Fotoakustik im Klinikalltag Mit Licht zuhören

Die Fotoakustik als neues bildgebendes Verfahren verspricht in der Medizin zahlreiche diagnostische Möglichkeiten. Doch welches Potenzial hat die Methode für den Klinikalltag wirklich?

Die Schwere von Brandwunden bestimmen, Rheuma frühzeitig diagnostizieren, das Gefahrenpotenzial von Plaques in der Halsschlagader ermitteln – all das könnte mit der Fotoakustik möglich sein. Das Potenzial des neuen bildgebenden Verfahrens testen Bochumer Medizintechniker und ihre Partner im EU-Projekt Fullphase.

Es wird gern gesagt, die Fotoakustik verbinde das Beste aus zwei Welten.


Georg Schmitz

„Es wird gern gesagt, die Fotoakustik verbinde das Beste aus zwei Welten“, sagt Prof. Dr. Georg Schmitz vom Lehrstuhl Medizintechnik. Damit sind die Welt des Lichts und die des Schalls gemeint.

Anders als beim Ultraschall

Das Verfahren basiert auf dem fotoakustischen Effekt, den Alexander Graham Bell 1880 entdeckte. Licht einer bestimmten Wellenlänge wird in den Körper gestrahlt, wo das Gewebe einen Teil der Strahlung aufnimmt; man spricht von Absorption. Durch die dabei aufgenommene Energie erhöht sich die Temperatur um Bruchteile eines Grades, das Gewebe dehnt sich kurz aus und es entsteht eine Schallwelle. Ein Ultraschallgerät wertet die aus dem Körper zurückkommenden Signale aus. Und zwar zeitaufgelöst, sodass kein statisches Bild entsteht, sondern ähnlich wie beim Ultraschall ein Film.

Die Fotoakustik gibt dennoch andere Einblicke ins Körperinnere als eine Ultraschalluntersuchung. Sie unterscheidet Gewebetypen anhand ihrer Fähigkeit, Licht zu absorbieren. Unterschiedliche Gewebe nehmen unterschiedlich viel Licht auf, beziehungsweise sie absorbieren Licht verschiedener Wellenlängen.

Ein Beispiel: Sauerstoffarmes Blut absorbiert kurzwelligere Strahlung besser als sauerstoffreiches Blut. Auf diesem Wege könnten Mediziner zum Beispiel verfolgen, wie sich der Sauerstoffgehalt in Tumoren verändert, und daraus auf das Tumorstadium schließen.

Mit der Laserleistung, die wir verwenden, besteht für den Patienten bei vorschriftsmäßiger Anwendung keinerlei Gefahr.


Georg Schmitz

Ob das in Zukunft gelingen wird, hängt davon ab, wie tief man mit dem eingestrahlten Licht in den Körper eindringen kann. Am besten eignet sich Strahlung im Nahinfrarotbereich, also knapp unter dem sichtbaren roten Licht. Setzt man jedoch zu viel davon ein, kann das Verbrennungen zur Folge haben.

Im Projekt Fullphase richten sich die Forscherinnen und Forscher nach der Arbeitsschutzsicherheitsverordnung. „Wir halten uns also an die gleichen Grenzwerte, die auch für ein normales Arbeitsumfeld gelten, zum Beispiel für das gestreute Licht einer Laserschweißstraße, an der eine Person acht Stunden am Tag steht“, erklärt Georg Schmitz. „Mit der Laserleistung, die wir verwenden, besteht für den Patienten bei vorschriftsmäßiger Anwendung keinerlei Gefahr.“

Die Grenzwerte ausloten

Schmitz’ Team möchte die Fotoakustik mit bis zu vier verschiedenen Laserwellenlängen gleichzeitig funktionstüchtig machen. Dabei erforschen die Medizintechniker, wie sie mit dem durch die Grenzwerte vorgeschriebenen Energiebudget optimal haushalten. Sie analysieren, mit wie viel Energie sie Licht einer bestimmten Wellenlänge einstrahlen sollten, um ein möglichst gutes Bild zu erhalten, aber die Grenzwerte nicht zu überschreiten.

Für die Tests im Labor stellen sich die Forscher Objekte aus PVC  her, sogenannte Phantome. Durch entsprechende Chemikalien bauen sie Streupartikel ein, die bestimmte Gewebetypen simulieren. Mit dem zurzeit vorliegenden fotoakustischen System dringt die Strahlung etwa eineinhalb Zentimeter tief ein. Für viele Anwendungen, zum Beispiel Untersuchungen oberflächlicher Blutgefäße, ist das ausreichend, lautet Schmitz‘ Fazit.

