Plasmen Kunststoffe dichter machen

Organische Leuchtdioden, künstliche Nieren und PET-Flaschen haben eins gemeinsam: Alle bestehen aus Kunststoffen, die durchlässig für verschiedene Gase sind. Das müsste nicht so sein.

PET-Flaschen haben an vielen Stellen Glasflaschen verdrängt, das Kühlregal ist voll mit Plastikverpackungen, nun wird auch diskutiert, Babynahrung in Kunststoffgefäßen statt in Gläschen anzubieten – sie sind schließlich leichter und bruchsicher. Doch noch ist die Sorge zu groß, dass schädliche Stoffe aus der Packung in die Nahrung gelangen könnten.

Neue Beschichtungsverfahren mittels Plasmen könnten Abhilfe schaffen, und außerdem dafür sorgen, dass Lebensmittel länger haltbar bleiben. Am Lehrstuhl Allgemeine Elektrotechnik und Plasmatechnik entwickelt Prof. Dr. Peter Awakowicz mit seinem Team Verfahren, um Oberflächen mit Schutzschichten zu überziehen, die den Kunststoff dichter machen.

Es gibt keinen Kunststoff, aus dem nicht irgendwelche Inhaltsstoffe entweichen.


Peter Awakowicz

Kunststoff hat eine sehr schlechte Gasbarriere, ist also durchlässig für Luft, die in beide Richtungen durch das Material treten kann. „Deswegen verliert Wasser in PET-Flaschen seine Kohlensäure, und Lebensmittel kippen um, verändern also zum Beispiel ihren Geschmack“, sagt Peter Awakowicz.

Mit der Beschichtung, an der seine Gruppe arbeitet, wären Plastikverpackungen hundertmal dichter, als sie es heute sind. Lebensmittel wären dementsprechend länger haltbar und besser geschützt vor Substanzen, die aus dem Kunststoff austreten.

„Manchmal hört man Leute sagen ‚Das schmeckt nach Plastik‘ und das ist auch so“, erzählt Awakowicz. „Es gibt keinen Kunststoff, aus dem nicht irgendwelche Inhaltsstoffe entweichen. Mit unserer Beschichtung können wir die Menge dieser Substanzen auf ein Prozent der Menge reduzieren, die normalerweise austritt.“

Das RUB-Team erforscht, wie man ein Objekt mit einer beliebigen Form aus einem bestimmten Kunststoff am besten mithilfe eines Plasmas beschichtet. Dafür nutzen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die plasma enhanced chemical vapour deposition, kurz PECVD.

Hauchdünne Glasschicht macht Kunststoff dichter

In diesem Verfahren wird die Substanz Hexamethyldisiloxan verdampft, mit Sauerstoff vermischt und im Plasma zerlegt. Dadurch scheidet sich Siliziumdioxid auf dem Kunststoff ab. Das Plasma liefert die für den Prozess notwendige Energie. Gerade einmal 50 Nanometer misst die Barriereschicht, die die RUB-Gruppe auf diese Weise auf den Kunststoff aufträgt.

Plasma: der energiereichste Zustand der Materie

Für die alten Griechen waren Erde, Wasser, Luft und Feuer die Elemente allen Seins. Heute spricht man von Festkörper, Flüssigkeit, Gas und Plasma als den Zuständen der Materie. Das Plasma ist dabei der energiereichste Zustand, der in der Natur zum Beispiel in Form von Blitzen oder Feuer auftritt. Mit seiner Erforschung und technischen Anwendung beschäftigt sich an der Ruhr-Universität das Research Department „Plasmas with Complex Interactions“, dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus fünf Fakultäten angehören, darunter auch aus der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik.

Dickere Schichten würden reißen und außerdem den Recyclingprozess stören, weil die Siliziumdioxid-Schicht nichts anderes ist als hauchdünnes Glas. Die verschwindend geringen Mengen, die die RUB-Forscher mit ihren Schichten auftragen, fallen beim Recycling nicht ins Gewicht.

