Technologietransfer Wenn aus Abfall wieder Rohstoff wird
Ein neues Recyclingverfahren macht Stahlspäne wieder für die Industrie nutzbar. Forschende haben gemeinsam mit Unternehmen experiementelle Methoden in die Anwendung gebracht.
Deutschland zählt zu den führenden Industrieländern der Welt, besitzt aber kaum eigene natürliche Rohstoffquellen. Importe, beispielsweise aus China, sind entscheidend, um den Bedarf der Wirtschaft zu decken. Eine neue Recyclingmethode, die am Lehrstuhl für Werkstofftechnik im Verbundprojekt „Genesis – Energieeffiziente Kreislaufwirtschaft kritischer Rohstoffe“ entwickelt wurde, könnte Industrieprozesse in Zukunft unabhängiger und umweltfreundlicher machen. Schulter an Schulter mit Industriepartnern haben Forschende ein Verfahren entwickelt, um metallische Schleifspäne als Rohstoff für die metallverarbeitende Industrie zurückzugewinnen. Diese fallen beispielswiese bei der Herstellung von Werkzeugen an. Das Team mit dem QUBO – Innovationsaward der Ruhr-Universität Bochum in der Kategorie Technologietransfer ausgezeichnet. Felix Großwendt erklärt im Interview, warum Innovationen den Austausch mit der Industrie brauchen. Gefördert wurde das Projekt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).
Herr Großwendt, natürliche Ressourcen werden immer knapper und der Abbau ist umweltschädlich. An welchem Lösungsansatz arbeiten Sie im Projekt Genesis?
Wir möchten den Ressourcenverbrauch verringern und haben uns daher genau angeschaut, was eigentlich mit den Ressourcen passiert. Eine Firma, die etwa eine Tonne Werkzeugstahl kauft, wirft davon bei der Weiterverarbeitung oft über 500 Kilogramm weg. Wir wollen diesen „Müll“ wieder in den Kreislauf der Wertschöpfung einbringen. Eine Firma schleift also ihre Bauteile. Wir sammeln die metallischen Späne ein, die sonst auf dem Müll gelandet wären, reinigen diese, verarbeiten diese zu einem Halbzeug und geben den wiedergewonnenen Stahl zurück an eine Firma, die daraus wieder etwas herstellen kann. Alles, was vorher Abfall war, wird wieder zu einem Rohstoff beziehungsweise einem Produkt. Dadurch müssen weniger Primärrohstoffe gefördert und weniger Energie aufgewendet werden.
Was bedeutet Technologietransfer im Kontext des Projektes Genesis?
Die Ruhr-Universität Bochum besitzt die experimentellen Anlagen, mit denen wir aus den Metallspänen wieder einen soliden Block erzeugen können, ohne dass wir Unmengen an Energie verbrauchen. Firmen kaufen Halbzeuge, also Metallblöcke, um daraus ihre Produkte, wie beispielweise Werkzeuge, zu schleifen. Der Abrieb aus dem Schleifprozess ist vergleichbar mit einer Art Wolle oder Schwamm – er hat ein Riesenvolumen und wiegt fast nichts. Daraus wieder einen soliden Block zu machen, geht nur durch Pressen und Erhitzen. Mit unserer Technologie, die auf Druck und elektrischen Strompulsen basiert, müssen wir den Abrieb nicht einschmelzen. Das ist umweltschonender, sehr innovativ, sehr neu, und in der Wirtschaft noch nicht vorhanden. Wir nutzen also unser technisches Wissen darüber, wie man unkonventionelle Pulver-Materialien wieder verdichten kann, um Firmen dabei zu unterstützen, mit ihrem vorhandenen Wissen wieder Werkzeuge herzustellen. Wir greifen bei dieser Technologie auf Grundlagenforschung zurück, die an der Universität bereits vor zehn Jahren begonnen wurde.
Als Forschungseinrichtung erhalten wir die Möglichkeit, unsere experimentellen Methoden auf einen viel größeren Maßstab zu skalieren.
Was ist der Mehrwert von der Zusammenarbeit mit der Industrie?
