Serie Mit Wissenschaft durchs Jahr
Die Philosophie beantwortet Fragen der Moral, sagt Sabine Salloch.
© Roberto Schirdewahn

20. November Tag der Philosophie

Hat Philosophie im Zeitalter der Lebenswissenschaften noch Platz? Das haben wir Sabine Salloch gefragt. Sie arbeitet als Medizinerin und Philosophin am Institut für Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin.

Gerade wegen der fortschreitenden Entwicklung der Lebenswissenschaften können moderne Gesellschaften auf den Beitrag der Philosophie nicht verzichten. Vieles von dem, was über lange Zeit dem Einfluss menschlichen Handelns entzogen war, ist in den vergangenen Jahrzehnten machbar geworden.

Präimplantations- und Pränataldiagnostik, Intensivmedizin und Organtransplantation ermöglichen gravierende Eingriffe in die menschliche Existenz, die Leben retten und Leiden lindern können, daneben aber regelmäßig auch Fragen nach der moralischen Zulässigkeit eröffnen.

Die moralischen Grenzen des Einsatzes von Technologien können die Lebenswissenschaften nicht aus ihrem eigenen methodischen Repertoire heraus bestimmen. Sie bedürfen dazu vielmehr der Ergänzung und Korrektur durch weitere Disziplinen.

Fortschritt kritisch hinterfragen

Zunächst sind hier die Sozialwissenschaften gefragt, die Auskunft geben über Verständnis und Akzeptanz neuer technischer Möglichkeiten. Aus der Tatsache, dass eine große Mehrheit der Bevölkerung bestimmte Technologien gutheißt, darf jedoch nicht unmittelbar gefolgert werden, dass diese in moralischer Hinsicht unproblematisch sind. Solche und ähnliche Fehlschlüsse aufzudecken ist Aufgabe der Philosophie.

Zusätzlich hält die Philosophie das „theoretische Rüstzeug“ bereit, das notwendig ist, um wissenschaftlichen Fortschritt in moralischer Hinsicht einzuordnen. Theorien der philosophischen Ethik bieten die Möglichkeit einer extern-kritischen Evaluation neuer Technologien und gesellschaftlicher Entwicklungen. Und auf diese Möglichkeit sollten Wissenschaft und Gesellschaft nicht freiwillig verzichten, da sie sonst Gefahr laufen, einer unkritischen Fortschrittsgläubigkeit anheim zu fallen.

Auch die Philosophie kann dieses Geschäft nur in Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaften betreiben und nur durch wahre interdisziplinäre Zusammenarbeit ihren Beitrag zu einem verantwortungsvollen Umgang mit den Ergebnissen der modernen Lebenswissenschaften leisten.

Unveröffentlicht

Von

Sabine Salloch

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