Antibiotika Gleicher Angriffspunkt – unterschiedliche Wirkung
Auch wenn verschiedene Antibiotika dasselbe Ziel in der bakteriellen Zelle angreifen, können die zellulären Konsequenzen unterschiedlich sein.
Neue antimikrobielle Strategien sind dringend erforderlich, um Krankheitserreger einzudämmen. Das gilt insbesondere für Gram-negative Bakterien, die durch eine dicke zweite Membran vor dem Angriff von Antibiotika geschützt sind. Mikrobiologinnen und Mikrobiologen der Fakultät für Biologie und Biotechnologie der Ruhr-Universität Bochum haben die Wirkung von fünf verschiedenen Substanzen verglichen, die den Aufbau dieser äußeren Membran hemmen. Neben den erwarteten Konsequenzen fanden sie – je nach Substanz – eine Reihe von zusätzlichen zellulären Antworten der bakteriellen Zelle. Die Ergebnisse können helfen, das Anwendungspotenzial solcher Inhibitoren besser einzuschätzen und wurden am 6. März 2024 im Journal of Biological Chemistry veröffentlicht.
Die äußere Membran Gram-negativer Bakterien als Angriffspunkt für Antibiotika
Seit mehr als hundert Jahren werden Bakterien aufgrund ihres Färbeverhaltens in Gram-positive und Gram-negative Bakterien eingeteilt. Gram-negative Krankheitserreger stellen eine besondere Herausforderung dar, weil sie von einer zweiten Membran umgeben sind, die viele Antibiotika nicht passieren lässt. „Andererseits sind die Enzyme, die diese äußere Membran herstellen, einzigartig und sind deshalb interessante Angriffspunkte für spezifische Antibiotika gegen diese Gruppe von Bakterien“ erklärt Prof. Dr. Franz Narberhaus, Inhaber des Lehrstuhls für Biologie der Mikroorganismen und Leiter der Studie.
Schlüsselenzym kann gehemmt werden
Ein besonders attraktives Ziel für die Antibiotika-Entwicklung ist das Enzym LpxC, das den ersten unumkehrbaren Schritt in der Biosynthese der äußeren Membran von Gram-negativen Bakterien katalysiert. Um zu erfahren, wie das Modellbakterium Escherichia coli auf die Blockierung dieses Enzymes reagiert, haben die Forschenden die zelluläre Antwort auf fünf verschiedene LpxC-Inhibitoren miteinander verglichen. Alle fünf Substanzen konnten an LpxC binden und dieses Enzym hemmen, was zu einer Akkumulation von inaktivem LpxC in den Bakterienzellen führte. Außerdem wurden die Bakterien durch alle fünf Substanzen abgetötet, allerdings mit deutlich unterschiedlicher Effizienz.
Gleich und doch nicht gleich
Obwohl alle Inhibitoren an der gleichen Stelle angreifen, gab es eine Reihe von substanzspezifischen Unterschieden in der bakteriellen Antwort auf die Behandlung. Vier der Substanzen veränderten das Gleichgewicht in der Membranzusammensetzung, ein Zeichen für akuten Membranstress. Einige Substanzen induzierten eine generelle Stressantwort oder griffen in Stoffwechselwege ein, die nicht in direktem Zusammenhang mit der Membran-Biosynthese stehen. „Wir lernen daraus, dass man genau hinschauen sollte, was in den Bakterien passiert, bevor man solche Substanzen einsetzt“, warnt Prof. Dr. Julia Bandow, Leiterin des Centers für systembasierte Antibiotikaforschung CESAR, in dem ein Teil der Studien durchgeführt wurde. Selbst wenn das gleiche Enzym gehemmt wird, heißt das nicht automatisch, dass die zellulären Antworten der Bakterien identisch sind.
Neue antimikrobielle Wirkstoffe mit großem Potenzial
Leider sind alle bisher verfügbaren LpxC-Inhibitoren aufgrund von Nebenwirkungen an Mensch und Tier für eine klinische Anwendung ungeeignet. Hoffnung macht allerdings ein vor wenigen Monaten beschriebener neuer LpxC-Inhibitor, der sehr effizient bakterielle Infektionen bekämpft und dabei frei von Nebenwirkungen ist, zumindest im Tiermodell. „Wir sind nun sehr daran interessiert zu testen, wie Bakterien auf diese Substanz reagieren“, so Franz Narberhaus. In Zukunft soll auch die bakterielle Antwort auf andere Wirkstoffe, die an früheren oder späteren Schritten der Biosynthese der äußeren Membran angreifen, untersucht werden. Trotz des großen Potenzials solcher Antibiotika ist über deren Wirkmechanismus und die bakterielle Reaktion darauf erst wenig bekannt.