Physikalische Chemie Neue Sensoren erlauben die genaue Messung des Botenstoffs Dopamin
Kohlenstoff-Nanoröhren leuchten in Anwesenheit des Botenstoffs heller. So lassen sich Signale zwischen Nervenzellen einfach und genau messen.
Dopamin ist ein bedeutendes Signalmolekül für Nervenzellen. Bisher ließ sich seine Konzentration räumlich und zeitlich nicht genau bestimmen. Dank eines neuen Verfahrens ist das jetzt möglich: Ein Forschungsteam aus Bochum, Göttingen und Duisburg nutzte dafür modifizierte Kohlenstoff-Nanoröhren, die in der Gegenwart des Botenstoffs Dopamin heller leuchten. Mit diesen Sensoren ist es gelungen, die Freisetzung von Dopamin aus Nervenzellen mit bisher nicht erreichter Auflösung sichtbar zu machen. Die Forschenden um Prof. Dr. Sebastian Kruss von der Physikalischen Chemie der Ruhr-Universität Bochum (RUB) und Dr. James Daniel sowie Prof. Dr. Nils Brose vom Göttinger Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften berichten darüber in der Zeitschrift PNAS vom 25. Mai 2022.
Fluoreszenz verändert sich in Anwesenheit von Dopamin
Mit dem Botenstoff Dopamin wird unter anderem das Belohnungszentrum des Gehirns gesteuert. Funktioniert diese Signalübertragung nicht mehr, kann es zu Erkrankungen wie Parkinson kommen. Außerdem werden die chemischen Signale durch Drogen wie Kokain verändert und spielen eine Rolle bei Suchterkrankungen. „Allerdings gab es bisher keine Methode, mit der man die Dopaminsignale gleichzeitig mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung sichtbar machen konnte“, erläutert Sebastian Kruss, Leiter der Gruppe Funktionale Grenzflächen und Biosysteme an der RUB und Mitglied im Exzellenzcluster Ruhr Explores Solvation, kurz RESOLV, und dem Graduiertenkolleg International Graduate School of Neuroscience (IGSN).
Hier kommen die neuartigen Sensoren ins Spiel. Sie basieren auf sehr dünnen Röhren aus Kohlenstoff, etwa 10.000-mal dünner als ein menschliches Haar. Bestrahlt man sie mit sichtbarem Licht, leuchten sie anschließend im Nah-Infrarotbereich mit Wellenlängen von 1.000 Nanometern und mehr. „Dieser Bereich des Lichts ist für Menschen nicht sichtbar, kann aber tiefer in Gewebe eindringen und somit bessere und schärfere Bilder liefern als sichtbares Licht“, so Kruss. Außerdem existieren in diesem Bereich wesentlich weniger Hintergrundsignale, die das Ergebnis verfälschen können.
„Wir haben diese Eigenschaft durch Bindung verschiedener kurzer Nukleinsäuresequenzen an die Kohlenstoff-Nanoröhren systematisch so modifiziert, dass sie ihre Fluoreszenz ändern, wenn sie mit definierten Molekülen in Kontakt kommen“, erklärt Sebastian Kruss. So ist es seiner Arbeitsgruppe gelungen, Kohlenstoff-Nanoröhren zu winzigen Nanosensoren zu machen, die zum Beispiel spezifisch an Dopamin binden und je nach Dopaminkonzentration mehr oder weniger stark fluoreszieren. „Dass solche Sensoren für die Neurobiologie interessant sein würden, war uns sofort klar“, meint Kruss.
Gesunde Nervenzellen mit Sensorschicht bemalen
Dafür müssen die Sensoren aber in die Nähe von funktionsfähigen neuronalen Netzwerken gebracht werden. Dr. Sofia Elizarova und James Daniel vom Göttinger Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften entwickelten dafür Zellkulturbedingungen, bei denen die Nervenzellen gesund bleiben und mit einer extrem dünnen Schicht aus Sensoren bemalt werden können. Damit konnten die Forschenden zum ersten Mal einzelne Dopamin-Freisetzungsereignisse entlang der neuronalen Strukturen sichtbar machen und Einblicke in die Mechanismen der Dopamin-Freisetzung gewinnen.
Kruss, Elizarova und Daniel und sind vom Potenzial der neuen Sensoren überzeugt: „Sie ermöglichen neue Erkenntnisse über die Plastizität und Regulation von Dopaminsignalen“, sagt Sofia Eizarova. „Langfristig könnten sie auch Fortschritte bei der Behandlung von Erkrankungen wie Parkinson möglich machen.“ Außerdem werden momentan weitere Sensoren entwickelt, mit denen andere Signalmoleküle sichtbar gemacht werden können – bis hin zur Identifikation von Krankheitserregern.