Forschungsförderung Zwei neue Sonderforschungsbereiche starten an der RUB
Die neuen Verbünde entstehen in der Astronomie und der Religionsforschung. Ein weiterer Verbund in der Plasmaforschung wurde verlängert.
Das Wechselspiel der kosmischen Materie sowie Metaphern des Religiösen stehen im Mittelpunkt der zwei neuen Sonderforschungsbereiche (SFB) 1491 und 1475, die die Deutsche Forschungsgemeinschaft an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) bewilligt hat. Darüber hinaus geht der SFB 1316 „Transiente Atmosphärendruckplasmen“ in die zweite Förderphase. Die Anzahl der an der RUB koordinierten Sonderforschungsbereiche steigt damit auf zehn. „Ich gratuliere den erfolgreichen Kolleginnen und Kollegen von Herzen zu diesem Erfolg“, so RUB-Rektor Prof. Dr. Martin Paul. „Die Sonderforschungsbereiche machen die große Bandbreite deutlich, auf der hier auf internationalem Spitzenniveau geforscht wird und untermauern die Stärken einer Volluniversität. Sie sind auch ein Beleg für die Bedeutung der Vernetzung zwischen Forschenden, sowohl auf dem Campus als auch mit Partnern darüber hinaus.“
Das Wechselspiel der kosmischen Materie
Am nächtlichen Sternenhimmel sehen wir mit dem bloßen Auge Jahr für Jahr die gleichen Konstellationen, sodass der Eindruck entstehen könnte, es handele sich um ein statisches Konstrukt – ein Gedanke, der sich über Jahrhunderte hielt, bevor es Anfang des 20. Jahrhunderts gelang nachzuweisen, dass das Universum ein dynamisches System ist, das mit einem großen Knall entstanden ist und sich immer weiter ausdehnt.
Auch auf kleineren Skalen ist die Dynamik hoch, Sterne entstehen und vergehen in mächtigen Supernovaexplosionen. So beeinflussen sie die Dynamik der Galaxien, in denen sie beherbergt sind. Durch die Explosionen entstehen Wolken von Teilchen oder aus Plasma, die mit kosmischen Magnetfeldern wechselwirken. Das Wechselspiel der kosmischen Materie, welches diese Prozesse antreibt, ist Leitthema des Sonderforschungsbereiches 1491: „Wie werden die verschiedenen Formen von Materie und Energie ineinander umgewandelt? Wie werden die kleinsten, elementaren Teilchen zu den höchsten, jemals beobachteten Energien beschleunigt? Wie entstehen im Plasma der Galaxien großräumige Magnetfeldstrukturen? Welchen Einfluss hat die dunkle Materie auf die Dynamik der Systeme?“, nennt Prof. Dr. Julia Tjus, Sprecherin des SFB, einige der Forschungsfragen.
16 führende Forschende arbeiten in 13 Teilprojekten zusammen, um ein vereinheitlichtes Bild der nachweisbaren Spuren der wechselwirkenden Materie zu erstellen. Sie wollen verstehen, wie kleine Galaxien wie unsere Milchstraße funktionieren, aber auch große, in deren Kern sich ein aktives, supermassives schwarzes Loch befindet. Hierzu werden theoretische astrophysikalische Modelle mit experimentellen Beobachtungen aller Wellenlängen und Teilchen verknüpft. Des Weiteren liefert der SFB Wissen über die fundamentalen Eigenschaften der Materie aus theoretischen Rechnungen, kosmologischen Beobachtungen und irdischen Experimenten zu Teilchenwechselwirkungen. Dieses Wissen kann direkt in den astrophysikalischen Modellen verwendet werden. Die Kombination der beiden Forschungsstränge liefert ein detailreiches und präzises Bild, wie die Galaxien funktionieren und sich entwickeln.
Religiöse Sinnbildung in sprachlichen Prozessen
Religiöse Sinnbildung vollzieht sich in und durch Metaphern. Religion, die ihren ultimativen Gegenstand – das Transzendente – niemals wörtlich artikulieren kann, ist darauf angewiesen. Der SFB 1475 „Metaphern der Religion: Religiöse Sinnbildung in sprachlichen Prozessen“ will diesen Vorgang theoretisch genauer verstehen und methodisch erfassen, um die semantischen Ausformungen von Religion empirisch und vergleichend erforschen zu können. So wollen die Forschenden die Herausbildung von Religion als soziokulturelles Phänomen besser begreifen und zentrale Entwicklungen innerhalb spezifischer religiöser Traditionen genauer erfassen.