Beschichtungsprozess zerstört Oberfläche

Sie bringen sie aber nicht direkt auf den Kunststoff auf, sondern beginnen zunächst mit einem Schutzfilm. Denn ihre Versuche haben ergeben, dass der sauerstoffhaltige Plasmaprozess zur Abscheidung von Siliziumdioxid die Kunststoffoberfläche angreift. Es entsteht eine sogenannte weak boundary layer. „Auf diese zerstörte Schicht kann man eine noch so tolle Barriereschicht auftragen, sie wird niemals halten“, weiß Peter Awakowicz.

Um dieses Problem messbar zu machen, dachte sich die RUB-Gruppe gemeinsam mit Kollegen aus Paderborn einen Trick aus. Anstatt die Barriereschicht auf eine herkömmliche Kunststoffoberfläche aufzutragen, nutzten sie für den Versuch eine selbstorganisierende Monoschicht, kurz SAM genannt für self-assembled monolayer.

„Das sind Moleküle, die sich auf einer aktivierten Oberfläche aufstellen wie Zinnsoldaten“, erklärt Awakowicz. Dadurch entsteht eine extrem gleichmäßige Schicht. Normale Kunststoffoberflächen sind im Vergleich dazu längst nicht so aufgeräumt; daher lässt sich nicht quantifizieren, wie viel zusätzliche Zerstörung der PECVD-Prozess in ihnen anrichtet.

Der sauerstoffhaltige Plasmaprozess zur Abscheidung der Barriereschicht aus Siliziumdioxid (grün) greift die Kunststoffoberfläche an. Das zeigte das RUB-Team anhand einer selbstorganisierenden Monoschicht (SAM), die durch die Abscheidung ihre Ordnung verliert.
© RUB, Felix Mitschker

In der SAM-Schicht hingegen fällt jedes Bisschen Unordnung sofort auf. Je mehr Durcheinander die PECVD in ihr erzeugt, desto mehr greift der Prozess die Oberfläche an. Auf diesem Weg zeigte das Team aus Bochum und Paderborn, dass der Beschichtungsprozess Oberflächen oxidiert und dadurch die obersten Atomlagen zerstört.

Eine Schutzschicht für die Oberfläche

Um das zu verhindern, tragen die RUB-Ingenieure zunächst eine sauerstofffreie Schutzschicht auf den Kunststoff auf. Auf diese scheiden sie dann die sauerstoffhaltige Barriereschicht ab.

„Früher haben wir geglaubt, dass wir mit der Schutzschicht einen Klebstoff auf den Kunststoff auftragen, einen Haftvermittler. Die ganze Welt hat das geglaubt“, erzählt Peter Awakowicz. „Aber das stimmt nicht!“ Die Versuche ergaben nämlich auch, dass die aufwachsende Barriereschicht die darunterliegende Schutzschicht umwandelt. Durch Oxidation erhält diese ähnliche Eigenschaften wie die Barriereschicht, macht den Kunststoff also zusätzlich dichter.

Bringt das RUB-Team vorm Auftragen der Barriereschicht (grün) eine Zwischenschicht (blau) auf die Kunststoffoberfläche auf, bleibt diese intakt. Im Versuch nutzte die Gruppe stellvertretend für die Kunststoffoberfläche eine selbstorganisierende Monoschicht (SAM).
© RUB, Felix Mitschker

Trotz dieser Erkenntnisse kann man verschiedene Gegenstände nicht einfach auf die gleiche Art mit Plasmen beschichten. Viele Parameter beeinflussen das Resultat, zum Beispiel die Plasmadichte, der Sauerstoffgehalt oder die Intensität des Ionenbeschusses.

Die Plasmaparameter wirken sich darauf aus, wie dicht, hart und dehnbar die Barriereschicht am Ende ist. Unterschiedliche Kunststoffe wie PET, Polypropylen oder Polycarbonat erfordern unterschiedliche Plasmaeigenschaften. Auch die Form des Gegenstandes spielt eine Rolle. Um die richtigen Einstellungen für ein neues Objekt zu finden, startet das RUB-Team mit Werten, die für andere Gegenstände bereits funktioniert haben. Dann analysieren sie die resultierende Schicht.

