Astrophysik Simulation hilft bei der Suche nach dem Ursprung kosmischer Strahlung
Die kosmische Strahlung scheint überall um uns herum zu sein. Genau das macht es schwer, ihre Quellen zu finden. Hilfreich wäre es, wenn man ihren Weg durchs All zurückverfolgen könnte. Dabei hilft ein neues Programm.
Ein internationales Forschungsteam hat ein Computerprogramm entwickelt, mit dem sich der Transport kosmischer Strahlung durch das All simulieren lässt. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hoffen, so das Rätsel um die Quellen der kosmischen Strahlung lösen zu können. Bislang ist unbekannt, welche Himmelsobjekte die hochenergetische Strahlung aussenden, die aus dem All auf die Erde prasselt. Um experimentelle Daten erklären zu können, braucht es theoretische Modelle; die neue Computersimulation kann diese liefern. Ein Team um Forschende der Ruhr-Universität Bochum (RUB) beschreibt die Software in der Zeitschrift Journal of Cosmology and Astroparticle Physics, online veröffentlicht am 12.September 2022.
Wie ein gleichmäßig ausgeleuchteter Himmel am Tag
Seit ihrer Entdeckung von 100 Jahren versuchen Forschende zu entschlüsseln, woher die kosmische Strahlung kommt. Das Problem: Von der Erde aus betrachtet sieht sie so aus wie der Himmel bei Tag mit bloßem Auge: Er ist fast überall, wo man hinschaut, gleich hell erleuchtet. Denn das Licht der Sonne wird in der Erdatmosphäre gestreut und verteilt sich gleichmäßig über den gesamten Himmel. Auch die kosmische Strahlung wird auf ihrem Weg zur Erde gestreut – durch Wechselwirkungen mit kosmischen Magnetfeldern. Von der Erde aus ist nur ein gleichmäßig ausgeleuchtetes Bild zu sehen; der Ursprung der Strahlung bleibt verborgen.
Teilchenbahnen von Anfang bis Ende simuliert
„Mit unserem Programm CRPropa ist es möglich, die Bahnen der Teilchen von ihrer Entstehung bis zu ihrer Ankunft auf der Erde nachzuverfolgen – und zwar für alle Energien, die wir von der Erde aus beobachten können“, sagt Julien Dörner, Doktorand an der RUB. „Auch die Wechselwirkung der Teilchen mit Materie und Photonfeldern im Universum können wir vollständig berücksichtigen.“
Dabei kann das Programm nicht nur kosmische Strahlung simulieren, sondern auch Neutrinoteilchen oder Gammastrahlung, die in Wechselwirkungen der kosmischen Strahlung entstehen. „Diese Botenteilchen sind – anders als die kosmische Strahlung – direkt von ihren Quellen beobachtbar, sie kommen also auf direktem Weg zur Erde“, erklärt Dr. Patrick Reichherzer, Postdoktorand an der RUB. „Mit der Software können wir solche Strahlung von Neutrinos und Gammastrahlung auch aus fremden Galaxien wie Starbursts oder aktiven Galaxien vorhersagen.“
Das vorgestellte Simulationsprogramm ist die umfassendste derzeit existierende Simulationssoftware und ermöglicht neue Forschungswege. „Wir können neue Energiebereiche in der Simulation erschließen, die mit bisherigen Programmen nicht vollständig erfasst werden konnten“, sagt Prof. Dr. Karl-Heinz Kampert von der Bergischen Universität Wuppertal. „Insbesondere der Übergang von der kosmischen Strahlung aus unserer eigenen Galaxie zu einem Anteil, der aus fremden Galaxien kommt, kann theoretisch beschrieben und mit Beobachtungen verglichen werden.“
Experimentelle Daten sind nur mit theoretischer Hilfe interpretierbar
Das Simulationsprogramm ist in einer internationalen Zusammenarbeit von 17 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern entstanden, die in Deutschland, Spanien, den Niederlanden, Italien, Kroatien, England und Österreich forschen. Die RUB ist mit acht Forschenden federführend am Projekt beteiligt. Die Arbeiten sind im Rahmen des Sonderforschungsbereichs (SFB) 1491 „Das Wechselspiel der kosmischen Materie“ entstanden, gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft. SFB-Sprecherin Prof. Dr. Julia Tjus von der RUB betont: „Die Veröffentlichung ist ein großer Schritt, um den Transport und die Wechselwirkung der kosmischen Strahlung quantitativ in drei Dimensionen zu beschreiben. CRPropa wird signifikant dazu beitragen zu verstehen, woher die kosmische Strahlung kommt. Denn wir benötigen theoretische Berechnungen, die uns helfen, die Vielfalt an Daten, die wir aus dem Kosmos haben, zu interpretieren.“
Förderung