Während es bereits umfangreiche Forschung zu einzelnen Metaphern in religiösen Texten gibt, liegt der innovative Kern des SFBs darin, dass er Metaphorizität als zentrales Prinzip religiöser Sinnbildung fokussiert. Zudem ermöglicht die multidisziplinäre Zusammensetzung des SFBs vergleichende Studien in einem einzigartigen Umfang. Die Teilprojekte behandeln Christentum, Islam, Judentum, Zoroastrismus, Jainismus, Buddhismus und Daoismus mit Quellen aus Europa, dem Nahen und Mittleren Osten sowie Süd-, Zentral- und Ostasien. Die Zeitspanne reicht von 3000 vor Christus bis heute. Die Gliederung der Teilprojekte in drei Sektionen orientiert sich an den grundlegenden sprachlichen Domänen des Physischen, des Psychischen und des Sozialen.
Der SFB ist über ein methodisches Instrumentarium integriert, vor allem durch ein in allen Teilprojekten genutztes Werkzeug zur Metaphernannotation, das hermeneutische Interpretation und computergestützte Analysen komplementiert. „In der ersten Förderphase konzentriert sich der SFB auf Texte“, verdeutlicht Prof. Dr. Volkhard Krech, Sprecher des SFB. „Eine Arbeitsgruppe wird jedoch die Beziehung zwischen Metaphern und materiellen Objekten erkunden und methodische Ansätze entwickeln.“
Plasmen für die Stoffumwandlung
Systeme zur Stoffwandlung sind ein wichtiger Baustein bei der Nutzung und Speicherung von dezentral erzeugten regenerativen Energien. Der Sonderforschungsbereich 1316 (SFB 1316) „Transiente Atmosphärendruckplasmen – vom Plasma zu Flüssigkeiten zu Festkörpern“ widmet sich der Kombination von Atmosphärendruckplasmen mit der Katalyse, um möglichst flexible Lösungen für diese Stoffwandlung zu entwickeln. „Sie sollen skalierbar, steuerbar und robust gegen äußere Einflüsse sein, wie zum Beispiel Verunreinigungen in den Ausgangsstoffen“, erklärt Prof. Dr. Achim von Keudell, Sprecher des SFB.
Die erste Förderperiode des SFB 1316 hat sich der Aufklärung der transienten Phänomene in Atmosphärendruckplasmen sowie den Grenzflächenprozessen an der Oberfläche von Katalysatoren gewidmet. Hierbei standen drei Systeme im Zentrum: die plasmakatalytische Umwandlung von Gasen, die Kombination von Plasmen mit der Elektrolyse an der Grenzfläche zwischen Flüssigkeit und Festkörper, sowie die plasmagestützte Biokatalyse, bei der Enzyme sehr selektiv neue Moleküle erzeugen. Dabei konnten die Forschenden große Fortschritte erzielen: Sie können nun genau kontrollieren, wie sich Reaktivteilchen in Plasmen bilden. Ebenso konnten sie die atomaren und molekularen Oberflächenprozesse tiefergehend verstehen.
In der zweiten Förderperiode sollen diese Erkenntnisse zusammengeführt werden, um das Wechselspiel eines Plasmas mit seinen Reaktivteilchen und einer katalytisch wirksamen Oberfläche optimal auszunutzen. Hierzu gibt es viele weitere Fragen, da zum Beispiel in der traditionellen Katalyse im Wesentlichen stabile Moleküle Reaktionspartner sind, während in der Plasmakatalyse, Reaktivteilchen beziehungsweise hoch angeregte Spezies einen bestimmten Reaktionspfad beschleunigen oder unterdrücken können. Auf dieser Basis sollen erste Prototypenanlagen für die Plasma-Katalyse, die Plasma-Elektrolyse und die Plasma-Biokatalyse entstehen.