Im Labor testen die RUB-Ingenieure das fotoakustische Verfahren mit sogenannten Phantomen. Das sind Objekte aus PVC, mit denen die Forscher das Körpergewebe nachahmen.
© Damian Gorczany

Die Bochumer arbeiten auch an der Bildrekonstruktion. Sie merzen Störsignale aus und suchen nach Algorithmen, mit denen sie aus den gemessenen Schallwellen am besten die Quellen des Signals berechnen können, also aus welchem Gewebe das Signal kam.

Der Ultraschallwandler empfängt Signale von nebeneinanderliegenden Stellen auf vielen Kanälen gleichzeitig – 256 ist eine typische Zahl. Daraus müssen Schmitz und seine Kollegen rekonstruieren, was für ein Objekt das Gerät gerade sieht. Zu diesem Zweck entwickeln sie bestehende Auswertalgorithmen weiter und greifen dabei nicht nur auf Vorarbeiten für medizinische Anwendungen zurück: „Auch Forscher aus anderen Bereichen beschäftigen sich mit Algorithmen, die die Ausbreitung von Wellen beschreiben, etwa Seismiker, die Höhlen unter der Erdoberfläche suchen“, so der Bochumer Ingenieur.

Rechenpower reicht noch nicht

Die Rechenoperationen können laut Schmitz beliebig kompliziert werden. Und das stellt die Technik vor eine Herausforderung. Es gibt zwar im Projekt bereits ein kliniktaugliches System, das die fotoakustischen Bilder in Echtzeit rekonstruieren kann und farbig auf einem herkömmlichen Ultraschallbild darstellt. Aber bei fortgeschrittenen Verfahren mit ausgeklügelteren Analysealgorithmen reicht die Rechenpower dafür noch nicht aus.

Allerdings standen auch andere Methoden anfänglich vor dieser Hürde: „Viele Auswertverfahren für Ultraschall sind in den 80er-Jahren entwickelt worden und kommen jetzt in die Anwendung, weil man heute erst die Rechenpower hat“, weiß Georg Schmitz. Für die Computer der Zukunft sind die neuen Algorithmen also möglicherweise kein Problem.

Um zu zeigen, in welcher Gewebetiefe das fotoakustische Verfahren funktioniert, injizierten die Forscher Farbstoff an drei Stellen in ein Testgewebe. Links ein normales Ultraschallbild dieses Gewebes, rechts sind die fotoakustischen Daten farblich überlagert dargestellt. Der Farbstoff ist noch in einer Tiefe von rund einem Zentimeter nachweisbar.
© RUB, Lehrstuhl Medizintechnik

Der bisherige Verlauf des Projekts macht den Beteiligten jedenfalls Mut. Denn das Fullphase-Konsortium hat bereits große Fortschritte gemacht, die Georg Schmitz in der Kürze der Zeit kaum für möglich gehalten hätte. Die Industriepartner entwickelten einen Laser mit eingebautem Ultraschallwandler, der so klein ist, dass er sich in der Hand halten lässt.

„Für die meisten Studien zum fotoakustischen Verfahren verwenden Wissenschaftler leistungsstarke Laser, die Tisch füllend sind“, sagt Schmitz. Der Trick des Fullphase-Teams: Laserdioden. Ursprünglich erreichte man mit dieser Technik gerade mal eine Pulsleistung von einigen hundert Watt während der sehr kurzen Pulse. Nichts im Vergleich zu den großen Lasern, die im Megawattbereich arbeiten.

Heute schaffen die Dioden bereits einige Kilowatt; damit sind sie immer noch um den Faktor hundert leistungsschwächer als die großen Laser. Aber das fängt das Fullphase-Team auf, indem es die Laserpulse einfach schneller hintereinander einstrahlt, als es mit einem großen Laser möglich wäre.

Ich bin begeistert von unseren Möglichkeiten.


Georg Schmitz

Die Experimente im Rahmen des Projekts, das bis Oktober 2016 läuft, sollen bis in die präklinische Phase gehen; das heißt, erste Tests mit freiwilligen Probanden sind vorgesehen. Ein Nachfolgeprojekt ist bereits beantragt, für das die Bochumer Medizintechniker zurzeit eine Kooperation mit dem Universitätsklinikum Bergmannsheil aufbauen. Das Ziel: das fotoakustische Verfahren für die Beurteilung von schweren Brandwunden testen.

Bislang läuft bei Fullphase alles ganz nach Plan. Georg Schmitz zieht Zwischenbilanz: „Wir sind unserem Zeitplan sogar leicht voraus“, so der Bochumer. „Wir sind weltweit die einzigen Gruppen, die einen integrierten Ultraschallwandler mit eingebautem Laser haben, mit dem man direkt experimentieren kann. Ich bin begeistert von unseren Möglichkeiten.“

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Unveröffentlicht

Von

Julia Weiler

Dieser Artikel ist am 2. März 2015 in Rubin ET/IT 2015 erschienen. Die gesamte Ausgabe können Sie hier als PDF kostenlos downloaden. Weitere Rubin-Artikel sind hier zu finden.

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