Krisen zu bewältigen. Unter welchen Bedingungen kann ein Wirtschaftswachstum ohne negative Folgen gelingen? Dr. Tobias Vogel hat sich in seiner Doktorarbeit mit diesem Problem beschäftigt. Die Arbeit mit dem Titel „Grundlegung einer Kritischen Theorie des Wirtschaftswachstums“, die am Lehrstuhl für Angewandte Ethik von Prof. Dr. Klaus Steigleder am Institut für Philosophie I der Ruhr-Universität Bochum (RUB) entstanden ist, wurde mit einem Zweiten Preis des Deutschen Studienpreises der Körber Stiftung 2021 in der Sektion Geistes- und Kulturwissenschaften ausgezeichnet. Sie ist als Buch im Metropolis Verlag erschienen.
Zweifel höhlen die Legitimationsbasis aus
Die stete Verbesserung der Lebensverhältnisse ist ein zentraler Baustein für die gesellschaftliche Akzeptanz sozialer Marktwirtschaft. Umso schwerer wiegt es, wenn das Wirtschaftswachstum zunehmend in die Kritik gerät. „Der rapide fortschreitende Klimawandel nährt Zweifel daran, ob das vorherrschende Wohlstandsmodell dauerhaft mit ökologischer Nachhaltigkeit vereinbar ist“, sagt Tobias Vogel. „Bezweifelt wird auch, ob weiteres Wirtschaftswachstum in bestehenden Wohlstandsgesellschaften noch etwas zur Lebensqualität beiträgt.“
Für eine auf Wachstum basierende soziale Marktwirtschaft haben diese Zweifel gravierende Konsequenzen: Ihre Legitimationsbasis droht zu erodieren, wenn sie ökologisch nicht zukunftsfähig ist und ihr Wohlstandsversprechen nicht mehr überzeugt. Zudem werden gegenwärtige soziale Spaltungstendenzen durch eine polarisierte Debatte um das Wachstum verschärft: Auf der einen Seite wird Wachstum als die Ursache gegenwärtiger Probleme angesehen; auf der anderen Seite wird Wachstum als die Lösung für eben diese Probleme wahrgenommen.
Keine Abkehr vom Wachstum, sondern eine Transformation
In seiner Dissertation lotet Tobias Vogel die spezifischen Bedingungen aus, unter denen Wirtschaftswachstum sich negativ auf Gesellschaft und Natur auswirkt und erschließt somit neue Spielräume für die Wachstumsdebatte. „Daraus folgt keineswegs die Forderung nach einer generellen Wachstumsabkehr, sondern nach einer konsequenten Wachstumstransformation, die gegebenen Wachstumsproblemen entgegenwirkt, ohne etablierte Errungenschaften zu gefährden“, erklärt der Autor.
Die technologische Innovationsfähigkeit des Wachstums sieht er als eine wichtige Voraussetzung, um den gegenwärtigen Herausforderungen begegnen zu können, aber sie allein reiche nicht aus: Darüber hinaus bedürfe es eines Abbaus sozialökonomischer Ungleichheiten, eines robusteren Bestands an öffentlichen Gütern, eines viel stärker ökologisch eingerahmten Welthandels sowie verschiedener Formen zivilgesellschaftlicher Selbstorganisation und nicht zuletzt moderater Wachstumspfade im globalen Maßstab. „Da sich allem voran die Klimakrise rasant verschärft, ist eine politisch anschlussfähige Wachstumstransformation nicht nur ein wünschenswertes Ziel für die Zukunft, sondern mit zeitlicher Dringlichkeit geboten“, resümiert Tobias Vogel.