Als Wissenschaftler habe ich bisher nur an der Universität gearbeitet. Durch die Zusammenarbeit mit unseren Praxispartnern habe ich hilfreiche Einblicke bekommen, wie die Industrie eigentlich funktioniert. Wenn wir Material vor Ort bei den Firmen abholen, sehen wir, wie die ganzen Herstellungsprozesse in der Werkshalle wirklich funktionieren. Das ist etwas ganz anderes, als alles nur als Schemabild zu betrachten. Zudem erhalten wir als Forschungseinrichtung die Möglichkeit, unsere experimentellen Methoden auf einen viel größeren Maßstab zu skalieren. Dabei können wir viel Lernen und unsere Methoden weiter verbessern.
Technologietransfer macht technisches Wissen für andere, beispielsweise die Wirtschaft, nutzbar. Gleichzeitig kann die Forschung auch von der Industrie lernen.
Ja. Gerade am Anfang eines Projektes gibt es unterschiedliche Erwartungshaltungen. In unserem Fall ist es so, dass verschiedene Werkzeuge aus verschiedenen Stählen hergestellt werden, die wiederum verschiedene Legierungselemente enthalten. Wenn wir ein neues Werkzeug aus den recycelten Spänen herstellen wollen, müssen wir die Legierungselemente kennen. Als wir die erste Abfall-Charge erhalten haben, befanden sich Späne aus der Produktion ganz unterschiedlicher Werkzeuge in einem Container. Es lagen also Späne mit unterschiedlichen chemischen Zusammensetzungen durchmischt vor. Damit konnten wir nichts anfangen.
Solche Dinge kann man nur ergründen, wenn man hinfährt und mit den Leuten spricht.
Vor Ort haben wir dann festgestellt, dass die gesamte Infrastruktur in der Fertigung darauf ausgelegt ist, effizient zu sein. Alle Maschinen waren daher an einen großen Sammelcontainer angeschlossen. Am Ende kam normalerweise alles auf die Deponie, wo sich niemand für die unterschiedlichen Legierungselemente im Abfall interessiert. Solche Dinge kann man nur ergründen, wenn man hinfährt und mit den Leuten spricht. Anders kann man kaum eine Verbesserung bewirken.
Wie geht man solche Herausforderungen an?
Als Forscher flexibel zu bleiben, ist wichtig. Manche Unternehmen existieren seit mehr als 150 Jahren. Ihre Strukturen sind aus den Begebenheiten gewachsen, die damals relevant waren; auf zirkuläre Wertschöpfung ist in vielen Firmen nichts ausgelegt. Teilweise kann das zu Verzögerungen im Forschungsprojekt führen, da Prozessschritte grundlegend angepasst werden müssen. Wenn die Industriepartner einen ähnlichen Hintergrund haben oder in einem ähnlichen Fachgebiet unterwegs sind wie wir Forschenden, kann das enorm hilfreich sein. Eine gute Kommunikation ist hier sehr wichtig.
Was bedeutet Ihnen die Auszeichnung mit dem QUBO-Innovationsaward in der Kategorie Technologietransfer?
Wir sind sehr, sehr glücklich über die Auszeichnung. Gleichzeitig waren wir überrascht, dass wir gewonnen haben. „Technologie“, das Wort klingt nach Hightech. Unsere Forschung hingegen wirkt auf mich sehr „hands-on“. Wenn man längere Zeit in einem Forschungsprojekt arbeitet, verliert man wohl ein bisschen den Blick für die Innovation.
Können Sie uns verraten, wofür Sie das Preisgeld in Höhe von 5.000 Euro verwendet haben?
Mit dem PR.INT - Project International-Programm der RUB Research School bin ich Ende 2024 in Schweden an einem Lehrstuhl für Technische Chemie gewesen. Hier habe ich mir Ideen für Chemielabor-Equipment zur Entölung der Schleifspäne geholt. Wenn wir Schleifspäne wieder zu einem hochwertigen, reinen Stahlblock machen wollen, müssen wir die Späne sorgfältig von Kühlmitteln und Schleifscheibenabrieb reinigen. In unserem Schleifspänen ist noch etwas Öl enthalten, das restlos herausgelöst werden muss. Bisher haben wir das Öl mechanisch rausgeschleudert, um anschließend mit Aceton als Lösungsmittel den Abfall weiter zu reinigen. Das ist nicht optimal, da Aceton das Öl nicht so gut löst und man sehr viel davon benötigt. Von dem Preisgeld haben wir nun geeigneteres Equipment gekauft. Diese Technologie wurde quasi zu uns – von Schweden an die Ruhr-Universität – transferiert.
QUBO – Innovationsaward der Ruhr-Universität Bochum