
Ilya Ayzenberg (links) und Thomas Grüter wollen das Augenmerk von Medizinerinnen und Medizinern auf die Möglichkeit einer anti-IgLON-Krankheit lenken.
Medizin
Immuntherapie bei anti-IgLON5-Erkrankung so früh wie möglich einsetzen
Forschende appellieren: Bei bestimmten Symptomen an die anti-IgLON5-Erkrankung denken. Denn eine frühe Behandlung ist die einzig erfolgversprechende.
Mit Unruhe im Schlaf fängt es oft an, Bewegungs-, Schluck- und Sprechstörungen sind ebenfalls typisch. Doch eine Menge unterschiedlicher weiterer Symptome macht die Diagnose der anti-IgLON5-Erkrankung schwierig. Die Autoimmunerkrankung ist selten, führt aber unbehandelt binnen weniger Jahre zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen und häufig zum Tod. Eine internationale Beobachtungsstudie mit 107 Patientinnen und Patienten hat ergeben, dass die Immuntherapie so früh wie möglich eingesetzt werden sollte, und die intravenöse Gabe von Immunglobulinen scheint dabei die wirksamste Therapie zu sein. Das Team um Prof. Dr. Ilya Ayzenberg und Privatdozent Dr. Thomas Grüter aus der Neurologie des St. Josef-Hospitals, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum, berichtet im Magazin JAMA Neurology vom 4. August 2025.
Die anti-IgLON5-Erkrankung wurde erst 2014 erstmals beschrieben und tritt typischerweise im höheren Lebensalter auf. „Die erste Phase ist durch entzündliche Prozesse im Gehirn gekennzeichnet“, erklärt Thomas Grüter. „Während dieser Phase kann eine Immuntherapie noch etwas bewirken.“ Später tritt die Entzündung in den Hintergrund, und es werden zunehmend Nervenzellen und -fasern abgebaut. Die Immuntherapie wirkt dann in der Mehrheit der Fälle nicht mehr effektiv.
In die Studie konnten die Forschenden 107 Patientinnen und Patienten aus aller Welt einschließen, deren Daten über drei große Zentren in Deutschland, den Niederlanden und Spanien gesammelt und ausgewertet wurden. Im Durchschnitt wurde die Erkrankung im Alter von 64 Jahren diagnostiziert. Jedoch erhielt nur ein gutes Drittel der Betroffenen die Diagnose binnen eines Jahres nach dem Auftreten der ersten Symptome. „Die Erkrankung ist neu und selten. Ihre Symptome ähneln denen mehrerer anderer neurologischer Krankheiten – etwa der atypischen Parkinson-Erkrankung, der bulbären Myasthenie oder auch der Motoneuronerkrankung. Die Diagnose ist äußerst anspruchsvoll, aber von großer Bedeutung, da die Erkrankung im Frühstadium gut behandelbar ist“, erklärt Ilya Ayzenberg.
Zwei verschiedene Immuntherapien
23 Prozent der beobachteten Patientinnen und Patienten erhielten während des ersten Jahres nach Ausbruch der Erkrankung eine Immuntherapie, 52 Prozent erst später. Im Schnitt begann die Behandlung rund zwei Jahre nach den ersten Symptomen. Zwei verschiedene Immuntherapien kamen hauptsächlich zum Einsatz: zum einen das Medikament Rituximab, zum anderen Infusionen von Immunglobulinen.
„Rituximab wird in der Rheumatologie häufig eingesetzt und richtet sich gegen sogenannte B-Zellen, die bestimmte Antikörper herstellen“, erklärt Thomas Grüter. Immunglobuline basieren auf isolierten Eiweißen aus Spenderblut. Eine Überlegenheit der eher unspezifischen Therapie mit Immunglobulinen gegenüber der gezielten Antikörper-Therapie mit Rituximab war eine Überraschung. Diese Ergebnisse sollen zwar in weiteren, idealerweise prospektiven Studien bestätigt werden; die frühe Einleitung einer Therapie mit Immunglobulinen erscheint auf jeden Fall vielversprechend.
Je eher behandelt, desto besser
„Wir appellieren an alle Neurologinnen und Neurologen, bei passenden Symptomen früh an die anti-IgLON5-Erkrankung zu denken und eine entsprechende Antikörper-Testung im Blut durchzuführen“, sagt Thomas Grüter. „Je eher die Diagnose gestellt und die Therapie begonnen wird, desto wahrscheinlicher ist es, die Erkrankung aufhalten zu können.“
Nicht oder zu spät behandelt, führt die Erkrankung zu schweren Beeinträchtigungen und häufig zum Tod. 40 Prozent der in die Studie eingeschlossenen Patienten starben innerhalb der Beobachtungszeit nach im Schnitt fünf Jahren, wobei bei mindestens zwei Dritteln von ihnen die anti-IgLON5-Erkrankung die Ursache war.
Aufruf: An Registern beteiligen
„Forschung zu seltenen Erkrankungen kann nur dann Fortschritte machen, wenn Patientinnen und Patienten in den entsprechenden Registern erfasst werden“, betont Ilya Ayzenberg. „Deshalb appellieren wir eindringlich an die behandelnden Ärztinnen und Ärzte, sich an diesen Registern zu beteiligen – in Deutschland zum Beispiel am Netzwerk für autoimmune Enzephalitis GENERATE.“