Maschinenbau Damit wertvolle Metalle nicht auf der Deponie landen
Für die Produktion von Metallwerkzeugen fallen unvorstellbare Mengen Schleifspäne an. Bislang landen sie im Müll. Wenn es nach dem Team des preisgekrönten Projekts „Genesis“ geht, soll das nicht so bleiben.
Wie im Angriffsmodus prallt eine kleine rotierende Metallscheibe auf einen zylinderförmigen Felsklotz und macht sich an die Arbeit. Umdrehung für Umdrehung schleift sie etwas mehr von dem Gestein ab, bis tiefe Rillen entstehen, manchmal sogar große Splitter zu allen Seiten fliegen. Im kleinen Maßstab simuliert dieser Versuchsstand in der Werkhalle der Ruhr-Universität Bochum die Arbeit riesiger Tunnelbaumaschinen. Das Besondere dabei ist die Herkunft der kleinen Scheibe: Der Schneidring besteht aus recyceltem Stahl.
Allein in Deutschland fallen pro Jahr mehr als 250.000 Tonnen Schleifabfälle an.
Üblicherweise werden solche Werkzeuge aus metallischen Vollkörpern herausgeschliffen. „Allein in Deutschland fallen dadurch pro Jahr mehr als 250.000 Tonnen Schleifabfälle an“, erklärt Prof. Dr. Sebastian Weber, Leiter des Lehrstuhls für Werkstofftechnik. Die Legierungen, die dabei im Müll landen, wurden oft mit hohem Energieverbrauch und großem CO2-Ausstoß produziert und beinhalten wertvolle Elemente wie Wolfram oder Kobalt. Zu schade für die Mülltonne, dachten sich die Forschenden.
Im Projekt „Genesis – Energieeffiziente Kreislaufwirtschaft kritischer Rohstoffe“ erforscht die Bochumer Gruppe um Doktorand Felix Großwendt und Masterstudentin Michelle Treppmann, ob sich Schleifabfälle recyceln und zu leistungsfähigen neuen Werkzeugen verarbeiten lassen. Dabei kooperiert das Team mit dem Forschungszentrum Jülich, der Bergischen Universität Wuppertal, der RWTH Aachen sowie Industriepartnern, gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.
Zum einen wollen die Forschenden mit Genesis zu einer umweltschonenden Kreislaufwirtschaft metallischer Werkstoffe beitragen. Zum anderen könnte das Recycling wertvoller Elemente aber auch helfen, den Westen unabhängiger von unzuverlässigen Rohstofflieferanten zu machen. „Im Dezember 2024 hat die Volksrepublik China den Export von Wolfram in die USA verboten“, gibt Felix Großwendt ein Beispiel. „Wolfram ist mit 12 Prozent Anteil das Hauptelement in dem Stahl, mit dem wir in unserem Projekt arbeiten.“
Die Herausforderung für das Genesis-Team: Im Schleifprozess fallen keine reinen Stahlspäne an. Diese mischen sich stattdessen mit Schleiföl, keramischem Abrieb von der Schleifscheibe, Wasser und weiteren Komponenten. „Es entsteht ein ekeliger Schlamm“, bringt Felix Großwendt es auf den Punkt. Normalerweise landet dieser auf der Deponie oder wird verbrannt. „Das ist alles andere als nachhaltig“, ergänzt Sebastian Weber. Das Genesis-Team bereitet die Schleifabfälle daher auf und erzeugt aus den Metallspänen neue Werkzeuge.
In verschiedenen Versuchsständen an der Ruhr-Universität Bochum testen die Forschenden, wie gut die recycelten Werkzeuge den Belastungen standhalten. Michelle Treppmann untersuchte in ihrer Masterarbeit beispielsweise die Druckfestigkeit. Sie beobachtet dafür, wie sich bei Belastung Risse im Metall bilden und fortpflanzen.
„Die aufgereinigten Metallspäne sind nicht komplett rein, es verbleiben zum Beispiel kleine, keramische Schleifpartikel darin, die Sollbruchstellen darstellen“, erklärt sie. Daher können die recycelten Werkzeuge derzeit noch nicht die gleichen Belastungen vertragen wie herkömmlich produzierte. Eine optimierte Aufreinigung des Schleifschlamms ist eine Stellschraube, an der man künftig drehen könnte. Außerdem gilt es, die perfekten Einsatzzwecke für die recycelten Metalle zu finden.
Die perfekten Einsatzzwecke finden
„Wir sehen, dass unsere Recyclate bestimmte Belastungen besser vertragen als andere“, erklärt Doktorand Felix Großwendt. Während die schlagenden Belastungen in einer Tunnelbaumaschine die Werkzeuge vor besondere Herausforderungen stellen, könnten andere Einsatzgebiete ihnen mehr entgegenkommen. „Wenn man zum Beispiel Baggerschaufeln, die einen schleifenden Abrieb erfahren, auf diese Weise herstellen würde, könnte es sogar von Vorteil sein, wenn es kleine keramische Einschlüsse in dem Metall gibt“, so Großwendt. Der erste Schritt, künftig weniger Metall zu verschwenden, ist mit Genesis jedenfalls gemacht.