Die RUB-Ingenieure analysieren Defekte in den aufgebrachten Schichten mit rasterelektronenmikroskopischen Aufnahmen.
© Damian Gorczany

Löcher mit Durchmessern im Nano- bis Mikrometerbereich, die die Barriere durchlässig machen, treten immer auf. Ihre Menge und Größe ist ein Indiz für die Güte des Prozesses. Der Lehrstuhl Allgemeine Elektrotechnik und Plasmatechnik hat ein automatisiertes Verfahren entwickelt, um die Löcher zu detektieren, zu zählen und auszumessen.

Unsichtbare Löcher in der Oberfläche zählen

Das Problem: Noch nicht einmal unter dem Elektronenmikroskop sind die Defekte in der Barriereschicht auszumachen. Erst durch eine spezielle Behandlung werden sie sichtbar.

Die Forscherinnen und Forscher verwenden zu diesem Zweck die löchrige Barriereschicht als Maske. Durch die Löcher hindurch ätzen sie mit Sauerstoffradikalen in die darunterliegende Schicht. In dieser entstehen dadurch viel größere Löcher mit einer scharfen Kante, die aufgrund ihrer Form und Ausdehnung mit dem Elektronenmikroskop zu sehen sind. Ein selbst geschriebenes Computerprogramm detektiert die Defekte per Mustererkennung und wertet sie aus.

Test-Parcours für beschichtete Proben

Das ist aber nur eine Station eines ganzen Test-Parcours, den beschichtete Proben im Bochumer Labor durchlaufen. Auch Dehntoleranz und die Barriere für verschiedene Gase werden überprüft.

Das Ziel ist, besser zu verstehen, wie die Plasmaeigenschaften das Ergebnis des Beschichtungsprozesses beeinflussen. In Zukunft soll das ermöglichen, die optimalen Parameter für ein zu beschichtendes Objekt möglichst schnell zu finden.

Es gibt unendlich viele Kombinationsmöglichkeiten für die Plasmaparameter.


Peter Awakowicz

Je nach Gegenstand kann das zurzeit zwischen zwei Tagen und einem Jahr in Anspruch nehmen. „Es gibt unendlich viele Kombinationsmöglichkeiten für die Plasmaparameter. Aber je mehr Erfahrung wir gewinnen, umso schneller geht es natürlich“, sagt Peter Awakowicz.

Für PET-Flaschen hat sein Team den Prozess gemeinsam mit Industriepartnern schon sehr weit optimiert, in einem Projekt, das das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie fördert. Auch eine Beschichtungsanlage besitzt das Forschungskonsortium bereits.

Industrietauglich in ein bis zwei Jahren

Bislang gibt es nur einen einzigen kommerziellen Hersteller für solche Geräte weltweit; die Technik hat sich auf dem Markt noch nicht durchgesetzt. Nur vereinzelte Produkte kommen zurzeit in beschichteten Verpackungen daher, PET-Flaschen sind nach wie vor ohne Barriereschicht gefertigt. In ein bis zwei Jahren, schätzt Peter Awakowicz, könnte sich das ändern – wenn das Verfahren, das aus seinem Hause kommt, industrietauglich sein wird.

Auch Metall lässt sich beschichten

Beschichtungen für Kunststoffe sind aber nicht das Einzige, für das sich die Ingenieurinnen und Ingenieure interessieren. Im Rahmen des Sonderforschungsbereich/Transregio 87 „Gepulste Hochleistungsplasmen zur Synthese nanostrukturierter Funktionsschichten“ arbeiten sie auch an Methoden für die plasmaunterstützte Beschichtung von Metalloberflächen.

Keramikschichten können metallische Bauteile wie Bohrer widerstandsfähiger und somit haltbarer machen. Metallwerkzeuge für die Produktion von Kunststoffteilen werden etwa so beschichtet. Das gewährleistet zum Beispiel, dass der flüssige Kunststoff nicht zu viel und nicht zu wenig an dem Werkzeug haftet. Durch eine optimale Beschichtung des Werkzeugs hat das entstehende Kunststoffbauteil am Ende außerdem eine bessere Qualität.

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Unveröffentlicht

Von

Julia Weiler

Dieser Artikel ist am 2. März 2015 in Rubin ET/IT 2015 erschienen. Die gesamte Ausgabe können Sie hier als PDF kostenlos downloaden. Weitere Rubin-Artikel sind hier zu finden.

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