Wirtschaftswissenschaft Neue Kennzahlen und Konzepte für eine Kreislaufwirtschaft
Ein Wirtschaftssystem, das nur auf Output getrimmt ist, aber die Umwelt nicht im Blick hat, ist nicht mehr zeitgemäß. RUB-Forscherinnen schlagen Alternativen vor.
Neue Konzepte für nachhaltige Produktions- und Konsummuster haben Forscherinnen des Bochumer Lehrstuhls für Produktionswirtschaft entwickelt. Am Beispiel der Fotovoltaik hat das Team um Prof. Dr. Marion Steven ein Wirtschaftsökosystem konzipiert, das eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft gewährleisten würde. Die Forscherinnen schlagen außerdem eine neue Kennzahl vor, um die Produktivität von Unternehmen unter Berücksichtigung von Umweltaspekten zu messen. Über ihre Arbeiten berichtet Rubin, das Wissenschaftsmagazin der Ruhr-Universität Bochum (RUB).
Potenzial der Fotovoltaik ausschöpfen
Ziel der Kreislaufwirtschaft ist es, Materialien und Produkte möglichst lange zu nutzen, wiederzuverwenden, zu reparieren oder zu recyceln, um die Umweltbelastung gering zu halten. Idealerweise fällt in einem solchen System überhaupt kein Abfall mehr an. Am Lehrstuhl für Produktionswirtschaft haben Verena Aufderheide und Laura Montag ein zirkuläres System für Fotovoltaikanlagen erarbeitet.
Drei Barrieren verhindern bislang, dass das Potenzial der Fotovoltaikanlagen ausgeschöpft wird: finanzielle, technologische, und ökologische. Wenn Menschen sich für die Anschaffung einer Solaranlage interessieren, sehen sie sich zunächst hohen Investitionskosten gegenüber. Das kann sie von der eigentlich sinnvollen Anschaffung abhalten. „Wer eine Fotovoltaikzelle kaufen will, muss sich außerdem mit vielen technischen Aspekten befassen – denn es gibt verschiedene Produkte, von denen man das richtige auswählen will, schließlich ist es eine teure Anschaffung für viele Jahre“, erklärt Laura Montag. Hinzu kommen die bereits beschriebenen Probleme, die später bei der Entsorgung oder bei eventuellen Reparaturen auftreten, für die man wiederum Fachexpertise benötigt.
Digitalisierung für eine bessere Koordination
Im Wirtschaftsökosystem der Forscherinnen ist daher gar nicht vorgesehen, dass Kundinnen und Kunden sich eigene Solarzellen kaufen. Stattdessen mieten sie die Produkte. So fallen für sie keine Investitionskosten an, und die Fachexpertise kann bei einer entsprechenden Firma gebündelt werden. In ihrem Konzept listen die Forscherinnen alle Akteure und Leistungen auf, die ein zirkuläres Fotovoltaiksystem benötigen würde, vom Hersteller über den Betreiber bis zum Konsumenten und Entsorger. In das Konzept fließen auch Industrie 4.0-Ansätze ein, beispielsweise eine App, mit der sich der Zustand der Fotovoltaikanlage kontrollieren ließe. Denn digitale Systeme können helfen, den Gesamtprozess besser zu koordinieren.
Ein grüner Produktivitätsindex
Um messbar zu machen, wie nachhaltig ein Unternehmen ist, entwickelte Verena Aufderheide außerdem den Green Productivity Index. Mit dem etablierten Produktivitätsindex lässt sich die wirtschaftliche Leistung eines Unternehmens beurteilen. Dieser vernachlässigt jedoch die ökologischen und sozialen Auswirkungen der Aktivitäten. Eine Firma, die die Umwelt stark belastet, dabei aber viel produziert, kann somit gute Kennzahlen erzielen. „Wir möchten die Umweltbelastung mehr in den Fokus rücken“, sagt Aufderheide.
Der Green Productivity Index erlaubt es zum einen, die erzeugte Umweltbelastung durch umweltförderliche Maßnahmen wie Recycling auszugleichen. Außerdem können Produktivität und Umweltwirkungen in der neuen Formel über einen Faktor gewichtet werden. Ein Unternehmen kann somit entscheiden, auf was es den Fokus legen möchte. „Mein Wunsch wäre, dass Unternehmen den Green Productivity Index irgendwann für ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung nutzen“, so Verena Aufderheide. „Mithilfe des Index könnte ein Unternehmen etwa berechnen, ob es im Lauf der Zeit durch bestimmte Maßnahmen nachhaltiger wird.“ Auch Vergleiche zwischen Unternehmen einer Branche wären denkbar.